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Klavierkonzert No.1

Das 1. Klavierkonzert op. 23 in b-Moll von Pjotr Iljitsch Tschaikowski entstand 1874 und wurde 1875 in Boston mit...
Das 1. Klavierkonzert op. 23 in b-Moll von Pjotr Iljitsch Tschaikowski entstand 1874 und wurde 1875 in Boston mit Hans von Bülow am Klavier uraufgeführt, dem das Konzert auch gewidmet ist.

Hintergrund

Ursprünglich wollte Tschaikowski das Klavierkonzert seinem Freund und Mentor Nikolai Rubinstein widmen, dem er viel zu verdanken hatte, hatte dieser ihm doch nicht nur eine musikalische Ausbildung ermöglicht, sondern dem mittellosen Tschaikowski auch ein paar Jahre kostenlos Logis und Verpflegung geboten. Doch als er es Rubinstein am Klavier vorspielte, äußerte dieser lediglich maßlose Kritik und Verachtung, hielt das Werk für unrettbar, riet Tschaikowski aber schließlich, es gründlich umzuarbeiten. Rubinsteins Reaktion ging Tschaikowski so sehr zu Herzen, dass er sich noch Jahre später in einem Brief an seine Gönnerin Nadeschda von Meck (1831–1894) mit Entsetzen an diese Szene erinnerte:

„Ich spielte den ersten Satz. Nicht ein Wort, nicht eine Bemerkung … Ich fand die Kraft, das Konzert ganz durchzuspielen. Weiterhin Schweigen. ,Nun?‘ fragte ich, als ich mich vom Klavier erhob. Da ergoss sich ein Strom von Worten aus Rubinsteins Mund. Sanft zunächst, wie wenn er Kraft sammeln wollte, und schließlich ausbrechend mit der Gewalt des Jupiter Tonans. Mein Konzert sei wertlos, völlig unspielbar. Die Passagen seien so bruchstückhaft, unzusammenhängend und armselig komponiert, dass es nicht einmal mit Verbesserungen getan sei. Die Komposition selbst sei schlecht, trivial, vulgär. Hier und da hätte ich von anderen stibitzt. Ein oder zwei Seiten vielleicht seien wert, gerettet zu werden; das Übrige müsse vernichtet oder völlig neu komponiert werden.“

Tschaikowski änderte an dem Konzert nicht eine Note, sondern schickte es dem Pianisten und Dirigenten Hans von Bülow mit der Bitte zu, sich ein Urteil zu bilden. Dieser hatte an dem Konzert nichts auszusetzen und antwortete dem Komponisten: „Ich bin stolz auf die Ehre, die Sie mir mit der Widmung dieses herrlichen Kunstwerkes erwiesen haben, das hinreißend in jeder Hinsicht ist.“ Anschließend ließ er es vom Orchester einstudieren und saß bei der Uraufführung 1875 in Boston persönlich am Klavier. Zu wahrem Erfolg verhalf ihm dann doch noch Rubinstein, der seine Meinung zu dem Werk geändert hatte und 1878 eine legendäre Aufführung in Paris gab. Von dort trat das Werk einen regelrechten Siegeszug an; es wurde zu dem am häufigsten eingespielten Klavierkonzert überhaupt und wird darin bis heute von keinem anderen Konzert übertroffen.

Es sind drei Fassungen des Konzertes aus der Hand Tschaikowskis überliefert von der er je noch eine Fassung für zwei Klaviere herstellte.

1874–75: Komposition der ersten Fassung, November 1874 bis 21. Februar 1875 in Kamenka.
1874, 25. Oktober: Uraufführung in der Boston Music Hall durch Hans von Bülow (Klavier) und Benjamin Johnson Lang (Dirigent).
1875: Fassung für zwei Klaviere. Druck der Orchesterstimmen und der Fassung für zwei Klaviere bei P. Jürgenson in Moskau.
1876–79: Komposition der zweiten Fassung. Die Änderungen betreffen den Klavierpart des ersten Satzes nach Hinweisen von Edward Dannreuther, Hans von Bülow und Karl Klindworth.
1879, August: Erstdruck der Partitur, Druck der Stimmen und des Solo-Parts der zweiten Fassung.
1880: Druck der zweiten Fassung für zwei Klaviere bei D. Rahter in Hamburg.
1884, 29. November: Uraufführung der zweiten Fassung in der Russischen Musik-Gesellschaft St. Petersburg durch Natalia Kalinowskaja-Tschikachewa (Klavier) und Nikolai Rimski-Korsakow (Dirigent).
1888: Komposition der heute meist verwendeten dritten Fassung. Die Änderungen bestehen in der Kürzung des dritten Satzes um zehn Takte.
1888, 20. Januar: Uraufführung der dritten Fassung in der Philharmonischen Gesellschaft Hamburg durch Wassili Lwowitsch Sapelnikow (Klavier) und Pjotr Tschaikowski (Dirigent).
1890 oder später: Erstdruck der dritten Fassung bei P. Jürgenson in Moskau. Die Tempoänderungen im ersten und zweiten Satz sind möglicherweise nicht von Tschaikowski autorisiert.
1955: Erstdruck der ersten Fassung als Bd. 28 der ersten Tschaikowski-Gesamtausgabe.

Das Werk

Welch großer Beliebtheit sich das Konzert nicht nur unter Liebhabern der sog. klassischen Musik erfreut, zeigt auch die Tatsache, dass seine Einspielung durch den Pianisten Van Cliburn als Schallplatte Ende 1961 mehr als eine Million Mal verkauft wurde, ein bis dahin von keinem anderen klassischen Werk erreichter Rekord. Die Begeisterung für das Werk dürfte maßgeblich durch das Eingangsthema des ersten Satzes geprägt sein, das vom Klavier mit wuchtigen, über alle 7½ Oktaven reichenden Akkorden begleitet wird. Bemerkenswert ist auch, dass jene Akkorde in vielen Ausgaben eigentlich arpeggiert bzw. gebrochen notiert sind, welche Vorgabe dennoch standardmäßig missachtet wird.

