Die verwahrlost wirkende Frau legte ihren Finger auf den Mund und forderte Joshua auf ihr zu folgen. Etwas zögerlich lief er ihr nach, was blieb ihm auch anders übrig. Vielleicht kennt sie ein gutes Versteck wo ich eine zeit lang unter kommen kann?, dachte er und verschwand mit der sonderbaren Frau im Dickicht des Waldes.
Jenny und Avery suchten ebenfalls das Gebiet nach Spuren von Joshua ab, ihre langen Kleider erwiesen sich als äußerst hinderlich in diesem sumpfigen Gelände. Auch ihr Schuhwerk hielt die beiden nur auf anstatt sie eilig voran zu bringen. Jenny Holmes hatte die Nase voll. Sie zerriss die untere Hälfte ihres Rockes sowie den Unterrock und ermutigte Avery dazu das gleiche zu tun. Sie zögerte nicht lange und tat es ihrer Tante gleich. So kamen sich doch wesentlich schneller voran. Den zerrissenen Rest ihrer Kleidung versteckten sie sorgsam, dass sie Niemanden auf ihre Spur bringen konnten. Ziemlich planlos irrten sie durch den Sumpf bis sie an die Stelle kamen, an dem Joshua die seltsame Frau getroffen hatte. Ohne es zu ahnen ruhten sich die beiden Ladies im Schatten des Baumes ein wenig aus. Die beiden hatten schwer mit den Mücken zu kämpfen, die sie immer wieder attackierten.
„Diese verdammten Biester.", maulte Jenny Holmes und fuchtelte wild mit ihren Armen herum.
„Schau Tante Jenny.", sagte Avery ganz plötzlich. „Da, das sind doch Fußspuren?"
Avery hatte Recht. Das waren eindeutig Spuren und sie schienen noch recht frisch zu sein. Jenny bemerkte, dass hier zwei Personen unterwegs waren. Der eine war barfuß und die andere Person trug Schuhe, wie Jenny deutlich erkennen konnte.
Die Frau brachte Joshua in ihr Versteck, es war eine alte Hütte, gut getarnt mit Blättern und Ästen, so dass man sie auf Anhieb nicht erkennen konnte. Sie öffnete die Türe und bat ihn herein. Etwas zögerlich betrat er ihr kleines Reich. Ein Tisch, ein Bett und einen Stuhl. Mehr Gegenstände befanden sich nicht im Raum, anscheinend brauchte sie nicht viel zum Leben.
„Hier bist du erstmal in Sicherheit.", sagte sie wie aus dem Nichts. Joshua war erstaunt, dass sie so plötzlich sprach, hatte sie doch auf dem Weg hier hin kein einziges Wort gesagt.
„Mein Name ist Liza.", sprach sie weiter.
„Jo - Joshua heiße ich.", stammelte er.
„Setz dich und erzähle mir was Dich in den Sumpf treibt, denn freiwillig wagt sich kaum jemand hierher."
Joshua nahm Platz und begann die ganze Geschichte zu erzählen. Aufmerksam hörte Liza ihm zu, hier und da verzog sie ihre Miene, dann lauschte sie wieder seinen Worten. Nachdem er fertig war stellte sie ihm ein paar Bohnen und einen Kanten Brot auf den Tisch, die er gierig verschlang.
„Wenn Du müde bist und schlafen möchtest, spanne ich die Hängematte auf.“
Joshua nickte, fielen ihm doch bald die Augen schon im Stehen zu. Liza befestigte die Hängematte an zwei Haken, die sie angebracht hatte und Joshua legte sich sofort hinein um rasch in einen tiefen traumlosen Schlaf zu fallen.
Schnell sprangen die beiden auf um den Spuren zu folgen. Aus der Ferne hörten die beiden Stimmen, die durch den Wald hallten.Ddas konnten nur Copper und seine Leute sein. Jetzt hieß es sich zu beeilen, wollten sie doch nicht entdeckt werden. Beiden zogen ihre unbequemen Schuhe aus und liefen rasch in die Richtung in der die Spuren führten. Jenny hatte sich einen Ast abgebrochen um ihre Spuren zu verwischen. Sie wedelte damit herum, um es Copper so schwer wie nur irgendwie möglich zu machen. Jetzt, wo sie barfuß durch den Wald liefen, kamen sie rasch voran und die Stimmen waren kaum noch zu vernehmen. Hatten die beiden John Copper abgehängt ?
Was anfänglich recht gut aussah gestaltete sich immer schwieriger, desto tiefer sie in den Wald eindrangen. Der Boden wurde immer morastiger, so dass beide bis zu den Knien im Sumpf steckten. Die unzähligen Stechmücken machten den beiden Frauen das Leben auch nicht gerade leichter. Avery hatte Mühe voran zu kommen, so dass sie für einen Moment stehen blieb und da passierte es. Sie stieß einen kurzen Schrei aus. Jenny drehte sich rasch nach ihr um und sah gerade noch wie sich eine Schlange ins Gebüsch verkroch. Jetzt musste es schnell gehen. Mit allen ihr zur Verfügung stehenden Kräften zog sie ihre Nichte ans Ufer wo der Boden fester war. Sie schaute sich ihr Bein an und sah sogleich die beiden kleinen Punkte wo das Reptil zugebissen hatte.
