Der Raum der Waagschale

7 Monate 3 Wochen her - 7 Monate 3 Wochen her #6269
Der Raum der Waagschale wurde erstellt von Fizzy Lemon
Im Morgengrauen erwachte eine junge schwarzhaarige Frau mitten im Wald. Nur langsam kam sie zu sich und blickte durch den Nebel, der sich zwischen den Bäumen wand. Ihre Hand fühlte das feuchte Moos unter sich und sie spürte die Kälte des Morgens. Der Nebel, eine graublaue Suppe, durchfeuchtete langsam das dünne weiße Nachthemd, das sie als einziges trug. Sie fror und rappelte sich auf. Nebelwölkchen atmend, schaute sie sich fröstelnd um. Wo war sie? Und wie kam sie hierher? Was ist geschehen? Die Fragen wummerten durch ihren Kopf und langsam stieg Panik in ihr auf. Ihr Leib zitterte von der Kälte, die ihr in die Glieder biss und ihre Zähne begannen zu klappern. Sie versuchte sich zu orientieren, doch egal in welche Richtung sie auch blickte, überall war nichts weiter als Wald. Mehr um der Kälte entgegenzuwirken, als wirklich etwas sinnvolles zu tun, lief sie los. Barfuss stakste sie über den Waldboden. Kleine Äste, Steinchen und dergleichen mehr stachen in ihre blanken Fußsohlen und machten jeden Schritt zur Qual. Aber ihr blieb nichts anderes übrig. Sie blendete den Schmerz aus und lief.

Plötzlich kam sie an eine Lichtung. Eine mit Farnen bestandene Fläche, über der sich langsam der Nebel lichtete. Sonst nichts. Sie rief panisch „Hallo?“, aber wusste selber gut genug, dass sie sich das auch sparen konnte, denn hier war weit und breit niemand, der sie hätte hören können. Kurz dachte sie an die alte Frage, ob ein umfallender Baum ein Geräusch verursacht, wenn niemand da ist, der es hört. Genau so kam sie sich im Moment vor. Sie versuchte sich zu erinnern, ob sie diese Lichtung kannte. Versuchte Wegemarken zu finden, die ihr verrieten, wo sie ist. Aber alles war ihr fremd. Und der Wald seltsam still. Das fiel ihr jetzt erst, als sie an das Geräusch dachte, auf. Kein Vogelgezwitscher, keine Käuze, kein Knacken. Nicht einmal Windrauschen war zu hören. Alles war auf eine surreale Weise still.
Ohne weitere Gedanken lief sie auf die Lichtung, als plötzlich der Boden unter ihr nachgab. Sie fiel in die Tiefe und schlug mit einem dumpfen Knall auf. Schwärze umfing sie.

Als sie wieder aus der Ohnmacht, die sie umklammerte, erwachte, blinzelte sie im fahlen Licht um sich. Sie erkannte, dass sie durch einen Spalt im Waldboden brach, der wohl von Wurzeln, Moos und anderen Gewächsen zugewachsen war und sie das Glück hatte, genau auf diesen Spalt zu treten und durchzubrechen. Die Schmerzen in ihrer Schulter, ihren Rippen und ihrer Hüfte, hatte sie den Steinbrocken zu verdanken, auf denen sie aufschlug und dann das Bewusstsein verlor. Diese Trümmer waren wohl einst an der Decke dieses unterirdischen Raumes und wo die einmal waren, brach sie durch. Mühsam rappelte sie sich auf und schaute zu dem Spalt empor, durch den fahles Licht fiel und den kargen Raum etwas erhellte. Wie sollte sie hier je wieder herauskommen? Sie war wie ein Tier in der Falle. Hochklettern konnte sie nirgends. Die Wände waren zu hoch und zu glatt. Nichts, woran man Halt fand. Außer einer langen Wurzel, die sie gerade so zu fassen bekam. Als sie versuchte daran hochzuklettern, riss die Wurzel mit einem peitschenden Knall ab und sie landete unsanft auf ihrem Hintern. Wieder machte sich Panik in ihr breit, denn die kleinste Hoffnung, die noch in ihr war, zerbarst in diesem Augenblick wie eine fragile Glaskugel. Tränen standen ihr in den Augen und sie fragte sich nur noch „Warum?“. Ohne wirklich eine Antwort darauf zu erwarten. Sollte ihr Leben so enden? In einem maroden Verlies irgendwo im Wald, mit nichts weiter an, als einem mittlerweile völlig verdreckten und durchnässten Nachthemd, das aus Uromas Zeiten stammen könnte?

