Wieder am Höhleneingang angekommen, schauten die Gestrandeten in den tiefen Felseinschnitt, dessen Ende sich in Dunkelheit verlor. Taschenlampen hatten sie keine dabei und eine Fackel, die man sich aus einem Ast, etwas trockenem Reisig, einem Lumpen oder etwas dieser Art basteln hätte können, wollte man in Anbetracht eventueller entzündlicher Gase nicht verwenden. Grubengase sind gefährlich und eine Explosion in diesem engen Schacht wäre tödlich. Gefährlich war die Höhle ansich schon genug, denn die scharfen Kanten an den Wänden ritzten leicht die Haut auf und Ablagerungen auf ihnen könnten böse Infektionen auslösen. Der Gedanke daran ließ dem Trupp den Ernst ihrer Lage erkennen. Das nächste Krankenhaus ist unerreichbar fern und auf einen Arzt mussten sie auch verzichten. Dazu kam noch die Frage, ob die Höhle von einem großen Raubtier bewohnt wäre. Was, wenn da drin plötzlich ein Puma sich in seinem Mittagsschläfchen gestört fühlte?
"Ach hör auf, Fizzy.", sagte Freundchen, "Hast Du hier auf der Insel schon größere Raubtiere gesehen? Ich glaube nicht, dass es hier sowas gibt."
"Da könntest Du vielleicht recht haben, aber nur weil die Insel klein ist und wir noch keines dieser Viecher sahen, heißt das noch lange nicht, dass es keine gibt.", sagte Fizzy.
"Meint ihr wirklich, dass es gefährliche Tiere hier gibt?", fragte Little ängstlich.
"Pah, sollen nur kommen!", blaffte Hibi.
"Rumstehen und nichts tun", begann Remember, "bringt uns aber auch nicht weiter. Wie ich das sehe, müssen wir es einfach wagen. Lasst uns schauen, was in der Höhle ist."
"Mir ist nicht wohl bei dem Gedanken einfach da reinzuspazieren. Was, wenn es doch giftige Dämpfe gibt und wir einfach umfallen?", sinnierte Fizzy.
"Guter Einwand", meinte Freundchen, "Wir sollten uns aufteilen. Zwei gehen mit ein bisschen Abstand rein. Die Anderen warten draußen. In regelmäßgen Abständen sagen wir etwas. Das müsstet ihr hier draußen hören. Sagen wir nichts mehr, kommt ihr uns holen."
"Ja klar, ihr fallt tot um und wir sollen euch in die Falle nachrennen!", maulte Hibi und klopfte sich mit dem Zeigefinger gegen die Stirn.
"Sie hat nicht Unrecht, Freundchen", sagte Fizzy dann und grübelte über eine Lösung des Problems nach ohne jedoch zu einer Erkenntnis zu gelangen. "Es hilft nichts. Wir haben kaum Ausrüstung und keine Alternativen zur Verfügung. Ob wir die Höhle gebrauchen können, muss geklärt werden und deshalb gehe ich da jetzt rein. Wenn ich nicht mehr wiederkomme, geht ihr ins Lager zurück."
"Aber...", wollte Remember protestieren, doch Fizzy schnitt ihr mit einer Handbewegung das Wort ab.
"Kein Aber!", sagte Fizzy fest und ging vorsichtig in die Höhle hinein.
Indessen wurde am Strand der Unterstand fertig gestellt. Endlich nicht mehr in der brütetenden Sonne liegen. Auch der Sand kühlte im Schatten des Baldachins ab und es ließ sich bequemer darauf liegen. Die gesammelten Früchte hatte man auch im Schatten gelagert und saß nun im Kreis darunter, aß ein bisschen was und genoß die kühle Brise, die vom Meer her wehte. Als Guby aus dem Wasser stieg, lachten alle, was ihm aber mehr als peinlich war. Zornig winkte er ab und lief hinter einen großen Felsen, der am zerklüfteten Teil des Ufers stand. Hinter diesem suchte er Deckung vor dem Spott der Anderen, die das allerdings nicht böse meinten, sondern Guby nur liebevoll neckten. Da saß er und schmollte, bis seine Kleidung wieder trocken war. Erst dann, stand er auf, kam hinter dem Felsen vor und setzte sich zu den Anderen unter den Baldachin. Rainbow reichte ihm eine saftige Mango, die er nach einigen Anläufen mit den Fingernägeln von der Schale befreit hatte, biss herzhaft hinein und freundete sich mit dem Gedanken an, nun ein Teil der Truppe zu sein.
"Das Schiff", begann Guby kauend zu reden, "ist gar nicht so tief gesunken. Zum Glück ist da ein Riff und das Schiff sitzt auf. Ist nur ein paar Meter tief."
"Na Gott sei Dank!", rief Rainbow, "Dann kann man noch was aus dem Schiff bergen."
"Schon", sagte Guby, "Aber das Schiff ist nun verkehrt rum."