Die Satzbezeichnungen des Konzerts lauten:

Allegro non troppo e molto maestoso
Andantino semplice
Allegro con fuoco

Der Kopfsatz

Der Kopfsatz des Konzerts weicht von der in der Wiener Klassik geprägten Form des Sonatenhauptsatzes ab. Er beginnt in Des-Dur, der Paralleltonart zu b-Moll, mit einer weit ausladenden pathetischen Einleitung, die fast schon als eigenes Thema gelten kann und anfänglich den Eindruck erweckt, hier handele es sich um ein Konzert in Des-Dur. Dieses Anfangsthema wird im späteren Verlauf und auch in den anderen Sätzen des Konzerts zwar nicht wörtlich wieder aufgegriffen, hat aber sein aus dem gleichen Geist geborenes, triumphales Gegenstück in der Coda des dritten Satzes, wodurch ein zwingender dramaturgischer Bezug und ein großer inhaltlicher Bogen von Anfang bis Ende des Werkes entsteht.

Geprägt ist diese Einleitung (Anfangsteil) durch eine vom Orchester intonierte Melodie, die vom Klavier mit wuchtigen, sich über die 7½ Oktaven der Klaviatur erstreckenden Akkorden begleitet wird. Bereits in diesem Teil gibt es eine dem Charakter einer Kadenz ähnelnde Passage (Takt 40), in welcher das Klavier einen solistischen Part hat.

Der Einleitung folgen nacheinander die zwei kopfsatztypischen Themen: Das dynamische Thema in b-Moll (Takt 108) ist unisono in rechter wie linker Hand gehalten, beginnt triolisch (dieses Thema ist ein russisches Volkslied) und erfährt eine erste Durchführung durch Auflösung der Triolen in Sechzehntel-Bewegungen (Takt 160) noch vor Einsatz des zweiten, lyrischen Themas (Takt 184). Dieses wiederum ist verwoben mit einem dritten Thema (Takt 205), das eigentlich eher als ein Themenbruchstück beginnt, in der Durchführung aber gleichwertig neben den zwei Hauptthemen behandelt wird. Die Reprise kommt etwas überraschend im Wiederaufgreifen des dynamischen, zu Sechzehntel-Noten aufgelösten ersten Themas (Takt 445). Die solistische Kadenz (Takt 539) hat das dritte und schließlich das zweite Thema zum Schwerpunkt und führt in die Schluss-Sequenz, in welcher Klavier und Orchester den Satz mit dem dritten Thema ausklingen lassen. Der Kopfsatz endet in der Tonart B-Dur.
Der 2. Satz

Der zweite Satz in Des-Dur beginnt mit einer solistischen Melodie in der Querflöte, die vom Klavier aufgegriffen wird. In scharfem Kontrast zu diesem lyrischen Thema steht in der Mitte des 2. Satzes ein schneller Abschnitt über die französische Chansonette „Il faut s’amuser, danser et rire“ (Man muss sich vergnügen, tanzen und lachen). Dieses Lied im Satzmittelpunkt bildet gleichsam die Spiegelachse einer Symmetrie, denn am Ende wird das Eingangsthema wieder aufgegriffen und von Klavier und Oboe zu Ende geführt.
Der 3.Satz
Der dritte Satz ist in Form eines Rondos angelegt, seine Themen haben ihren Ursprung in ukrainischen Volkstänzen. Das erste Thema kehrt im Wechselspiel zwischen Klavier und Orchester immer wieder. Dazwischenliegende Passagen aus Läufen und akkordischen Sprüngen verlangen dem Solisten einiges an Können ab und verleihen dem Schlusssatz seine Brillanz. Der Pianist Alexander Siloti, ein Cousin Sergei Rachmaninows, hat aufgrund der übermäßigen Länge des Satzes eine Bearbeitung in Form einer drastischen Kürzung einer Passage vorgenommen. Noch heute wird das Konzert meist in dieser verkürzten Version aufgeführt.
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Wolfgang Amadeus Mozart

Wolfgang Amadeus Mozart, mit vollständigem Taufnamen: Joannes Chrysostomus Wolfgangus Theophilus Mozart (* 27....
Wolfgang Amadeus Mozart, mit vollständigem Taufnamen: Joannes Chrysostomus Wolfgangus Theophilus Mozart (* 27. Jänner 1756 in Salzburg,[1] Fürsterzbistum Salzburg, HRR; † 5. Dezember 1791 in Wien,[2] Erzherzogtum Österreich, HRR), war ein Salzburger[3] Musiker und Komponist der Wiener Klassik. Sein umfangreiches Werk genießt weltweite Popularität und gehört zum Bedeutendsten im Repertoire klassischer Musik. Er selbst nannte sich meist Wolfgang Amadé Mozart.
Das Wunderkind (1756–1766)

Wolfgang Amadeus Mozart kam am 27. Jänner 1756 um acht Uhr abends in Salzburg in der Getreidegasse 9 in einer Dreizimmerwohnung eines Mehrfamilienhauses (Hagenauerhaus) auf die Welt und wurde am nächsten Vormittag um zehn Uhr im Salzburger Dom von Stadtkaplan Leopold Lamprecht auf die Namen Joannes Chrysostomus Wolfgangus Theophilus getauft (an anderer Stelle steht er anders, nämlich Joannes Chrisostomus Wolfgang Gottlieb, geschrieben[4]). Er wurde Wolferl, Wolfgang, oder auch Woferl gerufen.[5] Das Wolferl war das siebte Kind seiner Eltern, aber erst das zweite, das überlebte. Seine Geschwister hießen Johannes Leopold Joachim (* 1748, starb im sechsten Lebensmonat), Maria Anna Cordula (* 1749, wurde sechs Tage alt), Maria Anna Nepomucena Walburga (* 1750, starb im dritten Lebensmonat), Maria Anna Walburga Ignatia – das Nannerl (* 1751, wurde 78 Jahre alt), Johann Bap. Karl Amadeus (* 1752, wurde nicht ganz drei Monate alt) und Maria Crescentia Franziska de Paula (* 1754, starb im zweiten Lebensmonat). Sein Vater war der aus Augsburg zum Studium[6] an der Benediktineruniversität (1622–1810)[7] nach Salzburg gezogene, fürstbischöfliche Kammermusikus (ab 1757 Hofkomponist und ab 1763 Vizekapellmeister) Leopold Mozart, seine Mutter die in Sankt Gilgen aufgewachsene Anna Maria Pertl.
W. A. Mozart in Hofkleidung auf einem Ölgemälde von 1763. Vater Mozart in einem Brief am 19. Oktober 1762: „Wollen Sie wissen wie des Woferl Kleid aussieht? – Es ist solches vom feinsten Tuch liloa=Farb … Es war für den Prinz Maximilian gemacht ...“[5]

