Ole, Deutschland, in der nächsten Runde.
Nach einem langen Samstag, der mir mehr an Kraft und Emotionalität abforderte, wie ich dachte, saß ich ab 20 Uhr 48 auf der Wohnzimmercouch und verfolgte mit Vater und Mama das Ausscheidungsspiel zwischen Dänemark und Deutschland bei den Fußballeuropameisterschaften vor dem TV.
Das zu unserer Freude die „Nagelsmänner" mit zwei zu null Toren gewannen.
10 Uhr 30 stand ich am Samstag mit Papa auf dem Austragungsort – Außenfläche des Vereinsheimes – zum Aufbau des Sommerfestes des Vereines, für den ich bereits seit über zwei Jahrzehnten als Übungsleiter tätig bin.
Es waren ausreichend Helfer für das Sommerfest da.
Ausreichend ja. Genug nicht!
Nicht für das, was wir als Verein an Personen zu bieten hätten. … und an Personen, die speziell zu solchen Anlässen gerne und weit den Mund aufreißen, doch bei solchen Aktivitäten zumeist mit Abwesenheit glänzen.
Einige fleißige Hände mehr wären eben schön gewesen!
Zu schade, wie viele andere Trainer, Vorstand, Mitglieder oder Familie aus dem Verein so ein Fest überhaupt nicht interessiert.
Umso mehr war ich dankbar für die Helfer, die da waren.– Auch wenn es, genau DIE HELFER, waren, DIE es immer sind.
33 C° knallig heiß. Kurz vor 12 Uhr trudelten die ersten Sommerfestgäste ein.
Weniger als erwartet.
Die Teilnehmer, die da waren, hatten jedoch von Minute eins ihre Freude.
Die Kids erklommen die Hüpfburgen und Spielstationen.Eierlauf, Sackhüpfen, Ball in einen Basketballkorb werfen, Slackline von Baum zu Baum oder Dosenwerfen. Dann gab es da auch noch eine umherwirbelnde Blume, die durch einen Schwenkkopf Wasser verspritzte.
Nach Aufbau und einer Stunde als Betreuer und Fotograf verabschiedete ich mich vorerst vom Vereins-Sommerfest.
Im Vorfeld- noch ehe ich vom Termin der 2024er-Ausgabe des Sommerfestes wusste, hatte ich diesen Hochzeits-Fotoauftrag angenommen.
Damals fragte mich eine Pfarrerin im Nachbarort – nachdem ich dort eine Konfirmation fotografierte – ob ich den am 29. Juni eine Hochzeit auf Bildern festhalten könnte?
Sie würde sich nochmals zwecks genauerer Übermittlung der Informationen zur kirchlichen Eheschließung bei mir melden.
Ehrlicherweise ging ich davon aus, dass sich vielleicht zwei Flüchtlinge vermählen wollten oder Neu-hinzugezogene, man deshalb keinen Fotografen habe, dass es sich um die Pfarrerin selbst als Braut handeln könnte, wäre mir niemals in den Sinn gekommen.
Vor einigen Wochen – beim Wahlgang – traf ich erneut auf besagte Pfarrerin. Die mich nochmals an den 29. Juni erinnerte.
Dummerweise, blieb ich in meiner klischeehaften Vorstellung gefangen von zwei Flüchtlingen, die sich das Ja-Wort für ein Leben miteinander geben mochten.
Erst am Donnerstagabend fand ich mit Hilfe des Nachrichtenblattes der umliegenden Gemeinden zufällig heraus, dass es sich bei Braut und Bräutigam möglicherweise um die Pfarrerin und ihren Lebensgefährten handeln könnte.
Zu Hause machte ich mich schnell frisch, schlüpfte in meine schwarze Anzughose mein bestes blaues kurzärmeliges Hemd und war einige Minuten vor Beginn des Trauungsgottesdienstes an der Kirche, in der ich fotografieren sollte und wollte.
Dort nahm mich nicht die Braut, sondern die Pfarrerin – die ich um die sechzig Jahre schätze – die den Trauungsgottesdienst leitete, fröhlich in Empfang.
Sofort hatte ich bei der Geistlichen ein enorm gutes Gefühl.
Kurzes Struppiges graues Haar, runde hellbraune Hornbrille, eine gemütliche Figur und immer zu positiv beseelt und lächelnd.
Wie ich gefällig feststellte, nicht nur mir, sondern jedermann und Jederfrau gegenüber.
Fast als wäre diese Geistliche einem Klischee-Roman entstiegen stand diese Frau vor mir und meinte - wie ich ihr mitteilte, dass ich der Mensch für die Hochzeitsbilder wäre – „Das bekommen wir schon hin". Nichts weiter. Keine Regeln, nichts zu beachten, einfach nur ein: „Das bekommen wir schon hin".
Noch vor dem Gottesdienst konnte ich dem Bräutigam die Hand schütteln und mich so mit ihm bekannt machen.
