Die Walpurgisnacht stand bevor und Hexe Jen konnte es kaum erwarten. Einmal im Jahr zum Sabbat, das musste sein! Nie würde sie eine solche Sause verpassen. Jen kramte im Schrank ihr schönstes Kleid und den prächtigsten Hut heraus, den sie hatte, polierte ihren Hexenbesen und las noch mal im Hexengebräu-Rezeptbuch nach, was man an dem Abend so brauchen würde. Vor dem Spiegel zwängte sie sich in das Kleid, das irgendwie im letzten Jahr etwas eingelaufen sein musste, legte sich ordentlich Makeup auf und drapierte sich den Hut auf den Kopf. Noch schnell einen Hüftschwung, um zu testen, ob das Kleid auch hält, wenn sie zum wilden Hexentanz aufgefordert wird und nachdem dieser Test glückte, sprang sie vergnügt eine Melodie pfeifend auf den Besen und düste gen Blocksberg.
Die Nacht kam überraschend schnell herein und das Feuer loderte hell auf dem Brocken. Überall flogen die Hexen wie ein aufgescheuchter Vogelschwarm herum und Jen musste aufpassen in diesem Getümmel nicht mit einer anderen Hexe zu kollidieren. Zu ausgelassen war bereits die Stimmung. In einer Flugbahn, die eine perfekte Parallele zu der Flugbahn einer anderen Hexe darstellte, setzte sie zur Landung an. Lächelnd begrüßte sie dann die anderen Hexen, die teils barbusig ums Feuer tanzten und gönnte sich einen Drink aus Krötenschleim und Freundchenschweiß. Man hatte Spaß, erzählte sich dies und das, lachte über die eine oder andere Anekdote, die das Hexenleben so mit sich brachte und freute sich dem Dasein. Plötzlich gellte ein Schrei über den Festplatz: "Verraaaaaaaaaat!" Alle Augen drehten sich in die Richtung, wo plötzlich ein Tumult ganz anderer Art war. Dort griffen sich ein paar Hexen eine Frau, deren Aura rein gar nichts hexisches versprühte. "Schwestern, das ist keine von uns!", schrie eine der Hexen. Jen traute ihren Augen nicht. Die falsche Hexe kannte sie doch! War das nicht diese seltsame Frau aus ihrem Dorf Hintersalatblatthausen, die immer unter sich sein wollte und die sich mit niemandem so recht verstand? Die, die immer streitsüchtig war und gerne und oft hinterrücks Gerüchte streute? Jen schwieg lieber und beobachtete, was die anderen Hexen nun taten.
"Man hat unseren Sabbat entweiht!", schrie eine der Hexen. "Wir sollten diesen Frevel hart bestrafen! Wer keine von uns ist, hat hier nichts verloren."
Die Angeklagte schaute nur zu Boden und sagte nichts.
"Lasst sie uns zur Strafe in was Schreckliches verwandeln!", schrie eine andere Hexe.
"Nein, schrecklich genug ist sie ja schon.... mit dem Gesicht!", feixte wiederum eine Andere und die Hexen bogen sich vor Lachen.
"Ich habs, Schwestern. Wir verwandeln sie in ein Viech!", schlug eine der Hexen vor.
"Jaaaaaaaaaa!", tönte es aus vielen Kehlen.
Jen hielt sich da ganz raus, sagte aber auch nichts dagegen, sondern beobachtete nur das Treiben. Die Angeklagte wurde in die Mitte des Tanzplatzes geführt, wo man Gericht über sie halten wollte. Der Prozess war ausgesprochen kurz, stand die Schuld der Angeklagten doch unstrittig fest.
"So, wir Hexen verurteilen Dich dazu, als Haustier einem Menschen zu dienen. Vielleicht wird man Dich eines Tages von dieser Strafe freisprechen, aber das wird sich erst noch zeigen. Sei Deinem künftigen Herrn eine gute Gefährtin, dann ... vielleicht. Nimm nun dies als Strafe für Deinen Frevel an!!", sagte die Oberhexe und Funken und Blitze entfuhren ihren Fingerspitzen und umhüllten den Leib der Verdammten. Die schrumpfte zusammen und wurde langsam von einem scheckigen Fell überzogen. Kleiner und immer kleiner wurde sie und verwandelte sich vom Menschen zu einer Katze.
"Miau?", war alles, was von dem verwunschenen Wesen noch zu hören war, bevor die Hexen sie vom Blocksberg scheuchten.
Am nächsten Tag fand Oberschlauchführer Freundlich eine scheckige Katze in seinem Garten, die neben einer erbeutenen und halbgefressenen Maus schlief. "So ein nettes Kätzle...", sagte er verzückt. Da schlug das Tier die Augen auf, schaute den Oberschlauchführer an und sagte "Miau". Freundlich schloss sie sofort ins Herz und nahm sie mit in seine Wohnung. Nichtsahnend, wen oder was er sich da ins Haus holte.