Am nächsten Morgen verließ sie das Hotel nahm eine Kutsche und fuhr direkt zum Bahnhof um dort den Zug nach Louisiana zu nehmen. Es herrschte ein lebhaftes Treiben auf den Bahnsteigen. Sie hatte alle Mühe ihr Gepäck zusammenzuhalten. Sichtlich unwohl wartete sie auf den Zug, der sie aus diesem Gewimmel von Menschen heraus bringen sollte. Es kamen ihr Zweifel, ob das ihr neues Leben wirklich sein sollte. Doch weiter kam sie nicht, denn plötzlich grinste sie jemand an. Frank stand wie aus heiterem Himmel vor ihr und ihre Gedanken waren wie weggefegt.
„Ich kann sie doch unmöglich alleine den Gefahren des wilden Westens aussetzen.", lachte er schelmisch.
Jenny schmunzelte und dachte im Stillen: "Wenn Du wüsstest, was ich alles schon erlebt habe."
Sie zwängten sich durch den engen Gang bis sie ein Abteil fanden, wo noch gerade zwei Plätze frei waren. Jennys Gepäck verfrachtete man in den letzten Wagen, der extra dazu diente um größere Gepäckstücke dort zu lagern. Sie fühlte sich nicht sonderlich wohl in dem völlig überfüllten Zug, doch auch das würde sich legen, je länger die Reise dauerte. Außerdem hatte sie ja mit Frank einen charmanten Begleiter, der ab und an, wenn sie gerade aus dem Fenster sah, einen flüchtigen Blick auf sie warf. Sie schaute auf Städte die an ihnen vorbei zogen, überquerten unzählige Brücken und allmählich wurde die Landschaft grüner. Felder auf den Menschen ihre tägliche Arbeit verrichteten zogen an ihr vorbei. Sie sah das erste mal eine Büffelherde die ganz nahe an ihrem Wagon vorbei raste, aufgeschreckt durch das Schnaufen der Dampflokomotive. „Fehlen bloß noch die Indianer," lachte Frank.
Jenny schaute ihn grinsend an. Er ahnte wohl was sie dachte. Je weiter sie von New York fort kamen, desto leerer wurde das Abteil, was die beiden nun ganz für sich hatten. Die Ruhe tat ihr gut und so dauerte es nicht lange bis sie einschlief.
Sie wusste nicht wie lange sie geschlafen hatte, doch plötzlich stupste Frank sie sachte an.
„Miss Holmes, Aufwachen! Der Zug hält hier für eine Stunde."
Jenny schreckte hoch, wusste erst gar nicht wo sie sich befand. Doch dann stieg sie mit Frank aus um sich ein wenig die Beine zu vertreten. Der Zug musste seinen Vorrat an Kohle erneuern und Wasser wurde auch nachgefüllt. Frank und Jenny liefen an den Baumwollfeldern lang, wo gerade Sklaven dabei waren sie zu pflücken und in große Säcke zu stopfen. Männer, Frauen und sogar Kinder waren dabei rasch die Baumwolle zu pflücken. Immer unter den Augen mehrerer Weißer, die auf ihren Pferden saßen und die Sklaven nicht aus den Augen ließen. Jenny beobachtete wie eine offensichtlich schwangere Frau nicht mehr konnte und sich für einen Moment hin setzte. Sofort schnauzte sie einer der Wachmänner an und hob seine Reitgerte um sie damit zu schlagen. „Hey, was soll das, lassen sie die Frau in Ruhe!", schrie ihn Jenny an. „Sehen sie nicht, dass sie müde ist und nicht mehr kann?!"
Der Mann ließ von der Frau ab und ritt auf Jenny zu.
„Guten Tag, Madam.", sagte er. „Steigen sie wieder in den Zug und kümmern sie sich nicht um Dinge, die sie einen feuchten Dreck angehen.", zischte er sie an.
In Jenny stieg der blanke Zorn hoch, doch bevor sie noch was sagen konnte, packte Frank sie am Arm und zog sie zurück in den Zug.
Es dauerte eine Weile bis er sie wieder beruhigen konnte und erklärte ihr, dass das im Süden hier so üblich ist. Jenny hatte alle Mühe das zu verstehen und wusste, dass das noch einiges an Ärger mit sich bringen würde.
Womit sie mal wieder Recht haben sollte. Bis die Reise wieder weiter ging, saßen beide wortlos im Abteil und Jenny blickte auf die Felder, wo die Sklaven ihre Arbeit taten. Während sie die Wolle pflückten, stimmten sie in ein Lied ein. Erst einer, dann immer mehr, bis alle sangen und rhythmisch dazu in die Hände klatschten. Das beeindruckte sie doch sehr und auch als sie längst wieder unterwegs waren, klang das Lied der Sklaven noch in ihrem Ohr.
Endlich, fast hätte Jenny es nicht mehr für möglich gehalten, erreichte der Zug sein Ziel. Zischend und schnaufend blieb er stehen. Jenny, die fast eingeschlafen wäre, regte sich und stupste Frank an, der in einem tiefen Schlaf versunken war.
„Louisiana, Endstation!", brüllte der Bahnhofvorsteher den Leuten ins Ohr.
Miss Holmes blickte aus dem Fenster, während Frank so allmählich aus dem Schlaf erwachte. Draußen rannte alles kreuz und quer durcheinander. Feine Damen in ihren langen Kleidern mit Schirmchen auf den Schultern um sich vor der Hitze zu schützen, die Herren trugen elegante Anzüge und in der Hand meist einen Gehstock. Dazwischen mühten sich die Gepäckträger ab, die kaum den feinen Herrschaften folgen konnten. Es waren meist Schwarze aller Altersklassen die diese Dienste leisteten. Selbst Kinder sah sie mit Koffern, die fast größer waren, als sie selbst. Jenny erschrak bei dem Anblick.
Frank, der nun vollends wach war, schnappte sich das Gepäck und die beiden verließen den Zug. Jenny blickte sich um, ob schon was von ihrer Schwester zu sehen war, doch konnte sie in dem Trubel niemanden erkennen.
„Miss Holmes?", fragte plötzlich jemand.
Sie drehte sich um und nickte. Neben ihr stand ein junger Schwarzer, der sie freundlich an lächelte.
„Ihre Schwester schickt mich, ich soll sie zu ihr bringen. Mein Name ist Jeremy.", stellte er sich vor.
Jenny lächelte und reichte ihm zur Begrüßung die Hand. Sein Blick wurde verstörend. Eine weiße Frau reichte ihm die Hand. Er wusste nicht, wie er reagieren sollte und schüttelte den Kopf. Jenny verstand und zog ihre Hand wieder zurück.
„Kommen sie bitte, da drüben steht unsere Kutsche."
Jeremy schnappte sich das Gepäck, Frank half ihm dabei, was ihm sichtlich unbehaglich war. Jenny und Frank nahmen Platz und los ging die Fahrt zum Gut ihrer Schwester Jane.