Nein! Dagegen wehrte sie sich mit allen Kräften. Neuer Mut durchfloss ihre Adern und sie begann, den Raum abzusuchen. Hinter den Trümmern erkannte sie einen Durchgang. Mit viel Mühe schaffte sie es, ein paar der Trümmerteile beiseite zu schieben und sich so eine Lücke zu schaffen, die groß genug ist, damit sie hindurchschlüpfen konnte. Der grobe Stein kratzte an ihrem Leib, als sie sich durch die enge Öffnung zwängte und endlich in einen weiteren Raum kam. Das spärliche Licht, das durch die Trümmerlücke fiel, gab gerade soviel preis, dass sie den Raum als Umkleide erkennen konnte. Offene, teils rostige Metallspinde standen an der Wand, davor verwitterte Holzbänke. Weiter nichts. Da erkannte sie in der dunkelsten Ecke des Raums ein rostiges Eisengeländer, neben dem eine Treppe hinabführte. Mit pochendem Herzen stellte sie sich auf die oberste Stufe und blickte hinab in die Dunkelheit, aus der sie undefinierbare Geräusche vernahm...

So, liebe Luni, nun darfst weiterschreiben. Bin gespannt auf Deine Fortsetzung.
Folgende Benutzer bedankten sich: Katharina34, Skintin

Bitte Anmelden um der Konversation beizutreten.

7 Monate 2 Wochen her #6276
Teilzeitmutti antwortete auf Der Raum der Waagschale
Da les ich und bin total gespannt wie es ausgeht... Und dann kommt "Fortsetzung folgt". 

Bitte Anmelden um der Konversation beizutreten.

7 Monate 2 Wochen her - 7 Monate 2 Wochen her #6279
Luni antwortete auf Der Raum der Waagschale
Vorsichtig legte sie ihre Hand auf das Eisengeländer und trat Schritt für Schritt die Treppe hinunter. Auf der letzten Stufe sah sie einen dunklen Gang vor sich. Gerade als sie ihn betreten wollte, nahm sie ein verrostetes, stark abgenutztes Schild wahr. Es hing über ihr von der Decke. "Vor Eintritt bitte umziehen!" konnte sie darauf noch entziffern. Sie sah an sich hinunter, betrachtete ihr Nachthemd und dachte sich nichts weiter dabei.
Durch den dunklen Gang stapfend, lief sie mit ausgestreckten Armen gefühlt eine halbe Ewigkeit. Kein Licht drang in ihre Umgebung und so nutzte sie ihre Arme um mögliche Hindernisse rechtzeitig zu erkennen und tastete sich im Dunkeln voran.
Von weitem sah sie irgendwann eine Lichtquelle vor sich. Ein schwach flackerndes Licht deutete auf eine kleine Tür am Ende des Ganges hin. Diese Tür war schmal und klein, gerade groß genug, dass sie gebückt durchgehen konnte.
Sie öffnete die Tür und trat in eine große Halle voller Menschen. Der Boden spiegelte glänzend einen Teil der Umgebung wider und sogar die Wände waren mit Glanz-Fliesen ausgestattet. Sie sah sich weiter um und konnte Menschen sehen, die auf Sitzbänken saßen und auf etwas warteten. Einige waren in Zeitschriften vertieft, andere unterhielten sich mit ihrem Gegenüber und wieder einige, schienen sichtlich ungeduldig zu sein.
Sie konnte in dieser großen Halle verschiedene Rezeptionen ausmachen, hinter denen Menschen hektisch das Aufkommen zu bearbeiteten schienen.
Langsam trat sie aus der Tür heraus, in der sie bis dahin immer noch halb stand und sah sich weiter um. Neben den Sitzbänken und den Rezeptionen, sah sie Litfaßsäulen aus denen im Sekundentakt noch mehr Menschen kamen. "Entschuldigung? Darf ich mal vorbei?!" vernahm sie eine fremde Stimme hinter sich. Als sie sich umdrehte sah sie, dass ein Mann gerade aus der Tür kam, aus der sie vor wenigen Sekunden auch kam. Es war ebenfalls eine Litfaßsäule. Gerade noch dachte sie: "Ich kam aus einer Litfaßsäule?....wo bin ich denn hier???", da streifte der fremde Mann auch schon an ihr vorbei in Richtung der nächstgelegenen Rezeption.