"Wie verkehrt rum?", wollte Punktal wissen.
"Na, beim Sinken drehte es sich und liegt nun kopfüber", sagte Guby achselzuckend.
"Dann braucht's gute Taucher...", murmelte Punktal.
Die Wände des Tunnels, durch den Fizzy gebückt ging, waren wirklich schroff und scharfkantig, so dass er immer vorsichtiger im schwindenen Licht vorantapste. Er hatte kein gutes Gefühl in diesem enger werdenden Schlauch, der sich in die Tiefe des Vulkans schlängelte. Nach einer kurzen Strecke, die der Tunnel wohl abfiel, änderte sich die Richtung und es ging merklich bergauf. Auch die Wände rückten zunehmend von Fizzy ab, so dass er aufrecht stehen konnte. Seltsamerweise wurde die Luft nicht stickiger. Ja, sogar ein leichter Luftzug war zu spüren und das ließ Fizzy vermuten, dass es irgendwo einen natürlichen Abzug gab. Diesbezüglich waren also die Sorgen um eine Belüftung dahin. Langsam gewöhnten sich seine Augen an die Dunkelheit und er erkannte immer mehr von seiner Umgebung. Wenn auch nur ausgesprochen diffus, aber deutlich genug um sich zu orientieren. Fizzy ging behände weiter und freute sich über ein paar kleine Lichtstrahlen, die ihn zu begrüßen schienen, als er am Ende des leichten Aufstiegs plötzlich in einer riesigen Kaverne stand. Ungläubig schaute er diesen Hohlraum im Gestein an und konnte nun auch die Quelle der Lichtstrahlen ausmachen, die durch einen Riss in der Höhlendecke kamen und den Raum mit einem sanften Licht füllten. Keine Spur von wilden Tieren, keine giftigen Dämpfe, keine abgestandene Luft. Nicht einmal Fledermäuse sah er und Kot von Flugtieren, der in seiner Masse gefährlich für die Gesundheit sein kann. Alles in allem erschien ihm diese Höhle sicher zu sein und als befestigter Unterschlupf geeignet. Den Riss könnte man mit etwas verschließen oder von außen abdecken um eindringendes Wasser zu verhindern. Begierig, diese Erkenntnis mit den Anderen zu teilen, kehrte Fizzy um und verließ die Höhle. Am Ausgang angekommen, wurde er schon neugierig erwartet.
"Und?", fragten alle wie aus einem Mund.
"Die Höhle scheint sicher und gefahrlos zu sein. Kommt, das müsst ihr euch anschauen", sagte Fizzy und winkte Remember, Little Angel, Hibi und Freundchen in den Tunnel.
Als der Trupp in der Kaverne angelangt war, staunten sie, wie Fizzy auch, beim ersten Anblick.
"Boah!", sagte Freundchen.
"Wir können eine Tür oder sowas bauen und damit den Eingang verschließen. Wir müssen nur an Luftlöcher denken, dann kann die Luft weiter zirkulieren. Und wenn wir den Riss von außen finden, können wir den mit irgendwas deckeln", sagte Fizzy, der wieder ganz in seiner Rolle als Anführer aufging.
"Hört ihr das?", fragte Remember.
Alle schauten zu ihr und hörten angestrengt.
"Ja, da tropft doch was...", sagte Hibi.
"Stimmt", rief Little.
In der Tat kam von der hinteren Wand der Höhle ein tropfendes Geräusch und Fizzy ging zusammen mit Remember in diese Richtung. Die Höhle schien dort nicht zu enden, sondern in einem weiteren sehr schmalen Schlauch weiterzuführen. Von diesem kleinen Spalt in der Wand ertönte das Tropfgeräusch. Fizzy versuchte etwas durch den Spalt zu erkennen, aber es war zu dunkel dazu und zumindest dahinter war wohl keine Lichtquelle zu erkennen.
"Können wir da durch?", fragte Remember.
"Naja, schlank genug wären wir beide", fing Fizzy an und Remember knuffte ihn, weil sie dachte, er würde auf ihr Gewicht anspielen, was er nun wirklich nicht tat, denn das war richtig so, wie es war. "Aber schlicht zu dunkel. Ohne eine Funzel würde ich mich nicht da durch zwängen. Aber das tropfen könnte eine Quelle sein oder sowas. Hoffentlich. Na, das werden wir noch rausfinden, aber nicht jetzt."
"Wie du meinst", sagte Remember.
"Lasst uns zum Strand gehen", sagte Fizzy als er und Remember bei den Anderen waren. "Wir berichten ihnen was wir entdeckt haben, suchen uns dann alles Nötige und kommen morgen wieder."
"Und richten uns hier ein", sagte Freundchen.
Das war also ein schnell besprochener Plan. Der Trupp verließ die Höhle und machte sich in der langsam hereinbrechenden Dämmerung auf den Weg zurück zum Strand.
Fortsetzung folgt...