Bereits im Alter von vier Jahren erhielten er und seine fünf Jahre ältere Schwester Maria Anna Mozart, das Nannerl genannt, vom Vater den ersten Musik- und allgemeinbildenden Unterricht in Klavier, Violine (→ Mozarts Kindergeige)[8] und Komposition. Schon 1761 zeichnete Vater Leopold ein Andante und ein Allegro als des „Wolfgangerl Compositiones“ auf, denen ein Allegro und ein Menuetto folgten, datiert auf den 11. bzw. 16. Dezember 1761. Das fälschlicherweise immer wieder als früheste Komposition genannte Menuett G-Dur mit einem Menuett C-Dur als Trio KV 1 entstand vermutlich erst 1764. Auch Mozarts Begabung im Klavier- und Violinspiel trat schnell hervor. 1762 folgten seine ersten Auftritte.

Erste Konzertreisen Wolfgangs und seiner Schwester Nannerl mit den Eltern wurden Anfang 1762 nach München und Herbst 1762 von Passau nach Wien arrangiert, um dem Adel die talentierten Kinder zu präsentieren. Nach dem Erfolg der Wunderkind-Geschwister in München und Wien startete die Familie am 9. Juni 1763 zu einer ausgedehnten Tournee durch die deutschen Lande und Westeuropa, die bis zur Rückkehr nach Salzburg am 29. November 1766 dreieinhalb Jahre dauerte. Stationen waren München, Augsburg, Ludwigsburg, Schwetzingen, Heidelberg, Mainz, Frankfurt am Main, Koblenz, Köln, Aachen, Brüssel, Paris (Ankunft am 18. November 1763), Versailles, London (Ankunft am 23. April 1764), Dover, Belgien, Den Haag (September 1765), Amsterdam, Utrecht, Mechelen, erneut Paris (Ankunft 10. Mai 1766), Dijon, Lyon, Genf, Lausanne, Bern, Zürich, Donaueschingen, Ulm und München, wo die Kinder bei Hofe oder in öffentlichen Akademien musizierten. Während dieser Reisen entstanden die ersten Sonaten für Klavier und Violine sowie die erste Sinfonie Es-Dur (KV 16). Die vier Sonaten für Klavier und Violine KV 6 bis 9 sind 1764 die ersten gedruckten Kompositionen Mozarts.

Im Laufe dieser Reise wurde Mozart in London mit der italienischen Symphonie und Oper vertraut gemacht. Dort lernte er zudem Johann Christian Bach kennen, der sein erstes Vorbild wurde. 1778 schrieb Mozart aus Paris nach dem dortigen Wiedersehen nach Hause: „ich liebe ihn (wie sie wohl wissen) von ganzem herzen – und habe hochachtung vor ihm.“
Erste Kompositionen in Wien und die Italienreise (1766–1771)

Nach der Rückkehr folgten erste Uraufführungen in Salzburg, darunter auch die Schuloper Die Schuldigkeit des ersten Gebots, die der elfjährige Mozart zusammen mit den wesentlich älteren Salzburger Hofmusikern Anton Cajetan Adlgasser und Michael Haydn komponiert hatte. Im September folgte eine zweite Reise mit der Familie nach Wien. Um der grassierenden Pockenepidemie zu entgehen, fuhren sie nach Brünn und Olmütz.[9] Die Krankheit erreichte aber Wolfgang und seine Schwester auch dort und hinterließ (laut mehreren Biografien) Narben in Wolfgangs Gesicht. Nach der Genesung der Kinder kehrte Mozart am 10. Jänner 1768 nach Wien zurück, wo er das Singspiel Bastien und Bastienne (KV 50), die Waisenhausmesse (KV 139) sowie die Opera buffa La finta semplice (KV 51) fertigstellte. Obwohl vom deutschen Kaiser Franz I. bestellt, konnte die letztere nicht aufgeführt werden; Grund waren Intrigen der sogenannten „italienischen Partei“ um den Hofintendanten Giuseppe Affligio.

Zwischen 1767 und 1769 hielt sich Mozart wiederholt im Benediktinerkloster Seeon auf. Noch 1771 wurden von ihm dort Offertorien aufgeführt. Mozart schrieb speziell für das Kloster Seeon zwei Offertorien: Scande coeli limina (KV 34; 1769) und Inter natos mulierum (KV 72; 1771). Die sogenannte „Mozarteiche“, unter der er der Überlieferung nach gerne gesessen haben soll, wächst bis heute am Seeoner See.

Nach 15 Monaten in Wien kehrte Mozart mit seiner Familie am 5. Jänner 1769 nach Salzburg zurück. Hier wurde La finta semplice am 1. Mai endlich aufgeführt, und hier erlebte er am 27. Oktober mit der Berufung zum Dritten Konzertmeister der Salzburger Hofkapelle die erste, wenn auch unbesoldete Anstellung.

Knapp drei Wochen später, am 13. Dezember 1769, brach Mozart mit seinem Vater zu seiner ersten von drei außerordentlich erfolgreichen Italienreisen auf, die – mit Unterbrechungen von März bis August 1771 und Dezember 1771 bis Oktober 1772 – fast dreieinhalb Jahre dauerte.