Fortsetzung folgt...
Folgende Benutzer bedankten sich: Fizzy Lemon, Teilzeitmutti, Katharina34, Skintin

Bitte Anmelden um der Konversation beizutreten.

7 Monate 2 Wochen her #6281
Fizzy Lemon antwortete auf Der Raum der Waagschale
Das Gewusel in dieser von Neonlicht erhellten Halle war wie in einem Ameisenhaufen. Das unverständliche Stimmenwirrwarr um sie herum war symptomatisch für die Situation, in der sie sich befand. Es war auffallend warm hier und die glänzenden Fliesen, die das kalte Licht reflektierten, ließen alles in einem unwirklichen Glanz erstrahlen. Sie spürte unter ihren nackten Füßen auch keine Kälte des Bodens. Auch von ihm strömte eine wohlige Wärme aus, als ob er beheizt wäre. Ständig liefen Leute an ihr vorbei und alle hatten eines gemeinsam: Ihr Gesicht war nicht zu erkennen. Als ob sie anonymisiert wurden. Man erkannte, wo das Gesicht sein sollte, aber der Rest waren diffuse Schleier. Sie sah an sich herunter, sah das alte Nachthemd, das völlig verdreckt und durch den Sturz und die Trümmerteile an ein paar Stellen eingerissen und dadurch löchrig war. Die Menschen – zumindest dachte sie, es seien Menschen – waren alle in Anzug oder Kostüm gekleidet. Viel zu fein, als dass sie mit diesem Fetzen am Leib hier her passen würde, jedoch schien niemand daran Anstoss zu finden. Ab und zu wurde sie an der Schulter ein bisschen zur Seite geschoben, damit wieder eine Person an ihr vorbeirennen konnte, aber weder sprach man mit ihr, noch schien man sie zu beachten.
Der schrillende Klang einer Sirene durchschnitt plötzlich den Raum. Die Schwarzhaarige zuckte zusammen und blickte sich angsterfüllt um, aber eine Panik oder dergleichen, was sie aufgrund dieses Alarms erwartet hatte, gab es nicht. Die Wartenden falteten ihre Zeitungen zusammen, standen von den Sitzbänken auf und gingen gemütlich in ein und dieselbe Richtung.
„Entschuldigen Sie“, sagte die Frau im Nachthemd zu einem der Vorbeieilenden, den sie am Arm packte und so stoppen wollte, „können Sie mir sagen, wo ich hier bin?“
Doch der Mann entwand sich ihrem Griff und eilte hektisch zu einer der Rezeptionen ohne sie auch nur eines Blickes zu würdigen. Das gleiche wiederholte sich noch ein paar Mal, egal ob es ein Mann oder eine Frau war. Plötzlich blitzte aus der Richtung, in die die vorhin Wartenden gemeinsam liefen, ein rotes Licht auf, das die gesamte Halle erfasste. Für ein paar Momente war alles still. Totenstill. Das rote Leuchten wurde wieder zu dem kalten Weiß der Neonlampen und die Kakophonie der Rezeptionen und der Menschen davor war wieder zu hören.
„Was ist das hier? Warum bin ich hier?“, fragte sie sich selbst und ließ sich auf einen freien Platz der Wartebänke fallen, senkte den Kopf in die Hände und begann vor Verzweiflung zu weinen.
„Kann ich Ihnen helfen?“, fragte eine männliche Stimme.
Sie schaute auf und erkannte einen dünnen Mann, der sie aus graugrünen Augen musterte. Er hatte ein Gesicht! Ihre braunen Augen leuchteten kurz auf. Das erste Mal seit ihrem Erwachen im Wald, nimmt jemand von ihr Notiz. Jemand, der ein Gesicht hat und der mit ihr spricht. Sie stand auf und reichte ihm die Hand.
„Sagen Sie mir bitte, wo ich hier bin? Was ist das für eine Halle und was hat das alles zu bedeuten?“, sagte sie schnell aber gefestigt zu ihm.
Doch der Mann lächelte nur und schaute sie an, ohne weiter etwas zu erwähnen oder zu tun. Er stand einfach nur da.


