Abschied

London, im Jahre 1870. Jenny Holmes, die bekannte Meisterdetektivin, stand gedankenverloren am Fenster und blickte auf das emsige Treiben auf der Baker Street in der sich ihre Detektei befand. In der Hand hielt sie einen langen Brief ihrer Schwester Jane. Sie schrieb ihr, dass es doch mal an der Zeit wäre, sie in den Vereinigten Staaten von Amerika zu besuchen. Schwester Jane ist vor einigen Jahren Mutter geworden und ihre Tochter drängt nun darauf die berühmte Tante endlich mal kennen zu lernen. Jenny grübelte und stellte sich die Frage, was sie hier noch soll. Ständig irgendwelchen Ganoven das Handwerk zu legen und sich in Gefahr zu begeben kann doch nicht alles im Leben sein. Schließlich wird sie auch nicht jünger. Und Inspektor Guby machte es ihr auch nicht immer leicht.

 

Ihr Entschluss stand fest. Sie gab die Kanzlei auf und beschloss in die Vereinigten Staaten zu ziehen, wo es Menschen gab, die auf sie warteten. Sie reiste nach Lemonshire um ihren alten Freund Lord Lemon noch einmal zu besuchen. Bei einer Tasse Tee und etwas Gebäck plauderte sie ausgelassen mit Lord Lemon über ihre Zukunftspläne.

„Wenn ich jünger wäre, liebste Jennifer ", sagte Lemon amüsiert, „Dann würde ich glatt mit ihnen reisen".

Jenny musste schmunzeln, denn das traute sie dem alten Knaben durchaus zu. Sie bat ihn ihre Sachen nachzuschicken, sobald sie eine passende Unterkunft für sich gefunden hätte. Man verabschiedete sich herzlich und dann machte sie sich wieder zurück auf den Weg nach London.

 

Es vergingen noch etliche Wochen bis sie alle Formalitäten erledigt hatte und dann hielt sie freudestrahlend ihre Passage für die Überfahrt in den Händen. Ihre Koffer, die sie mit auf die lange Reise nahm, standen längst gepackt im Flur. So wartete sie ungeduldig auf die Kutsche, die sie zum Hafen bringen sollte. Noch ein letztes mal schaute sie sich in ihrer Detektei um. Vermissen würde sie hier nicht wirklich was. So schloss sie die Türe hinter sich ab und begab sich auf die Fahrt in ein neues Leben. „Lebe wohl, Good Old England", sagte sie leise zu sich selber.

 

Der Kutscher hatte ganz schön was zu asten, waren ihre Koffer doch nicht gerade leicht, aber was braucht man als Frau nicht alles, wenn man auf Reisen geht mit der festen Absicht nicht wiederzukehren. Doch als Jenny Holmes ihm ein beachtliches Trinkgeld zu steckte hellte sich seine Miene schlagartig wieder auf. Grinsend schaute sie aus dem Fenster und sah noch einmal ihr altes Leben an sich vorüber ziehen. Endlich raus aus diesem steifen englischen Mief, dachte sie und konnte sich ein lautes Lachen nicht verkneifen.

Schon bald kam der Hafen in Sicht. Das bunte Treiben dort, Schiffe wurden entladen wieder andere beladen, ein nicht enden wollendes Gewusel an Menschen rannte hin und her, beeindruckte sie immer wieder aufs Neue. Jenny Holmes stieg aus und der Kutscher schleppte das Gepäck hinter ihr her, in der Hoffnung noch mehr Trinkgeld zu kassieren. Seine Hoffnungen wurden nicht enttäuscht. 

Da lag sie nun vor Anker, die "Abyssinia" ein stolzes Schiff mit drei Masten und einem Schornstein in der Mitte, 110 Meter lang und gut 12 Meter breit. 200 Passagiere waren in der ersten Klasse zugelassen und eine davon war sie, Jenny Holmes. Dieses Schiff wird sie in gut zwei Wochen sicher in New York an Land bringen.