Die erste Reise führte sie nach Verona, Mailand, Bologna, Florenz, Rom, Neapel, Turin, Venedig, Padua, Vicenza, Verona, Innsbruck und zurück nach Salzburg. Hier erholte sich Mozart bis zum Herbst, um danach zu einem längeren (dritten) Aufenthalt in Mailand zu starten. Von Papst Clemens XIV. wurde er 1770 in Rom zum Ritter vom Goldenen Sporn ernannt, doch machte er im Gegensatz zu Gluck von dem Privileg, sich „Ritter“ zu nennen, nie Gebrauch. In Rom gelang ihm, nachdem er nur ein- oder zweimal dem neunstimmigen Miserere von Gregorio Allegri zugehört hatte, das Grundgerüst dieser vom Vatikan streng geheim gehaltenen Partitur aus dem Gedächtnis fehlerfrei niederzuschreiben. Nicht klar ist, inwieweit die Sänger Stimmen improvisierend koloriert haben und ob Mozart das aufschreiben konnte. Das Original dieser Transkription ist nicht überliefert und jüngere Untersuchungen geben durchaus nachvollziehbare Erklärungen für diese scheinbar unerklärliche Leistung. Erleichtert wurde die Niederschrift etwa durch die Wiederholungsstruktur des Stücks.[10]

Bei Padre Giovanni Battista Martini in Bologna studierte Mozart Kontrapunkt. Nach einer Klausur wurde er in die Accademia Filarmonica di Bologna aufgenommen. Dort begegnete er so bedeutenden Musikern wie Giovanni Battista Sammartini, Niccolò Piccinni, Pietro Nardini und Giovanni Paisiello. Am 26. Dezember 1770 erlebte er die Uraufführung seiner Opera seria Mitridate, re di Ponto (KV 87) in Mailand, deren Publikumserfolg zu zwei weiteren Aufträgen führte: der Serenata teatrale Ascanio in Alba (KV 111, Uraufführung in Mailand am 17. Oktober 1771) sowie dem Dramma per musica Lucio Silla (KV 135), Uraufführung in Mailand in der Saison 1772/73. Am 15. Dezember 1771 kehrten Vater und Sohn nach Salzburg zurück, nachdem sich Hoffnungen auf eine Anstellung in Italien nicht erfüllt hatten.
Konzertmeister in Salzburg (1772–1777)

Im Jahr 1772 wurde Hieronymus Franz Josef von Colloredo zum Fürsterzbischof von Salzburg gewählt; er folgte dem verstorbenen Sigismund Christoph Graf von Schrattenbach. Vom neuen Fürsten wurde Mozart im August zum besoldeten Konzertmeister der Salzburger Hofkapelle ernannt. Trotzdem führte dies nicht zu einem Ende seiner vielen Reisen mit dem Vater. Wolfgang versuchte weiterhin, dem engen Reglement des Salzburger Dienstes zu entkommen: Vom 24. Oktober 1772 bis zum 13. März 1773 folgte die dritte Italienreise zur Uraufführung des Lucio Silla, während der auch das Exsultate, jubilate entstand, und von Mitte Juli bis Mitte Ende September 1773 die dritte Reise nach Wien. Im selben Jahr entstand sein erstes Klavierkonzert. Ab Oktober 1773 bewohnte die Familie Mozart den ersten Stock des Tanzmeisterhauses, welches zuvor dem Salzburger Hoftanzmeister Franz Gottlieb Spöckner (ca. 1705–1767) gehört hatte.

Nach einer längeren Pause folgte am 6. Dezember 1774 eine Reise nach München zur Uraufführung der Opera buffa La finta giardiniera (KV 196). Am 13. Jänner 1775 und nach der Rückkehr am 7. März versuchte Mozart erneut, sich auch in Salzburg als Künstler der Musik zu etablieren. Er ließ zum Beispiel das Dramma per musica Il re pastore am 23. April 1775 in Salzburg uraufführen, das allerdings beim Publikum nicht gut ankam. Nach mehrfachen erfolglosen Bitten um Urlaub reichte er 1777 sein Abschiedsgesuch beim Fürsterzbischof ein und bat um Entlassung aus der Salzburger Hofkapelle.
Auf Stellensuche und erneut Salzburg (1777–1781)

Nach seiner Entlassung aus den Diensten des Fürsten begab sich Mozart am 23. September 1777 mit seiner Mutter auf eine Städtereise; er versuchte eine neue und bessere Anstellung zu finden. Zuerst sprach er vergeblich am bayerischen Kurfürstenhof in München vor, danach in Augsburg und am Hof des Mannheimer Kurfürsten Karl Theodor, wo er das kurfürstliche Orchester und dessen Kapellmeister, seinen späteren Freund Christian Cannabich, kennenlernte (siehe auch Mannheimer Schule). Aber auch hier bekam er weder eine Anstellung noch irgendwelche musikalischen Aufträge. Er lernte aber die Familie Weber kennen und deren Tochter Aloisia, eine junge Sängerin und spätere Münchner Primadonna, in die er sich verliebte.

Nach fünf Monaten in Mannheim fuhren er und seine Mutter, vom Vater gedrängt, weiter nach Paris, wo sie am 23. März 1778 ankamen. Dort konnte Mozart immerhin seine Ballettmusik Les petits riens aufführen, bekam darüber hinaus aber keine weiteren Engagements. Am 3. Juli 1778 verstarb seine Mutter um 10 Uhr abends. Der junge Mozart wohnte anschließend einige Monate in einer Wohnung des Barons Melchior Grimm, wo auch Joseph Bologne, Chevalier de Saint-Georges schon seit zwei Jahren lebte.[11]

Die Rückreise nach Salzburg, die er widerwillig knapp drei Monate später am 26. September antrat, um die vakante Stelle eines Hoforganisten anzutreten, führte ihn über Straßburg, Mannheim und Kaisersheim nach München, wo er noch einmal der Familie Weber begegnete. Erst Mitte Jänner 1779 erreichte er seine Heimatstadt und wurde am 17. Jänner zum Hoforganisten ernannt. Hier komponierte er die später so genannte Krönungsmesse (KV 317).