Fortsetzung folgt...
Folgende Benutzer bedankten sich: Skintin

Bitte Anmelden um der Konversation beizutreten.

7 Monate 1 Woche her #6297
Luni antwortete auf Der Raum der Waagschale
Nach einer gefühlten Ewigkeit des Anstarrens der beiden, packte der Mann ihre Hand und zog sie regelrecht von der Sitzbank zu sich hoch...immer noch mit einem Grinsen im Gesicht. "Folge mir", sagte der Fremde beruhigend und nahm sie mit durch die riesige Kachelhalle. Während sie sich an den ganzen Menschen vorbei hangelten, sagte er aufklärend zu ihr: "Ich bin ein Sucher, so nennt man Leute wie mich und deiner Mimik her zu urteilen, ist dir bereits aufgefallen das ich ein Gesicht habe. Ich suche die Menschen, die zum ersten Mal an diesen Ort kommen. Die neuen Auserwählten."
Die Schwarzhaarige verstand nicht wirklich was er da von sich gab, doch sie hörte ihm in Anbetracht ihrer Lage dennoch aufmerksam zu. "Ich erfülle meine Aufgabe und bringe dich zu den Urahnen in den Raum der Waagschale." fügte er hinzu.
Verwirrt und mitgeschleppt, lief sie weiter an seiner Hand durch die Kachelhalle, bis die Geräuschkulisse immer leiser wurde. Sie kamen an einem goldenen Metalltor an, welches die Halle von einem langen Gang abtrennte. Der Mann mit dem Gesicht nahm einen großen, eisernen Schlüssel aus seiner Tasche und öffnete damit das Tor. "Bitteschön." sagte er zuvorkommend und schwenkte seine rechte Hand mit einer Geste der Höflichkeit in Richtung des Ganges.

Lautlos stapfte die Schwarzhaarige mit barfüßigen Sohlen den Gang entlang. Man konnte ihre leicht schwitzigen Fußabdrücke auf den warmen Kacheln sehen, die jedoch gleich wieder verschwanden. Sie liefen den langen und gut beleuchteten Gang entlang, bis sie zu einem weiteren Tor kamen. Es war jedoch kein Tor wie das, durch das sie eben erst gekommen waren. Es war ein riesiges Tor, das zugleich auch eine Tür war. Undurchsichtig, massiv und ebenso goldverziert wie das vorherige Tor. Es wirkte ehrfürchtig und bedeutend. "Ab hier führt dein Weg dich alleine weiter." lächelte der Mann mit Gesicht. "Du betrittst nun den Raum der Waagschale. Keine Angst, du schaffst das." zwinkerte er ihr aufmunternd zu.

Fortsetzung folgt...
Folgende Benutzer bedankten sich: Fizzy Lemon, Skintin

Bitte Anmelden um der Konversation beizutreten.