In seinem Hellen Anzugdreiteiler bildete er zu meiner Auftraggeberin (der Braut) einen schönen Kontrast. Diese trug einen violetten langen Rock, ein weißes schulterfreies Oberteil und eine auffällig in mehreren Blaus, grün und Gelbtönen strahlende Blume im Haar.
Wann war die Kirche wohl zuletzt so gut besucht gewesen? – Mindestens 200 Leute, wahrscheinlich sogar einige mehr, wollten die Eheschließung von den harten Kirchenbänken live miterleben.
Oh ja, ich mochte den Gottesdienst.
Frau Pfarrer, die durch den Gottesdienst führte, war wunderbar unterhaltsam, nahm nicht nur zwischendurch sich selbst, anstatt auch die Kirche und die stets gleichen Abläufe in einem Gottesdienst gekonnt auf die Schippe.
Das jedoch ohne das Gotteshaus schlecht aussehen zu lassen, sich selbst in den Mittelpunkt zu stellen. Stets hatte man das Gefühl, ihr ging es darum, das Brautpaar scheinen zu lassen, den Gottesdienstbesucher ein Wohlgefühl zu verschaffen und zu zeigen, aufgemerkt; „Kirche kann was, hat durchaus ihre Berechtigung!"
Einen kleineren Reibungspunkt gab es dann aber doch.
Eine Frau, die mir bekannt ist, da ihr Sohn mit mir die Grundschule besuchte, die zum Kirchenvorstand zählt, zeigt mir mehrmals boshaft den Zeigefinger, während ich den Vermählungsteil des Gottesdienstes mit dem Fotoapparat festhielt. – Woraufhin ich ihr ein Schulterzucken schenkte und mich nicht weiter beeinflussen ließ.
Braut und Bräutigam tauschten keine Eheringe, sondern schöne Armbänder, die mich von ihrer Form an Lorbeerblätter erinnerten, miteinander aus.
Während des Gottesdienstes erfuhr ich, dass der Verlobte bereits Ehemann ist, er und Frau Pfarrer schon vor einigen Jahren standesamtlich heirateten.
Was der Liebe offenbar bisher überhaupt keinen Abbruch tat.
Wann hatte ich zuletzt einen solch leidenschaftlichen Brautkuss in einer Kirche gesehen?
Auch die ausgewählten Kirchenlieder für diesen Hochzeitsgottesdienst luden aufgrund ihres Bekanntheitsgrades durchaus zum Mitsingen ein.
Das Glück vollkommen machte einige Minuten vor Ende des Gottesdienstes der Hund des nun auch kirchlich verheirateten Paares. Der mit Zylinder auf dem Kopf und umgehängter Deutschlandflagge in die Kirche geführt worden war. Worüber sich die vermählten riesig freuten.
Das Erste, was die Ehefrau und gleichzeitig Hundebesitzerin machte – ich nehme an auch wegen der Hitze – ihrem Hund Zylinder und Flagge vom Körper zu nehmen. Wofür sich auch das Tier lebhaft begeisterte.
Ungefähr eine Stunde dauerte der kurzweilige Trauungsgottesdienst.
Niemand, mit dem ich sprach, kam diese Zusammenkunft wie sechzig Minuten vor.
Denn manchmal nehme ich einfach – im Fotografier-Rausch- auch Dinge anders und interessanter wahr, wie sie wahrscheinlich in Wirklichkeit sind? In diesem Fall fühle ich mich – da alles wohl das gleiche Gefühlt teilten – allerdings ausgesprochen bestätigt.
Im direkten Anschluss gab es einen kleinen Umtrunk vor der Kirche bzw. im Pfarrgarten, indem auch die Hochzeitsfeier stattfand.
Eifrig und herzlichst wurde dem Brautpaar von Familie, Freunden, Bekannten, Gemeindemitglieder, Bewunderern und Kirchenvorstand gratuliert.
Dabei gescherzt und natürlich auch jede Menge geküsst und geherzt.
Selbst ich konnte mich einer Umarmung bei Braut und Bräutigam nicht verwehren.
Eigentlich bin ich nicht der Typ Mann, der „Fremde" so mir nichts, dir nichts in seine Arme schließt und Umarmungen verteilt, doch dieser Atmosphäre und sympathischen Brautpärchen wollte ich mich kaum entziehen.
Die Braut, die von Sommerfest meines Vereines wusste, bedankte sich bei mir herzlichst für meinen Einsatz und bat mich, wenn ich wollte und könnte, doch nach meinen Verpflichtungen nochmals mit dem Fotoapparat vorbeizuschauen.
Auf dem Sommerfest war bedauerlicherweise der ganze große Zulauf in diesem Jahr ausgeblieben. Man vermutete viele der miteingerechneten Teilnehmer im Schwimmbad oder am See.
Beeindruckend hingegen, war das Büfett wieder.
