Am Donnerstagnachmittag saß ich wie so oft im Adenauerring und schrieb an meinem Blog. Gerade las ich den Text nochmal durch und merkte: „Nein", dass was ich am Donnerstagnachmittag schrieb, passt nicht mehr zu dem, wie ich mich jetzt fühle oder wie ich auch jetzt diesen Donnerstag in der Rückschau empfinde.
Im Adenauerring beobachtete ich die Arbeiter der Stadt, wie sie die Anlage pflegten. Jeder Schritt war voller Präzision. Ob der Wasserschlauch ein- oder ausgerollt, Unrat auf den Transport geladen, mit Händen und Geräten in der Erde gebuddelt wurde oder ein Zigarrettchen geraucht wurde.
Bereits am Mittwoch hatte ich „I" auf einer Bank sitzen sehen. „I", die mir zwischen 1999 und 2006 unglaublich wichtig war, die in dieser Zeit eine großartige Freundin für mich war. Für einen Moment dachte ich daran, ihr „Hallo" zu sagen, ließ es aber (vorerst) bleiben.
Unsere Café-Gespräche und auch das Schweigen– werde ich ewig in mir tragen. Die Frage, wer zahlt, stellte sich nie. Mal zahlte „I", mal ich. Das war einfach so.
„I" war und ist (sicher noch) eine großartige Frau.
Zum „Hallo" kam es dann doch, wenn auch nur flüchtig. Ich verließ die Bank, sie lief mit ihrer Schwester (die Blondine mit Sonnenbrille?) und zwei weiteren Damen daran vorbei. Wir tauschten einen Blick und ein beidseitiges „Hallo". Dann gingen wir getrennte Wege.
Ich glaube, das war genau richtig so. An manchen Erinnerungen sollte man nicht rühren.
Apropos Frauen: Ich habe „I" zwar nicht neu für mich entdeckt, doch eine neue Buchliebe gefunden. Nach Lebensklugen-Romanen und Thrillern wurde es mal wieder Zeit für die Gedanken eines real existierenden Menschen und zwar in Form von „Giulia Gwinn – Write your own story: Mein Weg vom Bolzplatz in die Weltspitze!"
Ich lese das Buch mit Begeisterung. Es bereichert mein Mindset. Einige ihrer Gedanken werde ich sogar in meine Sportgruppen einfließen lassen.
Gar nicht so leicht zuzugeben, dass eine Frau, die fast 20 Jahre jünger ist als ich, mir für mein Mindset und meine Sportgruppen nicht nur ein paar Tipps gibt, sondern gleich zwei Händevoll.
Meiner Meinung nach kann man dieses Buch auch lesen, wenn man gar nichts mit Sport zu tun hat, denn das Menschsein in seinem gesamten Facettenreichtum steht immer im Vordergrund.
Endlich traute ich mich an der Kasse mal zu fragen, wie ich denn die Payback-Punkte von meiner Karte für das Buch einsetzen könne. Die Frau in meiner Lieblingsbuchhandlung sagte: „Da sind aber nur 45 Cent drauf." Ich starrte sie an und erzählte, dass ich in diesem Jahr schon einige Bücher für verschiedene Leute und auch für mich gekauft hatte.
Sie – die Frau von der Kasse - beruhigte mich und meinte, das könne vier bis sechs Wochen dauern, bis die Punkte freigeschaltet werden.
Zu Hause, beim Schlafzimmerputzen, hatte ich einen unverhofften Gefühlsausbruch. Ich lüftete mein Zimmer, auf den Kopfhörern lief das Musikstück „Gute Reise". Ich sah in die Wolken und erstarrte am Fenster. Das Stück lief mehrfach hintereinander, während ich an all die Menschen dachte an die ich viel zu selten denke, die zwar unvergessen sind, denen ich aber nicht die Vielzahl an Gedanken schenke, die sie verdient hätten: Oma C., Oma T., Opa H., Opa K. und gerade erst neulich „Mamas Cousine G."
Währenddessen löste sich etwas in mir, das mich für einige Minuten mit einer Leichtigkeit, einem Wohlgefühl und einer Gutherzigkeit allen Menschen (wirklich aller Menschen) gegenüber erfüllte. Das war wirklich grandios! Kein Scherz! - Am Himmel tauchte eine Wolke in der unverkennbaren Form eines Flugzeugs auf, in dem mehrere Personen saßen. Ich bin sicher, die Wolke war 30 Sekunden zuvor noch nicht da.
Ich muss noch den Wäschetrockner ausräumen, dann geht's ohne Umwege direkt ins Bett.