5 Monate 1 Tag her - 4 Monate 3 Wochen her #6589
Fizzy Lemon antwortete auf Der Raum der Waagschale
»He, warten Sie!«, rief die Schwarzhaarige dem Sucher zu, als dieser sich abwendete und gehen wollte. »Warum bin ich eine Auserwählte? Und was ist das alles hier? Wer sind die Anderen?«
Der Sucher wiegte seinen Kopf und betrachtete die Frau, bevor er seine Hände verschränkte und sprach: »Ich bin nur ein Sucher. Ich fand Dich und brachte Dich hier her. Meine Aufgabe endet hier. Alles Weitere wirst Du jenseits dieser Tür erfahren – falls Du Dich traust über die Schwelle zu treten.«
»Aber… «, stammelte die schwarzhaarige Frau, »weißt Du überhaupt, wer Dich beauftragt hat? Warum ...«
»Was war und was sein wird – auch das wirst Du dort erfahren. Es ist nicht meine Aufgabe gewesen, Dir Deine Fragen zu beantworten. Ich sollte Dich finden und Dich im Gegensatz zu den Anderen hier her bringen. Die Anderen sind ruhelose Seelen auf dem Weg nach Überall und Nirgendwo. Keiner von denen hat das Anrecht den Raum der Waagschale zu betreten.«
»Ich begreife das alles nicht. Warum wachte ich im Wald auf und musste mich hierher ….«
Er unterbrach sie mit den Worten: »Verirren? Nein, Du hast Dich nicht verirrt. Im Grunde wurdest Du hierher geführt. Mach Dir keine Sorgen darüber, wenn Du es nicht begreifst. Es gibt so unendlich viel, was der Mensch mit seinem kleinen Geist gar nicht zu begreifen vermag. Es ist wie der zweidimensionale Mensch, der in einem zweidimensionalen Ring gefangen ist. Ein dreidimensionaler Mensch begreift, dass er sich die Höhe nutzen kann um über die Ringbarriere zu steigen. Ein leichtes für den, der diese Dimension kennt, aber eine Unmöglichkeit für den, der nicht in der Lage ist, dies zu begreifen. Dir ist ein Raum aus drei Dimensionen klar. Du begreifst es. Ebenso begreifst Du aber auch, dass Dimensionen nicht nur Länge, Breite und Höhe sind, sondern als vierte Dimension die Zeit dazu kommt.« 
Der Sucher machte eine gekonnt platzierte Kunstpause, ehe er weitersprach: »Aber wie viele Dimensionen mehr wärst Du in der Lage geistig zu erfassen?«
»Ähm, naja… was wäre die Zeit ohne die Geschwindigkeit?«, sagte die Frau mit Unsicherheit in der Stimme.
»Dann drehen wir uns im Kreis, denn was wäre die Geschwindigkeit ohne die Zeit?«
Sie erkannte, dass das Gespräch sie nun nicht mehr weiterbringen würde, aber bevor sie den Sucher verlor, fügte sie schnell noch eine andere Frage an: »Das rote Licht? Was hat es damit auf sich? Alle Gesichtslosen verfielen in Starre, als es anging. Und dann der große Knall?«
»Das Licht«, sagte er plötzlich mit gepresster Stimme, »hat nichts mit Dir zu tun und sollte Dich nicht weiter kümmern. Es sei denn, Du entscheidest Dich gegen den Eintritt in den Raum der Waagschale. Willst Du das?«
Plötzlich klang er drohend. Seine joviale Art war dahin. Er wirkte plötzlich kalt und hart. Seine Augen stachen ihr in die Seele und in ihr wuchs die Überzeugung, dass es wohl doch besser sei, diesen seltsamen Raum zu betreten. 
»Auf Wiedersehen«, sagte sie zu ihm und nickte ihm zu.
»Wir werden uns nicht wiedersehen. Weder in der einen, noch in der anderen Form. Ich sagte bereits: Meine Aufgabe endet hier. Und was sein wird, liegt nun bei Dir.«
Mit diesen Worten drehte er sich um und ging davon. Sie schaute ihm nach, bis seine Silhouette in den Schatten des Ganges verschwunden war und sie sich vollkommen alleine vor dieser riesigen Tür befand. Sie befühlte sie und wunderte sich über die Wärme, die von dem Material, dessen Beschaffenheit sie nicht benennen konnte, ausging. Ihr Herz begann wild zu pochen, als sie ihre Hände an das Tor legte und sich mit ihrem ganzen Körpergewicht dagegenstemmte.
Nur zögernd gab die schwere Tür nach….

Forstetzung folgt... vielleicht...
Folgende Benutzer bedankten sich: Luni, Skintin

Bitte Anmelden um der Konversation beizutreten.

3 Wochen 2 Tage her - 1 Tag 1 Stunde her #7174
Skintin antwortete auf Der Raum der Waagschale
Die Tür war groß und massiv, dabei schwer und kompakt, wie aus purem Gold, aber sie öffnete sich nach einer ersten
Kraftanstrengung leise und sacht, als hätte eine gegnerische Kraft zunächst überwunden werden müssen.
Vor ihr eröffnete sich der Blick auf einen riesigen Saal, dessen gegenüberliegende Seite nur schemenhaft zu erkennen war.
Sie trat einen großen Schritt über die Schwelle und stand nun auf einer Empore, von der aus sie den ganzen Saal überblicken konnte.
Sieben Stufen würden sie hinab in den komplett mit feuerrotem Samt ausgeschlagenen Raum führen.

Ein leises, schnurrendes Geräusch ließ sie herumfahren.