Jede Familie hatte die Chance das mitzubringen, was sie wollte, das wurde dann auf einem Tisch im Vereinsheim aufgetischt und jeder Sommerfestgast durfte zugreifen.
Melonenstücke, Schokolade, Salamiwürste, Muffins, Donuts, Kuchen, gekochte Eier, Salamiwürste, Tomatensalat, Schinkenröllchen standen unter anderem zur Auswahl.
Lediglich für die Getränke waren alle Teilnehmer selbst verantwortlich.
Punkt 17 Uhr bauten wir das Sommerfest ab und versetzten das Vereinsheim und Außenanlage in seinen ursprünglichen Zustand zurück.
Das heißte Vater, 1. Vorsitzende und einige weitere Vereins-Treuen Seelen bauten ab. Mir wurde gesagt, ich sollte doch zusehen, dass ich zurück auf die Hochzeit käme, dass bisschen Abbau würde man ohne mich schaffen.
Also wieder heim, erneut frisch machen in neuen sauberen Sachen schlüpfen und zurück zur Hochzeitsfeier.
Die sich mittlerweile komplett in den Pfarrgarten verlagert hatte.
Überall im Pfarrgarten waren Sitzgelegenheiten aufgestellt. Manche unter kleinen Pavillons, andere im Freien.
Die Stimmung war einer Hochzeitsparty mehr als angemessen und würdig.
Wobei ich mich wunderte, wie legere einige der anderen männlichen Gäste zur Feier erschienen waren. Schlicht eben. T-Shirt, kurze Hose.
Eigentlich hatten sie recht, bei der Affen-Sommerhitze ist Wohlfühl-Kleidung auf der Haut das angenehmste.
Auch ich trug nur noch im Gegensatz zum Kirchgang zuvor eine dreiviertellange Hose und ein Hemd.
Doch ein festliches Hemd gegen ein T-Shirt einzutauschen, wäre mir wahrscheinlich kaum eingefallen?
Hierfür bin ich im Kopf zu geprägt und unfrei durch Eltern, Co. und Festen, die ich miterleben durfte, wie man bei solchen Anlässen auszusehen hätte.
Ein Pluspunkt und warum das Fest so gut gelang, war sicher auch das Fernbleiben sämtlicher Mückenarten an diesem Samstag.
Was ich in diesem Maße nicht für möglich hielt.
Hat doch der Pfarrgarten gleich mehrere Stellen und Ecken, die auf Mücken und andere Stechinsekten besonders einladend wirken.
Selbstbedienung war auf der Vermählungsfete angesagt.
Es gab ein aufgestelltes Holzbüdchen, in den mehreren Kühlschränken standen, aufgefüllt mit Mineralwasser, Zitronenlimonade, Weiß- und Rotwein und literweise Bier.
Auf den Tischen standen in Blechen und Körben abgedeckt, Apfel- und Kirschkuchen, Laugenstangen, Brezeln, gefüllte Gebäckteilchen mit Spinat.
Die gesamte Hochzeitsgesellschaft empfand ich als sehr angenehm.
Wobei ich Frau Pfarrerin (die Braut) hervorheben möchte.
So menschlich und weltlich hatte ich sie bisher nicht wahrgenommen.
Mir gefiel, wie sie über ihre Nervosität sprach vor der Trauung, über die Suche nach dem Hochzeitsoutfit und auch sonst, dass sie durchweg wie eine kirchlich frischvermählte Braut auf mich wirkte, die einfach eine gute Zeit mit ihren Menschen haben und ihre Liebe zelebrieren mochte.
Der Ehemann scheint auch ein netter Kerl zu sein.
Der mit viel Witz und Selbstvertrauen durchs Leben geht.
Ich drehte unzählige Fotorunden durch das Gelände des Pfarrgartens.
Fotowünsche wurde mir keine verwehrt.
Immer wieder kam es auch zum Austausch zwischen mir und den Hochzeits-Gästen, besonders hatte es mir Leute aus dem Allgäu angetan, die von 8 C° (vergangene Woche) in ihrer Heimat und von bisher wenigen sommerlichen Momenten in diesem Jahr mit einem schelmischen Augenzwinkern berichteten.
Manchmal haben ja Hochzeitsfeiern einen gewissen biederen Mief.
Das war hier in keiner Weise der Fall. Die sommerliche Atmosphäre, gepaart mit dem Lachen, nicht nur in der Luft liegenden Liebe und das Gefühl, dass die Leute auch Lust hatten sich untereinander auszutauschen, egal woher sie kamen, sorgten auf dem Gelände des Pfarrgartens für eine alles übertrumpfende Herzlichkeit und Miteinander.
„Denn wir sind reich an Gefühlen
Und wenn man sie mit Herzen zeigt
Erfährt man Glück in seiner pursten Form und Herrlichkeit" – „Dame" („Low Life")
Seid nett zueinander und passt gut auf Euch auf! Wer immer ihr auch seid!?