4′33″ (englisch four minutes, thirty-three seconds oder four thirty-three, deutsch: „Vier Minuten dreiunddreißig...
4′33″ (englisch four minutes, thirty-three seconds oder four thirty-three, deutsch: „Vier Minuten dreiunddreißig [Sekunden]“) ist ein 1952 entstandenes „stilles“ Musikstück in drei Sätzen des amerikanischen Avantgarde-Komponisten John Cage. Da während der gesamten Spieldauer der Komposition kein einziger Ton gespielt wird, stellt ihre Aufführung die gängige Auffassung von Musik in Frage. 4′33″ wurde so zu einem Schlüsselwerk der Neuen Musik und regt dabei Zuhörer wie Komponisten und Interpreten gleichermaßen zum Nachdenken über Musik und Stille an.
Entstehung
In den Jahren 1947 bis 1948 konzipiert, als Cage noch an seinen Sonatas and Interludes arbeitete, wurde 4′33″ zum Inbegriff seiner Idee, dass grundsätzlich „alle Klänge zu Musik werden können“. Weiter dürfte die Beschäftigung mit dem japanischen Zen-Buddhismus, den der Komponist seit den späten 1940er Jahren studierte, einen wesentlichen Einfluss auf die Entstehung seines „stillen“ Stücks gehabt haben. In einem Interview von 1982 sowie bei diversen anderen Gelegenheiten erklärt Cage jedenfalls, dass 4′33″ seiner Meinung nach sein wichtigstes Werk überhaupt sei. Der Aspekt der „Stille“ spielte aber auch schon vor der Komposition von 4′33″ eine wesentliche Rolle in verschiedenen Werken Cages: Das Duet for Two Flutes (1934), komponiert mit 22 Jahren, beginnt mit Stille, zudem war Stille auch ein wichtiges formbildendes Element in einigen seiner Sonatas and Interludes (1946–48) sowie in Music of Changes (1951) und Two Pastorales (1951). Das Concerto for prepared piano and orchestra (1951) endet mit Stille und Waiting (1952), ein Klavierstück, das nur wenige Monate vor 4′33″ komponiert wurde, besteht aus einem einzigen, kurzen Ostinato-Pattern, welches von Stille umrahmt wird. Darüber hinaus weist Cage in seinen Liedern The Wonderful Widow of Eighteen Springs (1942) und A Flower (1950) den Pianisten an, mit geschlossenem Instrument zu spielen, was gleichzeitig als Metapher für Stille verstanden werden kann.
Die Idee, ein komplett stilles Stück zu komponieren, erwähnt Cage erstmals 1947 im Rahmen einer Vorlesung am Vassar College (New York). Dabei erzählt er seinem Publikum:
“I have… several new desires (two may seem absurd, but I am serious about them): first, to compose a piece of uninterrupted silence and sell it to the Muzak Co. It will be 3 or 4 1/2 minutes long – these being the standard lengths of ‘canned’ music, and its title will be ‘Silent Prayer’. It will open with a single idea which I will attempt to make as seductive as the color and shape or fragrance of a flower. The ending will approach imperceptibly.”
Zum damaligen Zeitpunkt war Cage jedoch der Meinung, dass ein derartiges Stück im „Westlichen Kontext unverständlich“ wäre und so wollte er mit der kompositorischen Umsetzung noch etwas abwarten. Nachträglich erklärte er:
“I didn’t wish it to appear, even to me, as something easy to do or as a joke. I wanted to mean it utterly and be able to live with it.”
Im Jahr 1951 besuchte Cage den schalltoten Raum der Harvard University in Boston. Dieser war so konstruiert, dass die Wände, die Decke und der Boden quasi alle Geräusche absorbieren und dabei nichts als Echo zurückwerfen; dazu sind solche Räume nach außen hin fast vollkommen schalldicht. Cage betrat den Raum und erwartete, rein gar nichts zu hören – später schrieb er: „Ich hörte zwei Klänge, einen hohen und einen tiefen. Als ich sie dem zuständigen Techniker beschrieb, erklärte er mir, der hohe entstehe durch die Arbeit meines Nervensystems und der tiefe durch meinen Blutkreislauf.“ Ob diese Erklärung den Tatsachen entspricht oder nicht, sei dahingestellt – jedenfalls begab sich Cage an einen Ort, wo er totale Stille erwartete, und hörte trotzdem Klänge. 1957 sagt er:
“There is no such thing as an empty space or an empty time. There is always something to see, something to hear. In fact, try as we may to make a silence, we cannot… Until I die there will be sounds. And they will continue following my death. One need not fear about the future of music.”
Ein weiterer Impuls für die Komposition von 4′33″ kam aus der Bildenden Kunst. Cages Freund Robert Rauschenberg stellte 1951 eine Serie von weißen Bildern (White Paintings) her, scheinbar „leere“ Leinwände (obwohl mit weißer Farbe bestrichen), die sich aufgrund wechselnder Lichtverhältnisse jedoch verändern. Dieses Phänomen war für John Cage eine wichtige Inspirationsquelle, wie er später immer wieder ausführte:
“Actually what pushed me into it was not guts but the example of Robert Rauschenberg. His white paintings […] when I saw those, I said, 'Oh yes, I must. Otherwise I'm lagging, otherwise music is lagging'.”
Weiter schreibt er, diesmal jedoch in Versform und unterzeichnet mit seinen Initialen:
“To Whom It May Concern:
The white paintings came
first; my silent piece
came later.
J.C.”
„Wer glaubt, dass es ihn etwas angehe, der soll es wissen:
Die weissen Bilder waren
zuerst; mein stilles Stück
kam später.
J.C.“
Laut Hans-Friedrich Bormann werde mit dieser Erklärung die Frage nach der chronologischen Ordnung in einer Weise explizit gemacht, die zugleich eine deutliche, doppelte Distanz zum Ausdruck bringe. Letztlich haben jedoch verschiedenste Einflüsse, Bekanntschaften und Zufälle dazu geführt, dass aus seinem ursprünglichem Konzept von Silent Prayer tatsächlich eine Partitur wurde und Cage im Jahr 1952 schließlich sein „stilles Stück“ 4′33″ komponierte.
Quelle : Wikipedia
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