Dort, wo noch bei ihrem Eintritt eine mächtige Tür war, erblickte sie nun eine riesige weiße Statue vor einem schwarzen
unüberwindbaren Hintergrund.
Sie hatte solch eine Staue vorher noch nie gesehen und doch flüsterte eine innere Stimme: 'Harpokrates' 

Er hatte einen Finger auf seinen Mund gelegt, unwillkürlich machte sie es ihm nach und ihr war klar:
Sie hatte hier eine Aufgabe zu erfüllen, sonst würde sie nicht mehr zurückkönnen. 
Als sie die Treppen hinabschritt merkte sie,
dass sie jetzt zwar völlig nackt, aber vollkommen sauber war. Die Haare fühlten sich frisch gewaschen an und unter ihren Füßen
bewegte sich der rote Samt, als wäre er lebendig.
Sie trat in der Mitte des Saales zwischen vier im Quadrat aufgestellte goldene Leuchter. Auf ihnen flackerten rot-goldene Flammen
bis zur steinernen Gewölbedecke. 
Vor ihren Füßen lag ein grüner Akazienzweig. Sie nahm ihn auf und sah sich um.
Im Fackelschein erkannte sie, dass die Wände komplett mit goldenen lateinischen Worten verziert waren.
In den Ecken standen große Globen:
Ein Himmelsglobus, ein Erdenglobus und zwei Globen, bei denen sie nicht erkennen konnte, was sie darstellten.
Ein mit blutrotem Samt bezogener Thron im Osten war leer. Sie wusste instinktiv, dass er nicht für sie vorgesehen war.

Ihr Platz war hier, im Zentrum, inmitten der flammenden Säulen. 


Die Gedanken kamen von allen Seiten über sie.
Oder eher... Empfindungen, Wissen als Gewissheit, als Gefühle. 
Gleichzeitig.
Sie drangen durch allen Poren in sie ein. 
Das gesamte Wissen der Welt – Die komplette Erkenntnis dieser Welt!  

An den anderen Seiten des Raumes, die nicht von Harpokrates bewacht wurden, erkannte sie jetzt bogenförmige Eingänge,
die scheinbar ins Nichts, in die absolute Dunkelheit führten.
Über ihnen war jeweils ein anderes alchemistisches Symbol im Schlussstein eingemeißelt.
Davor standen Handlaternen, die aber noch nicht entzündet waren.

Sie wusste in ihrem Innersten was sich hinter den Eingängen verbarg.
Es waren aber lediglich Gefühle...keine Bilder, keine Denkvorgänge.
 
Sie entschloss sich dazu, Nein: Sie fühlte, welches Tor sie durchschreiten wollte.
Das Nord-östliche sollte es sein.
Kaum hatte sie diese Entscheidung...erkannt, merkte sie, dass der Akazienzweig in ihrer Hand zu einem silbernen Dolch geworden war.
Sie schritt ehrfurchtvoll zu dem Tor, nahm die Laterne auf und entzündete sie an der Nord-östlichen Flamme.
Ihr Innerstes war nun vollkommen erfüllt von Zuversicht, Wagemut und alles überlagernder Liebe.


Stolz aufgerichtet, mit durchgestrecktem Rücken und erhobenem Haupt, schritt sie auf das von ihr auserkorenes Tor zu…
Folgende Benutzer bedankten sich: Fizzy Lemon, Luni

Bitte Anmelden um der Konversation beizutreten.

2 Stunden 39 Minuten her #7261
Luni antwortete auf Der Raum der Waagschale
...Sie schritt zu ihrem auserwählten Tor und während sie darunter durchging, schaute sie noch einmal zu Harpokrates´ Abbild; In der einen Hand die Laterne, in der anderen den Silberdolch. 

Es erwartete sie ein schmaler, unbeleuchteter Gang, der sie in den ersten Schritten immernoch den weichen, roten Samt aus der majestätischen Halle spüren ließ. Doch je weiter sie fortschritt, desto mehr begann sich der Boden unter ihren Füßen zu ändern. 
Mit der Handlaterne zu ihren Knien leuchtend, sah sie, wie aus dem Samtteppich ein übergangsloser Erdboden wurde, ohne dass sie die Stelle ausmachen konnte, wo dies passierte. 
Sie hob die Laterne neben ihren Kopf, als sie den Duft von leichtem Wind vernahm, der einen Hauch von frisch zubereitetem Brot mitsich trug. Verwundert sah sie sich um und bemerkte, dass sie plötzlich bekleidet war. Eine beige Leinenhose schmiegte sich mit ihren Schritten an ihre Beine und ein dünnes, weißes Basthemd zierte ihren Oberkörper. Auch diesen Vorgang bekam sie nicht bewusst mit. Ebenso wie der Boden sich änderte, änderte sich nun auch ihre Erscheinung. Ihre Füße waren fortan in angenehmes Schuhwerk gebettet und ihren Kopf schmückte ein gut sitzendes Barett.

