Avery hatte beschlossen ihre Tante Jenny auf andere Gedanken zu bringen. Sie hatte natürlich bemerkt wie sehr dieser Vorfall von neulich sie beschäftigte. Also ließ sie kurzerhand drei Pferde satteln, um mit ihr und Frank einen Ausritt zu machen. Jenny war ganz angetan von dieser netten Ablenkung und sagte auch sofort zu. Auch Frank ließ sich nicht lange bitten und schwang sich in alter Cowboymanier in den Sattel. Avery zeigte den beiden das Land, was ihrem Vater gehörte. Frank und Jenny waren beeindruckt von der Größe und wie schön es doch hier war. An einem kleinen See machten sie Halt. Avery hatte jede Menge Proviant dabei und so ließ man sich unter einem schattenspendenden Baum nieder und genoss all die Köstlichkeiten die Mama Bertha für sie eingepackt hatte.
Frank hatte beschlossen ein kleines Nickerchen zu machen, schob seinen Hut ins Gesicht und begann recht bald zu schnarchen. Jenny und Avery mussten lachen und gingen, um ihn nicht zu stören, ein Stück weit spazieren, als sie in der Ferne Joshua erblickten, der gerade dabei war einen Zaun zu reparieren.
„Komm, lass uns zu ihm gehen.", lachte Avery.
Doch gerade als die beiden auf ihn zugehen wollten, erblickten sie einen Reiter, der auf Joshua zuritt. Jenny Holmes erkannte ihn sofort. Es war wieder dieser John Copper. Sie nahm Avery an der Hand und zog sie hinter einem Baum. Jenny ahnte nichts Gutes und sie sollte Recht behalten. Copper zog seine Peitsche und schlug wie ein Verrückter auf Joshua ein, der schützend seine Hände vor sein Gesicht hielt.
„Verdammter Nigger, was hast du an dem Zaun verloren?! Na warte, ich werde es dir zeigen!", brüllte er hasserfüllt. Doch Joshua setzte sich zur Wehr, ergriff einen Stein und traf Coppers Pferd am Kopf. Es stieg hoch und warf John Copper im hohen Bogen aus dem Sattel. Dann gab Joshua Fersengeld, er lief so schnell er nur konnte, bis er im nahegelegen Wald verschwunden war. Jenny und Avery mussten lachen, als sich der dicke Kerl wieder erhob und sich wütend in den Sattel schwang. Als die beiden grinsend wieder zurückkamen, war auch Frank vom Schlaf erwacht und wunderte sich über die Fröhlichkeit der beiden.
Als man am Abend zusammen am Tisch saß und das Abendessen einnahm, ertönte plötzlich draußen eine Glocke. Avery´s Vater sprang sofort hoch und rief: „Feuer, es brennt!".
Alle sprangen von den Stühlen und eilten geschwind nach draußen.
„Du meine Güte.", seufzte Jane.
Die Unterkünfte der Sklaven standen in Flammen, es brannte lichterloh. Sofort wurden Eimer geschnappt und man versuchte zu retten, was noch zu retten war. Jenny die ebenfalls mit anpackte, war klar wer dahinter steckte. Das Feuer konnte nur John Copper gelegt haben. Die meisten Sklaven konnten sich in Sicherheit bringen. Viele hatten leichte Verbrennungen, um die sich Jane, Avery und Jenny kümmerten. Doch niemand konnte in dem Chaos Joshua entdecken. Avery mochte gar nicht daran denken, ob er vielleicht in den Flammen umgekommen sei. Jenny, die sah wie Avery den Kopf hängen ließ, nahm sie in den Arm und drückte sie fest an sich.
Die Suche nach Joshua blieb erfolglos, aber da man in dem niedergebrannten Gebäude keine Leiche fand, musste er überlebt haben. Alle packten mit an um die Unterkünfte der Sklaven schnell wieder bewohnbar zu machen. Auch Jenny Holmes, ihre Schwester, sowie Avery waren fleißig zu Gange, als John Copper und zwei seiner Leute sich ihnen näherten. Janes Mann begrüßte ihn, doch Copper war noch immer voller Zorn und blaffte ihn sofort an: „Wenn ich Deinen Nigger erwische, dann knüpfe ich ihn am nächsten Baum auf, das schwöre ich Dir!"
Frank, der dicht daneben stand, sah ihn hasserfüllt an und sagte: "Bevor das geschieht, schicke ich sie dahin, wo sie hingehören ... in die Hölle!"
Copper grinste verächtlich, gab seinem Pferd die Sporen und die drei ritten eiligst davon.
Schon am Abend waren die Unterkünfte soweit fertig, dass man dort wieder wohnen konnte. Man saß draußen bei lauem Sommerwetter zusammen. Es gab „Gumbo“, ein Eintopfgericht, das man hier im Süden gerne zu sich nahm. Es wurde gesungen und gelacht. Einer der Sklaven hatte sich aus einer Schippe eine Gitarre gebastelt, ein paar Drähte genommen und sie über die Schaufel gespannt und so als Gitarre genutzt. Jenny genoss diesen Abend an dem Schwarze und Weiße zusammen saßen, als wenn es das natürlichste auf der Welt wäre. Was es doch auch eigentlich war, wenn, ja wenn es nur diesen Hass nicht gäbe. Erst spät in der Nacht verließ sie mit Schwester Jane und ihrer Nichte Avery das Fest, man hakte sich ein und ging lachend nach Hause.