Dieser erneute Versuch mit einem Engagement in Salzburg ging 20 Monate leidlich gut, obwohl das Verhältnis zum Erzbischof angespannt blieb, da dieser ihm die Mitwirkung an einträglichen Konzerten in Wien untersagte. Bei einer erneuten Reise am 5. November 1780 nahm er in München an der sehr erfolgreichen Uraufführung seiner Opera seria Idomeneo (KV 366) am 29. Jänner 1781 teil. Danach nahm Mozart in Wien im Auftrag des Erzbischofs an Akademien der Salzburger Hofmusiker teil. Nach zwei heftigen Auseinandersetzungen mit dem Erzbischof und einem „Fußtritt“ durch dessen gräflichen Abgesandten, den fürsterzbischöflichen Oberstküchenmeister Karl Joseph Maria Graf Arco[12] – über den gräflichen „Fußtritt“ berichtet Mozart selbst in seinen Briefen – kam es zum endgültigen Bruch. Mozart kündigte am 8. Juni 1781 den Salzburger Dienst auf, ließ sich in Wien nieder und bestritt dort in den nächsten Jahren seinen Lebensunterhalt durch Konzerte in privaten und öffentlichen Akademien.

Befreit von den Salzburger „Fesseln“, schuf der nun unabhängige Komponist und Musiklehrer, der ständig auf der Suche nach Auftraggebern und Klavierschülern war und der sich auch nicht scheute, auf „Vorrat“ zu arbeiten, die ganz großen Opern und eine Vielzahl von Klavierkonzerten, die er meist selbst vortrug.

Am 16. Juli 1782 wurde das von Kaiser Joseph II. in Auftrag gegebene Singspiel (in Deutsch!) Die Entführung aus dem Serail (KV 384) in Wien uraufgeführt. Es folgten Jahre, die mit der Komposition und Aufführung von Klavierkonzerten angefüllt waren und in denen es Mozart finanziell sehr gut ging.
Am 1. Mai 1786 war in Wien die Uraufführung der Opera buffa Le nozze di Figaro („Figaros Hochzeit“, KV 492)
Am 29. Oktober 1787 in Prag die Uraufführung des Dramma giocoso Don Giovanni („Don Juan“, KV 527)
Am 26. Jänner 1790 in Wien die Uraufführung der Opera buffa Così fan tutte („So machen es alle Frauen“, KV 588)

(diese letzten drei nach Libretti von Lorenzo da Ponte)

Am 6. September 1791 war die Uraufführung der Opera seria La clemenza di Tito („Die Milde des Titus“, KV 621) in Prag
Am 30. September 1791 war die Uraufführung der großen Oper Die Zauberflöte (KV 620) in Emanuel Schikaneders Theater im Freihaus auf der Wieden. Damit war er zur deutschen Sprache zurückgekehrt. Geschichte und Texte der Zauberflöte gehen auf Emanuel Schikaneder zurück und stellen eine spekulative Mischung aus einem Vorgängerwerk Der Stein der Weisen, einem Märchen von Wieland und freimaurerischen Attributen, dar.

In dieser Phase komponierte Mozart außerdem die Große Messe in c-Moll (KV 427) (1783) und wichtige Instrumentalwerke: die sechs Joseph Haydn gewidmeten Streichquartette (KV 387, 421, 428, 458, 464, 465) (1785), die Linzer Sinfonie (KV 425), die Prager Sinfonie (KV 504) (1786) und die Serenade Eine kleine Nachtmusik (KV 525) (1787) sowie die drei letzten Sinfonien, in Es-Dur (KV 543, Nr. 39), g-Moll (KV 550, Nr. 40) und in C-Dur, genannt Jupiter-Sinfonie (KV 551, Nr. 41).

In Wien lernte Mozart um 1782/83 Gottfried van Swieten kennen, einen ausgewiesenen Musikliebhaber und Präfekten der kaiserlichen Bibliothek, der heutigen Österreichischen Nationalbibliothek. Dieser machte ihn bei den regulären Sonntagskonzerten in van Swietens Räumen in der kaiserlichen Bibliothek mit den Manuskripten Johann Sebastian Bachs und Georg Friedrich Händels bekannt, die er in Berlin gesammelt hatte. Die Begegnung mit diesen Barockkomponisten machte einen tiefen Eindruck auf Mozart und hatte umgehend großen Einfluss auf seine Kompositionen.[13]
Angeblich Constanze Mozart (links) mit Familie Keller, Oktober 1840

Am 4. August 1782 heiratete Mozart Constanze Weber, eine jüngere Schwester Aloisias. Mozart hatte seine Frau drei Jahre zuvor in Mannheim kennengelernt. Sie gebar ihm in den folgenden Jahren sechs Kinder: Raimund Leopold († 19. August 1783), Carl Thomas (* 1784; † 31. Oktober 1858), Johann Thomas Leopold († 15. November 1786), Theresia Konstantia Adelheid Friderika (* 1787; † 29. Juni 1788), Anna Maria († 16. November 1789) und Franz Xaver Wolfgang (* 1791; † 29. Juli 1844). Lediglich Karl Thomas und Franz Xaver Wolfgang überlebten die Kinderzeit.

Der Vater Leopold Mozart, den Wolfgang in seinen Wiener Jahren 1783 noch einmal besuchte[14] und der 1785 noch einmal bei ihm zu Besuch war, starb am 28. Mai 1787.

Durch seine Freundschaft mit Otto Heinrich von Gemmingen-Hornberg trat Mozart am 14. Dezember 1784 in die Wiener Freimaurerloge Zur Wohltätigkeit ein. Mozart besuchte regelmäßig eine zweite Wiener Loge Zur wahren Eintracht, in der der Illuminat Ignaz von Born Stuhlmeister war. Dort wurde er am 7. Jänner 1785 zum Gesellen befördert. Er konnte aber am 11. Februar nicht bei der Initiation seines Freundes Joseph Haydn anwesend sein, da er am selben Abend, an dem auch sein Vater Leopold Mozart aus Salzburg angekommen war, das erste seiner sechs Subskriptionskonzerte in der Mehlgrube gab und dabei den Solopart seines Klavierkonzertes in d-Moll KV 466 spielte. Auf Mozarts Veranlassung wurde auch sein Vater Leopold Mozart Freimaurer: Dieser wurde am Mittwoch, den 6. April 1785, in der Bauhütte seines Sohnes als Maurerlehrling eingeweiht und am 16. und 22. April 1785, erneut in der Loge Zur wahren Eintracht, in den 2. resp. 3. Grad erhoben.[15][16]

Speziell in seinen Opern Die Zauberflöte und Le nozze di Figaro sind gesellschaftskritische Töne aus dieser Mitgliedschaft zu spüren, die vielleicht mit dazu beigetragen haben, dass es Mozart nach der Uraufführung des Figaro finanziell nicht mehr so gut ging, zumal kurz danach der ungünstig verlaufende 8. Österreichische Türkenkrieg gegen das Osmanische Reich geführt wurde. Am 7. Dezember 1787 ernannte Joseph II. Mozart zum k.k. Kammermusicus und stattete ihn mit einem Jahresgehalt von 800 Gulden aus, am 9. Mai 1791 außerdem zum unbesoldeten Adjunkten des Domkapellmeisters von St. Stephan, Leopold Hofmann.