Sie hatte kaum Zeit sich weiter darüber zu wundern, da erhellte sich auch schon der Gang vor ihr und sie erkannte einige gelb-leuchtende Deckenlampen und einen Verkaufsraum mit einer ebenso beleuchteten Theke. Ihr letzter Schritt führte sie mit ihrem ganzen Dasein in diesen Raum und als sie sich zu dem Gang umsah, aus dem sie kam, war dieser weg. Auch die Handlaterne hatte sie nicht mehr in ihrer Hand. Lediglich der Dolch wurde noch von ihrer Handfläche umschmückt und so steckte sie ihn erstmal in den Bund ihrer Hose und ließ ihr Hemd darüber gleiten. 

Sie realisierte, dass sie sich in einer Bäckerei befand, doch die Verkäuferin hinter der Theke, sowie die Kunden davor, schienen in der Zeit eingefroren zu sein. Niemand bewegte sich, ja es sah sogar so aus, dass sie in ihren Bewegungen stoppten. Eine Dame, die unmittelbar vor der Theke stand und gerade ihre Bestellung bezahlen wollte, stoppte in genau dieser Bewegung. Ihre Hand eingefroren über der Kleingeldablage, die Münzen noch in der Luft und die Verkäuferin, die eine Backwarentüte noch nicht vollkommen abgelegt hatte. 
Hinter der Kundin stand noch ein Mann mittleren Alters, der vermutlich in diesem Moment einen Anruf bekam und sein Telefon gerade zu seinem Ohr führen wollte. Auch er, völlig eingefroren in der Zeit. 
Aber nicht nur Individuen waren gestoppt. Auch die Kaffeemaschine, an der ein Bauarbeiter sich gerade seinen Kaffee zum Mitnehmen nahm, blieb in der Zeit stehen. Es sah so aus, als fließe der Kaffee durch die Ausschankdüsen, doch der Becher wurde nicht voll und es gab keine, fließende Bewegung. 

Die Schwarzhaarige schaute sich zaghaft um und ihr war nicht geheuer was sie dort sah,...als sie ein leises Ticken hörte. 
Es tickte genau 10 Mal und kurz nach dem zehnten Ticken, löste sich der Zeitprozess und alles um sie herum lief weiter als wäre nichts passiert. Die Kunden führten ihre Bewegungen weiterhin aus, der Kaffee füllte den Becher des Bauarbeiters und niemand schien sich darüber zu wundern, dass es eine "Pause" gab. 

Sie stand nun ebenso als Kundin in dieser Bäckerei und niemand hatte bemerkt wie sie dorthin kam und woher sie kam. 

Als sie jedoch die Menschen um sich herum noch einmal begutachtete sah sie, dass über deren Köpfen plötzlich Daten zu sehen waren, die während des Zeitfrostes nicht da waren. Es waren semi-transparente Parameter in blauer Schrift. Auf Anhieb konnte sie bei dem Bauarbeiter einen Gesundheitsstatus erkennen. Parameter wie "Geburtstag, Alter, Krankheiten, Lebenserwartung", waren für sie auf einen Blick zugänglich zu erkennen. 

Mit dieser Sichtung konnte sie allerdings noch nicht viel anfangen, da sie ohne Kontext nun an diesem Ort erschien und sich für diesen Moment gewünscht hätte, man hätte ihr Informationen gegeben....denn schließlich kam sie nicht ohne Grund her.

Fortsetzung folgt...



 
Folgende Benutzer bedankten sich: Fizzy Lemon

Bitte Anmelden um der Konversation beizutreten.

Ladezeit der Seite: 0.236 Sekunden
Akzeptieren

Diese Website verwendet Cookies. Durch die Nutzung dieser Webseite erklären Sie sich damit einverstanden, dass Cookies gesetzt werden. Mehr erfahren