"Ah, es ist echt herrlich hier im Kaiserwinkel", sagte Herr Freundlich als er auf der Terrasse des Restaurants stand und sich das Bergpanorama ansah. Tief sog er die Alpenluft in seine Lungen und begab sich dann gelassen vor sich hin grinsend zu seinem Tisch.
"Ach, sieh an, du bist Österreicher?", hörte er das Gespräch seiner Tischnachbarin, die einem hageren Kerl mit langen, zu einem Zopf gebundenen, braunen Haaren in die Augen sah, nachdem sich Herr Freundlich setzte.
"Na, nicht ganz", sagte dieser zu der kleinen Frau, die ihn aus ihren grünen Augen anstarrte, dann aber einen tiefen Zug aus ihrem Almdudlerglas nahm.
"Wie meinst du das? Nicht ganz?", fragte sie ihn, nachdem sie ihr Glas wieder abstellte.
"Nun, ich bin quasi Sekundärösterreicher. Also ich bin immer nur dann Österreicher, wenn ich einen Vorteil davon habe", sagte der Mann lachend. "Ansonsten bin ich eher Primärschwabe."
Die beiden lachten herzhaft. Herr Freundlichs Aufmerksamkeit aber fiel auf eine Falte im Tischtuch. Als er gerade mit der Hand diese Falte im rot-weiß karierten Tischtuch zu glätten versuchte, schaute er der Bedienung entgegen, die schon zu seinem Tisch kam. Das Dirndl sah mindestens genauso gut aus, wie die Bedienung selbst. Ihr schwarzes Haar wehte wie in einer Shampoowerbung und ein Lächeln war nicht nur auf ihren Lippen, sondern auch im Blick aus ihren rehbraunen Augen.
"Was darfs denn sein?", fragte sie mit einer erotischen Stimme, durch die der tirolerische Akzent klang.
"Almdudler bitte und dazu Speckknödel und zum Dessert Buchteln mit Weichselsosse", sagte Herr Freundlich prompt.
"Sehr wohl, kimmt glei", sagte die Bedienung während sie die Bestellung notierte. Dann drehte sie um und ging schnellen Schrittes Richtung Küche.
Als sie sowohl die Kräuterlimonade als auch die Speckknödel an den Tisch brachte und sich vornüberbeugte, um den Teller vorsichtig abzustellen, lunzte Herr Freundlich durch den Ausschnitt ihres Dirndls und es stieg ihm bei dem Anblick dieser Knödel eine leichte Röte ins Gesicht. Verlegen stammelte er ein "Dankeschön" und nahm sogleich einen großen Schluck der kühlen Limo um sein Gemüt etwas abzukühlen.
Mit Genuss aß er das Gericht, ließ sich die Sonne auf die Haut scheinen und seinen Blick über die Landschaft schweifen. Als auch das Dessert verdrückt war und die Bedienung die Rechnung brachte, fragte sie ihn, ob es denn geschmeckt hätte.
Herr Freundlich erwiderte darauf hin: "Es war zum schlampampen¹."
Der irritierte Blick der schönen Bedienung fiel ihm sofort auf, auch das zornige Blitzen in ihren Augen. Sie legte den Kopf schief und fragte unwirsch: "Haben Sie mich eben Schlampe genannt?!"
"Nein, nein, gar nicht!", versuchte Herr Freundlich die Wogen zu glätten und schob erklärend nach, "Ich sagte »schlampampen«. Das heißt so viel wie schlemmen oder genießen, wissen Sie?"
Die Bedienung dachte einen kurzen Moment darüber nach, ob sie ihm glauben sollte, besann sich dann aber auf ihre Tugenden als Gastgeberin und entschied sich, diesen Fauxpas wortlos zu übergehen. Sie schnappte sich das Geld, das Herr Freundlich mit einem gemurmelten "Stimmt so" auf den Teller legte, auf dem zugleich der Quittungsbeleg lag, drehte um und schritt wie ein pikiertes Model davon.
"So eine Zippelgusse²", dachte sich Herr Freundlich noch, stand auf und verließ das Lokal.
¹ schlampampen = schlemmen, genießen
² Zippelgusse = blöde Ziege