Brutkästen
Ich war eine frischgebackene Krankenschwester auf der Suche nach meinem ersten Job.
Nachdem ich viele Bewerbungen geschrieben hatte wurde ich in einem schicken Privathospital für Geburtshilfe und Schwangerenvorsorge angenommen. Es war bekannt für seine Leihmutterschaftsprogramme und genetisch starken Babys.
Ich war schon sehr aufgeregt und konnte es kaum erwarten meinen Arbeitsplatz, und meine Kollegen kennenzulernen.
Um Punkt 9 stand ich vor dem „Gesegnete Flügel" Krankenhaus. Ich wurde von sehr lieben, freundlichen Doktoren und Schwestern begrüßt, und die Einführung verlief genauso wundervoll. Ich knüpfte schnell Kontakte und gewöhnte mich an meine Routine. Alle Bereiche des Krankenhauses durfte ich nicht betreten – klar, ich war noch neu und musste mir mein Vertrauen erarbeiten.
Das einzige was mich zum Nachdenken brachte war, dass ich nie eine Leihmutter das Hospital betreten oder verlassen sah. Was ich sah waren immer viele glückliche Paare, die ihre kleinen Babys abholten. Die Leihmütter waren dabei nie anwesend.
Mein Job war es, sich um die Babys zu kümmern bis sie von ihren neuen Eltern abgeholt wurden.
Es war sehr erfüllend für mich, mit so kleinen lebendigen Bündeln voller Leben zu arbeiten. Jedes Baby war total gesund und keines hatte Ähnlichkeiten mit den anderen, als ob sie von einem Designer entworfen waren.
Das einzige womit ich ein Problem hatte, waren die schmerzvollen Schreie der Frauen in den Wehen, die man außerhalb der Station und dem Warteraum hören konnte. Die Schwestern und Doktoren taten sicher ihr Bestes die Frauen zu beruhigen, doch die Schreie hielten an. Sie hörten sich weniger nach Schmerz, als nach Schrecken an. Ich hatte gelernt, diese Geräusche zu ignorieren und mich auf das Ergebnis zu konzentrieren, bis ich eine Frau „Wieso hört ihr nicht auf? Bitte, lasst mich gehen!", schreien hörte. Das werde ich niemals vergessen.
Nach ein paar Monaten dort hatte ich den Mut zu fragen wo und wann die Leihmütter das Krankenhaus betreten und verlassen. Die Antwort war Schweigen und ernste Blicke. Am Ende zog mich meine Unterstützung beiseite und bat mich, keine Fragen mehr zu stellen und einfach meinen Job zu machen. Es gab nichts worüber man sich Sorgen machen müsste.
Die Schreie hallten weiter durch die Gänge des Hospitals. Trost fand ich auf der Station bei den Neugeborenen, doch die Schreie folgten mir durch das ganze Gebäude.
Mein erstes Jahr verlief ohne Zwischenfall und ich durfte nun alle Teile des Krankenhauses betreten, aber es gab keinen Grund, die Station und den Aufenthaltsraum zu verlassen.
Doch bald gewann meine Neugierde die Oberhand. Bald nach meinem Einjahresjubiläum, als ich durch die Gänge lief, hörte ich wieder das Schreien einer Leihmutter in den Wehen. Aber was mich erst richtig aufhorchen ließ war, dass ich hier die selbe Frau hörte, die vor einem Jahr gefleht hatte. Sie gebahr ihr zweites Baby in weniger als zwei Jahren und als professionelle Leihmutter müsste sie wissen wie ungesund das ist. Wieder hörte ich ihr Geschrei und ihre bitten, sie gehen zu lassen. Sie gehen lassen? Wurde sie gegen ihren Willen hier festgehalten?
Ich wartete noch weitere zwei Wochen bevor ich endlich den hinteren Teil des Krankenhauses erkundete. Ich hatte Nachtschicht. Es war kaum jemand da, sodass ich unbemerkt umherhuschen konnte.
Irgendwann befand ich mich in einem langen, ausgeschilderten Gang der zu verschiedenen Geburtsräumen und einem weiteren Aufenthaltsraum führte.
Plötzlich hörte ich den Schrei einer Frau. Ich hatte gelernt, diesen Schrei als Zeichen für starke Wehen zu erkennen. Das komische Geräusch kam von einer Tür auf der „Brutkästen" stand.
Da niemand in der Nähe war öffnete ich die Tür um zu schauen, ob sie ok war. Hätte ich das bloß nicht getan.
Als ich die Tür öffnete kam mir das Gefühl, mich zu übergeben. Ich werde es nie vergessen.
Im großen Raum hinter der Tür standen zwei dutzend Betten, auf jedem lag eine Frau, jede in einem anderen Schwangerschaftsstadium. Alle Frauen waren noch jung und aus verschiedenen Ländern, ihre Beine und Arme waren amputiert worden.
Schläuche, sich an die verstümmelten Körper schmiegend, waren das einzige, was sie noch am Leben hielt.
Eine blonde Frau, ihr Bauch war absolut riesig im Vergleich zu ihrem verstümmelten Körper, entdeckte mich gleich und bettelte um Hilfe.
„Bitte, bring uns hier raus!"
Ich bewegte mich nicht, sagte nichts, starrte sie nur an.
„Bitte", schrie sie, „Sie lassen uns nicht gehen. Sie hören nicht auf uns zu benutzen!"
Ich drehe mich um und schaue zur Tür.
Die Frau schrie mich an, Tränen in den Augen. „Wir können uns nicht bewegen. Wir können nicht flüchten, bitte, wir brauchen Hilfe!"
Meine Angst setze ein und ich stürmte aus dem Raum. Ich kehrte in die Station zurück und beobachte die Neugeborenen. Unschuldige kleine Wesen die dort lagen. Das kann doch nicht das Ergebnis eines solch schrecklichen Experiments sein, oder?
Meine Schicht war zu Ende und ich war so schnell wie möglich aus dem Krankenhaus. Als ich endlich in meiner eigenen Einfahrt stand, übergab ich mich im Gras daneben und wimmerte für die armen Frauen, die ich dort gelassen hatte.
In dieser Nacht schlief ich nicht mehr. Ich konnte ihre schmerzvollen Schreie und ihr Flehen für Freiheit hören.
Zwei Tage später kehrte ich in das Krankenhaus zurück und begann meine Schicht. Ich betrat die Station und meine Aufmerksamkeit zog sich sofort auf ein blondes Neugeborenes. Das gleiche blond, das die Frau hatte, die mich um Hilfe gebeten hat.
Ich wusste, was ich gesehen hatte, war wahr.
Ich sagte meinem Vorgesetzten ich würde nach Hause gehen weil es mir schlecht ging. Als ich zu Hause war rief ich die Polizei und erzählte ihnen was ich gesehen hatte.
Die Frauen wurden in ein Neues gebracht und meines wurde geschlossen. Ich konnte mich wieder entspannen und wartete darauf, dass die Story in den Nachrichten auftauchen würde. Aber sie kam nie. Keine Nachricht über die menschlichen Brutkästen die befreit wurden.
Überhaupt wurde die Ankunft der Frauen im neuen Hospital nicht dokumentiert...