Von Joshua fehlte nach wie vor jede Spur. Copper hatte mit seinen Leuten die ganze Gegend abgesucht, doch alles ohne Erfolg.
Avery machte sich unterdessen auf um weiter beim Aufbau zu helfen. Sie war fast am Ziel, als sie jemand von hinten packte, ihr den Mund zuhielt und sie ins Gebüsch zerrte.
„Psssst, ich bin es." flüsterte eine ihr vertraute Stimme.
Sie riss die Augen auf und erkannte Joshua. Schnell schlug ihre Angst in Freude um und sie strahlte übers ganze Gesicht.
„Wo hast Du dich bloß die ganze Zeit versteckt?", sagte sie.
„Besser Du weißt es nicht. Das ist sicherer für Dich.", antwortete er rasch. „Kannst Du mir etwas zu essen besorgen? Ich hatte seit Tagen nichts und wenn es geht eine Waffe."
Avery erschrak, doch war sie bereit alles für ihn zu tun.
„Warte hier." sagte sie und lief rasch zu Bertha, die noch reichlich vom Gumbo über hatte.
Dann machte sie sich zurück zu der Stelle, an der Joshua auf sie wartete. Wie ein Wilder stürzte er sich auf den Eintopf, Avery musste lächeln, als sie ihn so schlingen sah. Doch tat er ihr auch gleich wieder leid, dass er so lange hungern musste.
Nachdem er gegessen hatte, fragte er sie "Was ist mit der Waffe?"
„Ich versuche eine zu besorgen. Warte, bis es dunkel wird, dann komme ich und bring sie Dir."
Joshua blickte Avery dankbar an, dann machte sie sich zurück auf den Weg nach Hause.
Sie glaubten sich in Sicherheit, doch der Schein trügte. John Copper lauerte Avery heimlich auf und ohne das sie was davon ahnte, führte sie den Schurken direkt zu Joshua. Copper schlug noch nicht gleich los, er wusste ja jetzt von dem Plan der beiden und machte sich die Ahnungslosigkeit der Zwei zunutze. In der Nacht als alles schlief, schlich sich Avery in das Arbeitszimmer ihres Vaters. Sie wusste, wo er dort seine Waffen hatte. Schnell öffnete sie den Schrank und entnahm dort eine seiner Waffen. Dann lief sie schnell und unbemerkt wieder in ihr Zimmer und wartete dort bis zum Morgengrauen.
Unter einem Vorwand verdrückte sie sich gleich nach dem Frühstück und machte sich auf den Weg zu Joshua. John Copper lauerte in Deckung im nahegelegenen Gebüsch. Die ganze Nacht hatte er dort verbracht. Zu groß war seine Wut auf den Jungen, der es gewagt hatte, sich ihm zu widersetzen. Er würde seine gerechte Strafe dafür erhalten, das war ihm klar. Seine Hände waren klamm von der Kälte der Nacht, als er endlich Avery kommen sah. Kurz darauf traf auch Joshua dort ein. Die beiden umarmten sich kurz, sie reichte ihm was zu essen, was er gierig verschlang und dann gab sie ihm den Revolver.
Avery und Joshua wollten sich gerade verabschieden als ganz plötzlich eine ihnen vertraute Stimme erklang.
„Sieh an, ein Nigger mit einem Revolver."
Joshua erschrak und ließ bald vor Schreck die Waffe fallen.
„Jetzt bist du fällig, ich lege dich um!“, sagte Copper mit hasserfüllter Stimme.
„Lassen sie ihn gehen.", flehte Avery ihn an, doch Copper dachte nicht daran.
Er spannte den Abzugshahn und drückte ab. Ein Schuss fiel, doch Joshua war nicht getroffen. Er schaute mit weit aufgerissenen Augen in die Richtung aus der der Schuss kam. John Copper stieß einen Schrei aus und die Waffe flog ihm aus der Hand.
„Der nächste Schuss trifft!", sagte Jenny Holmes.
„Das wird ihnen noch leid tun.", raunte Copper. „Das wird euch Niggerfreunden noch alle leid tun!"
Er hob sein Schießeisen auf und machte sich auf den Weg nach Hause. Avery stand noch immer wie angewurzelt dort. Nicht fähig ein Wort zu sagen. Als der Schock nachgelassen hatte erzählte ihr Jenny, dass sie am Abend im Wohnzimmer der Familie über einem Buch eingeschlafen sei. Dann durch ein Geräusch in der Nacht geweckt wurde. Sie sah dort, dass Avery eine Waffe an sich nahm und neugierig, wie sie nun mal war, folgte sie ihrer Nichte bis hier her. Avery war erleichtert und konnte ihren Dank Jenny gegenüber gar nicht genug in Worte fassen. Sie beschlossen erst einmal die Geschehnisse für sich zu behalten. Joshua ging zurück in sein Versteck und Tante Jenny nahm ihre Nichte bei der Hand und sie musste ihr versprechen, ab jetzt keine Alleingänge mehr.