Mit der Aufführung von Le nozze di Figaro 1786, die Joseph II. trotz des systemkritischen Inhalts freigab, überforderte er das Wiener Publikum, so dass es sich von ihm zurückzog. So verschlechterte sich seine wirtschaftliche Situation, ohne dass er dieser Tatsache mit seinen Ausgaben Rechnung trug. Trotz des vorherigen Wohlstandes hatte er keine Ersparnisse angesammelt und musste mehrfach von Freunden Geld leihen. Diese Misserfolge führten zu einem Wendepunkt in seinem Leben. Erfolg hatte er in dieser Zeit nur in Prag.

Abseits der Wiener Öffentlichkeit erschuf er die Werke seiner letzten Lebensjahre. Vergeblich versuchte er mit erneuten Reisen die wirtschaftliche Talfahrt aufzuhalten. Diese Reisen führten ihn zu den Aufführungen von 8. Jänner bis Mitte Februar 1787 und Ende August bis Mitte September 1791 nach Prag. Vom 8. April bis 4. Juni 1789 reiste er mit dem Fürsten Karl Lichnowsky über Prag, Dresden und Leipzig nach Potsdam und Berlin zum preußischen König Friedrich Wilhelm II. Vom 23. September bis Anfang November 1790 reiste er zur Krönung des Kaisers Leopold II., der dem verstorbenen Joseph II. nachfolgte, nach Frankfurt am Main. Dort war Mozart zusammen mit seinem Freund, dem Theaterdirektor Johann Heinrich Böhm, im „Backhaus“ in der Kalbächer Gasse 10 einquartiert.[17][18] Auf Heimreisen machte er Station in Mannheim und München.

Aber die Reisen nach Berlin 1789 und Frankfurt 1790 verhalfen ihm nicht zu erneutem Wohlstand. In Berlin erhielt er weder Einnahmen noch eine Anstellung. Die vom Kaiser erbetene Oper Così fan tutte fand nur mäßigen Anklang, ebenso wenig der Auftritt in Frankfurt am Main und die Uraufführung von La clemenza di Tito in Prag. Erst der große Beifall für die Zauberflöte versprach wirtschaftliche Besserung, aber jetzt war es nicht mehr der Adel, sondern die „einfachere“ Bevölkerung, bei der er Resonanz fand.
Letzte Werke und früher Tod

Nach der Uraufführung von La clemenza di Tito in Prag war Mozart Mitte September 1791 nach Wien zurückgekehrt und hatte sich sofort in die Arbeit für die Uraufführung der Zauberflöte (KV 620) gestürzt, die zwei Wochen später – endlich wieder mit Erfolg – über die Bühne ging. Gleichzeitig hatte er die Motette Ave verum corpus (KV 618) ausgearbeitet und mit der Niederschrift des Requiems (KV 626) begonnen, die er jedoch nicht mehr abschließen konnte. Franz Xaver Süßmayr, laut Constanze Mozart ein ehemaliger Schüler Mozarts, vollendete das Requiem.

Wenige Wochen nach der Uraufführung der Zauberflöte am 30. September 1791 wurde Mozart am 20. November (etwa zwei Tage nachdem er die Uraufführung seiner Kantate Laut verkünde unsre Freude geleitet hatte)[19] bettlägerig, am 5. Dezember, fünf Minuten vor 1 Uhr früh[20] starb er. Er wurde nicht ganz 36 Jahre alt. Während seines letzten Lebensjahres wohnte er im Kleinen Kayserhaus, das sich bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts in der Rauhensteingasse 8[21] auf der Rückseite des heutigen Kaufhaus Steffl (Kärntner Straße 19) befand. Eine Gedenktafel erinnert daran, dass Mozart dort am 5. Dezember 1791 starb.[22]

Als Todesursache wurde durch den Totenbeschauer „hitziges Frieselfieber“ (am ehesten „die Kombination eines hoch fieberhaften Krankheitsverlaufs mit einem sichtbaren Hautausschlag“) genannt.[23] In der Folge wurden diverse weitere Todesursachen in Erwägung gezogen.[24] Zum einen verschiedene virale, bakterielle und parasitäre Infektionskrankheiten wie Syphilis (eventuell in Verbindung mit einer durch die damals zur Behandlung geläufige Anwendung von Quecksilber hervorgerufenen Überdosis[25][26]), Trichinellose, Pharyngitis oder eine Infektion mit Streptokokken, die zu einer Kreuzreaktion von gegen Streptokokken gerichteten Antikörpern gegen Herzinnenhäute und -klappen führte, dem sogenannten Rheumatischen Fieber, woraufhin sich dann möglicherweise eine zum Tode führende Aortenklappeninsuffizienz entwickelte.[27][28] Ferner werden auch Erkrankungen wie Purpura Schönlein-Henoch, Nierenversagen, Herzversagen oder die Folgen eines mehrmals, zuletzt am 3. Dezember durchgeführten Aderlasses genannt. Mozart selbst war davon überzeugt, vergiftet worden zu sein, und äußerte sich gegenüber Constanze dazu wenige Wochen vor seinem Tod während eines Besuchs im Prater: „Gewiß, man hat mir Gift gegeben.“ Für einen Giftmord gibt es allerdings keinerlei dokumentierte Anhaltspunkte.[29] Die ersten Legenden zirkulierten schon kurz nach Mozarts Tod, die wohl bekannteste davon beschuldigte seinen angeblich missgünstigen Kollegen Antonio Salieri.