Joshua, der sich von den Strapazen bei Liza erholte, saß zu diesem Zeitpunkt mit einer Angel am See und versuchte das Mittagessen auf den Tisch zu bekommen. Liza stand ein Stück abseits von ihm und schaute ihm amüsiert dabei zu, als beide fast gleichzeitig diesen Schrei hörten. Sie verharrten und schauten sich fragend an. Zuerst dachte Joshua, es sei Copper mit seinen Leuten, doch der Schrei kam aus der Kehle einer Frau. Liza und Joshua machten sich sodann auf in die Richtung aus dem der Schrei kam.
Jenny zog eine ihrer langen Haarnadeln heraus und ritzte so gut es damit ging eine Wunde in Averys Bein, so dass das Gift heraus laufen konnte. Dann saugte sie das Blut auf und spuckte es sogleich wieder aus. Avery stöhnte vor Schmerzen und Schweißperlen rannen von ihrem Gesicht.
„Tante Jenny, werde ich sterben müssen?", sagte sie mit angstvollem Blick.
„Keine Sorge. So lange Tante Jenny bei Dir ist, wirst Du es schaffen.", sagte sie und begann wieder das verunreinigte Blut auszusaugen.
Sie war so damit beschäftigt, dass sie nicht bemerkte wie Liza und Joshua ganz plötzlich aus dem Gebüsch hervor traten. Jenny erschrak, doch im selben Moment war sie sowas von erleichtert ein bekanntes Gesicht zu sehen, dsas sie fast vor Freude weinen musste. Liza warf einen Blick auf die Bisswunde und gab Joshua den Befehl Avery schleunigst in ihre Hütte zu bringen. Joshua lief so schnell, dass Jenny ihm kaum folgen konnte.
In der Hütte legte er Avery auf den Boden, den Liza weich ausgelegt hatte. Schnell mischte sie eine Tinktur aus Kräutern zusammen und schmierte das Zeugs auf ihr Bein, danach wurde ihr Bein verbunden und Avery fiel in einen heilsamen Schlaf.
Jenny saß völlig erschöpft auf einen der wenigen Stühle die es gab. Liza setzte sich zu ihr und gab ihr einen Tee zu trinken, der Wunder bewirken konnte. Kaum hatte sie ihn getrunken, fühlte sie sich wieder stark und von Erschöpfung keine Spur. Die beiden Frauen unterhielten sich eifrig über heilende Kräuter und Jenny hörte aufmerksam zu. Joshua saß unterdessen neben Averys Nachtlager und ließ kein Auge von ihr, bis er schließlich neben ihr einschlief. Jenny und Liza mussten schmunzeln bei dem Anblick und beschlossen es den beiden gleich zu tun, denn der neue Tag wird sicher kein guter werden, davon war Jenny Holmes überzeugt.
Die beiden Frauen legten sich zu Joshua und Avery auf den Boden und schliefen sodann auch schnell ein. Jenny wachte ein paar Mal auf durch die schwüle der Nacht. Sie war schweißnass gebadet. Sie stand auf und blickte durchs Fenster in die stockdunkle Nacht. Sie lauschte dem Zirpen der Grillen. Frösche schienen ihr zu Ehren ein Konzert zu geben. So friedlich das alles auch schien, sie wusste, irgendwo da draußen ist John Copper und über kurz oder lang wird er sie finden.
John Copper und seine Leute übernachteten im Freien. Zum Schutz gegen Mücken und anderes Viehzeugs hatten sie ein großes Feuer entfacht, doch gegen diese kleinen Biester nutzte es recht wenig. Seine Leute fluchten wie die Droschkenkutscher und machten die Nacht kaum ein Auge zu. John Copper erging es nicht anders, sein Gesicht war übersät mit Mückenstichen. Er nahm noch einen letzten Zug von seiner Zigarette und fluchte leise vor sich hin.
„Ein Grund mehr um dich kleinen Bastard an den nächsten Baum zu knüpfen."
Als der Morgen graute war Jenny Holmes längst wach und saß vor der Hütte und starrte in die Richtung aus der sie gekommen waren. Liza trat heraus und brachte ihr eine Tasse frischen Kaffee. Sie lächelte Liza an und nahm sogleich einen großen Schluck. Der heiße Kaffee wärmte sie und tat ihr sichtlich gut. Dann stand sie auf und betrat die Hütte und sah mit Verwunderung, dass es Avery wieder erstaunlich gut ging. Jenny trat zu ihr und nahm sie liebevoll in den Arm.
„Na, da werde ich mir ganz schön was von Jane anhören müssen.", lachte sie.
Liza hatte unterdessen ein prächtiges Frühstück gezaubert, das man gar nicht hier im Moor vermutet hätte. Joshua hatte vor der Hütte Posten bezogen und ließ die Gegend vor ihm nicht aus den Augen. Er lauschte gedankenverloren dem Singen der Vögel, als ihn ein lautes Knacken aufschrecken ließ. Sofort ergriff er die Flinte, die ihm Liza gegeben hatte und die ganze Zeit neben ihm auf dem Boden lag. Das Gewehr im Anschlag stand er da und war bereit jederzeit loszuschießen, falls jemand durchs Dickicht kam.