Beigesetzt wurde der große Komponist, nachdem sein Leichnam zunächst verordnungsgemäß in der Wohnung aufgebahrt[30] worden war, in einem allgemeinen Grab am Sankt Marxer Friedhof. Organisiert wurde das Begräbnis durch Gottfried van Swieten.[31] Mozarts Witwe besuchte das Grab zum ersten Mal erst nach 17 Jahren. 1855 wurde der Standort seines Grabes so gut wie möglich bestimmt und 1859 an der vermuteten Stelle ein Grabmal errichtet, das später von der Stadt Wien in die Gruppe der Musiker-Ehrengräber am Zentralfriedhof (32 A-55) übertragen wurde. Auf der alten, frei gewordenen Grabstelle wurde in Eigeninitiative des Friedhofswärters Alexander Kugler abermals eine Mozart-Gedenktafel errichtet, die mit der Zeit aus Spolien anderer Gräber zu einem Grabmal ausgebaut wurde und heute eine viel besuchte Sehenswürdigkeit ist.
Finanzielle Verhältnisse und Hinterlassenschaft

Die These vom „verarmten Genius Mozart“ stammt aus der Romantik. Jeder Biograph versuchte Mozart „noch ärmer zu machen“. Besonders in der Öffentlichkeit ist das Klischee vom „armen Mozart“ noch verbreitet, während es die neuere Forschung ablehnt. Mozart war sicher nicht reich im Vergleich zu einem Grafen oder Fürsten, reich war er aber gegenüber den anderen Angehörigen seines Standes, des vierten Standes der Bürger.[32]

Nach heutigen Maßstäben war Mozart ein Großverdiener, dennoch war er bedingt durch seinen Lebenswandel oft in finanziellen Nöten. Für ein Engagement als Pianist erhielt er nach eigenen Angaben „wenigstens 1000 Gulden“ (zum Vergleich: Seiner Magd bezahlte er einen Gulden pro Monat). Zusammen mit seinen Klavierstunden, für die er jeweils zwei Gulden berechnete, und seinen Einkünften aus den Konzerten und Auftritten verfügte er über ein Jahreseinkommen von rund 10.000 Gulden, was nach heutiger Kaufkraft etwa 125.000 Euro entspricht. Dennoch reichte das Geld nicht für seinen aufwendigen Lebensstil, so dass er oft genug andere, wie Johann Michael Puchberg, einen Logenfreund, um Geld bat. Er bewohnte große Wohnungen[33] und beschäftigte viel Personal, außerdem hegte er – so wird (bis heute unbewiesen) angenommen – eine Leidenschaft für Karten- und Billardspiele mit hohen Einsätzen, wodurch er große Summen verloren haben könnte. Der wertvollste Einzelposten seiner Hinterlassenschaft waren laut Verlassenschaftsverzeichnis nicht die zahlreichen wertvollen Bücher oder Musikinstrumente in seinem Besitz, sondern es war seine teure Kleidung. Mozart starb nicht in Armut, denn er hatte immer noch Kredit und bei Anton Stadler sogar einen Kredit von 500 Gulden ausständig. Sein Billardtisch, der zu jener Zeit ein luxuriöses Statussymbol war, gibt Zeugnis von Mozarts durchaus gehobenen Lebensumständen im Jahr 1791.
Mozarts Begräbnis – Fakten und Spekulationen
Die Fakten

Wolfgang Amadeus Mozart starb am Montag, dem 5. Dezember 1791, gegen ein Uhr früh in seinem Haus in Wien.
Er wurde noch am selben Tag in seiner Wohnung und am 6. Dezember bei der über dem Abgang zu den Katakomben errichteten Kruzifixkapelle am Stephansdom aufgebahrt.[34] Der Abschied wurde im Kreise seiner Freunde und Verwandten zelebriert.
Laut der Sternwarte in Wien, die Wetteraufzeichnungen durchführte, war das Wetter mild und trocken.[35] Allerdings ist dies kein Hinweis auf die Straßenverhältnisse im Dezember 1791.
Laut dem Wiener Stadt- und Landesarchiv ist nicht bekannt, ob Mozart am 6. Dezember 1791 abends oder am 7. Dezember 1791 frühmorgens zum Sankt Marxer Friedhof gebracht wurde. Es gibt darüber keinerlei Aufzeichnungen. Einer damals gültigen Sanitätsverordnung zufolge[36] wäre eine Beerdigung erst ab dem 7. Dezember erlaubt gewesen.
Mozart wurde in ein „allgemeines einfaches Grab“ gebettet. Das Bezeichnen der Gräber war aufgrund der Josephinischen Reformen vom August 1788 zwar nicht verboten, geschah aber im Falle Mozarts nicht.

Die Spekulationen

Mozart starb verarmt und wurde in einem Armengrab beerdigt:

Falsch ist, dass er völlig mittellos starb. Vielmehr ist richtig, dass er als Musiker standesgemäß in einem „einfachen allgemeinen Grab“ bestattet wurde, nicht in einem „Armengrab“.[37] Richtig ist allerdings auch, dass Mozarts Witwe die verbliebenen Verbindlichkeiten nur begleichen und den Lebensunterhalt der Familie für einige Zeit decken konnte, weil ihr von Kaiser Leopold II. eine Pension und der Gewinn aus einem Benefizkonzert, für das der Kaiser selbst einen großzügigen Betrag gab, zugesprochen wurden.

Mozart wurde erst am 7. Dezember eingesegnet und nicht am Friedhof St. Marx, sondern am Matzleinsdorfer Friedhof begraben:

Unter Hinweis auf zeitgenössische Erinnerungen von Salieri, Gall und den Brüdern Aschenbrenner wurde publiziert, dass die Einsegnung und Beisetzung der Leiche Mozarts erst am 7. Dezember 1791 während eines massiven Schlechtwettereinbruches stattgefunden haben soll und Indizien auf eine Bestattung am Friedhof Matzleinsdorf hindeuten. So soll der Leichenzug nicht (Richtung St. Marx) durch das Stubentor gegangen sein, sondern durch das Kärntner Tor Richtung Matzleinsdorfer Friedhof, die ursprünglich für diesen Friedhof geltenden Angaben über die Lage des Grabes sollen erst später auf den St. Marxer Friedhof angewendet worden sein. Mozart soll auch in Schikaneders Freihaustheater aufgebahrt gewesen sein.[38]

Niemand begleitete den Leichenzug Mozarts zu seinem Grab:

Richtig ist, dass der Leichenzug nicht von Freunden und Verwandten zum Sankt Marxer Friedhof begleitet wurde. Falsch ist, dass dies wegen der Wetterverhältnisse geschah. Richtig ist vielmehr, dass damals in Wien das Begleiten des Leichnams bis zum tatsächlichen, in Mozarts Fall vier Kilometer entfernten Grab unüblich war. Mit der Aussegnung in Sankt Stephan waren die zu jener Zeit vorgesehenen Begräbnisfeierlichkeiten beendet.[39]

Die Leiche Mozarts wurde umgebettet:

Erst 17 Jahre nach Mozarts Tod versuchte seine Frau Constanze, das Grab ihres Mannes zu finden. Da es aber kein Kreuz oder Bezeichnung dieses Grabes gab, musste man sich auf höchst unsichere Erinnerungen der Friedhofsangestellten verlassen. Es ist daher nicht möglich anzugeben, wo Mozart beerdigt worden ist.

Der echte Schädel Mozarts wird bei der Internationalen Stiftung Mozarteum (ISM) in Salzburg aufbewahrt:

Experten konnten erstmals eine DNA-Analyse und eine chemische Prüfung an dem Schädel durchführen. Das für die DNA-Analyse erforderliche Vergleichsmaterial stammte von Skeletten, die aus dem Familiengrab der Mozarts auf dem Salzburger Friedhof St. Sebastian geborgen wurden. Leopold Mozart ist nicht in diesem Grab, sondern in der Kommunalgruft begraben. Das im Jänner 2006 veröffentlichte Ergebnis erbrachte somit mangels Vergleichmaterials keinerlei Hinweise auf die Echtheit des Schädels. Im April 1991 fand Walther Brauneis, der von der ISM gebeten worden war, den historischen Sachverhalt zu bearbeiten, in der Wienbibliothek im „Vorgeordneten Nachlaß von Ludwig August Frankl“ das Manuskript mit dem Titel „Mozart’s Schädel ist gefunden“ (1868). Frankls Beschreibung des sogenannten Mozart-Schädels war bekannt, nicht bekannt war allerdings, dass Hyrtl den Text von Frankl attestiert hatte. Danach unterscheidet sich der Schädel von dem, den die ISM verwahrt, erheblich: Für den „Frankl-/Hyrtlschen Schädel“ werden sieben Zähne genannt, der Schädel in der ISM zählt dagegen elf Zähne. Damit ist bewiesen, dass der in der ISM verwahrte Schädel nicht mit dem „Frankl-/Hyrtlschen Schädel“ identisch sein kann.

Medizinische Spekulationen

Der dänische Neurologe und Psychiater Rasmus Fog spekulierte 1985 über eine mögliche Erkrankung Mozarts am Tourette-Syndrom.[40] 2005 untersuchte der irische Professor für Kinder- und Jugendpsychiatrie Michael Fitzgerald in seiner Veröffentlichung The Genesis of Artistic Creativity die Frage, ob Mozart das Asperger-Syndrom gehabt hätte. Anhand des biographischen Materials hält er es durchaus für möglich. Wegen Mozarts Hyperaktivität und Impulsivität würde aber eher eine Diagnose von ADHS zutreffen.[41]
Mozarts Vornamen

Am 28. Jänner 1756 – einen Tag nach seiner Geburt – wurde Mozart auf die Namen Joannes Chrysostomus Wolfgangus Theophilus getauft (andere Schreibweise seiner Vornamen: Joannes Chrisostomus Wolfgang Gottlieb.[4]) Der erste und letzte der genannten Vornamen verweisen auf den Taufpaten Joannes Theophilus Pergmayr, Senator et Mercator Civicus, die ersten beiden Namen zugleich auf den damaligen Tagesheiligen des Geburtstages Johannes Chrysostomos,[42] der mittlere Vorname Wolfgang auf Mozarts Großvater Wolfgang Nicolaus Pertl. Das griechische Theophilus („Gottlieb“) hat Mozart später in seine französische Entsprechung Amadé bzw. (selten) latinisierend Amadeus übersetzt.

Sein Rufname war zeitlebens Wolfgang. In der Zeit der Italienreisen nannte er sich oft Wolfgango Amadeo Mozart. Als Erwachsener unterschrieb er zumeist als Wolfgang Amadé Mozart, wenn nicht überhaupt nur als Wolfgang Mozart (so etwa trug er sich in die Anwesenheitsliste der Wiener Freimaurerloge Zur Wohlthätigkeit ein). Amadeus nannte er sich nur im Scherz in drei seiner Briefe. Die Namensform Wolfgang Amadeus erschien zu Mozarts Lebzeiten offiziell nur einmal, und zwar im Frühjahr 1787 in einem amtlichen Schreiben der Niederösterreichischen Statthalterei.[43] Die erste postume amtliche Nennung Mozarts mit dem latinisierten Vornamen ist die Eintragung im Totenbeschauprotokoll des Wiener Magistrats am 5. Dezember 1791.
Mozarts Briefe

Mozart schrieb, beginnend im Jugendalter, während seines Lebens zahlreiche Briefe, die ein Kennenlernen seiner Persönlichkeit und seiner musikalischen Ansichten und Arbeitsweisen ermöglichen und so eine wichtige Forschungsbasis zu Mozarts Leben und Werk liefern. Der wichtigste briefliche Korrespondenzpartner war Mozarts Vater Leopold Mozart.
Mozarts Reisen

Mozart war insgesamt über zehn Jahre, beinahe ein Drittel seines Lebens auf Reisen, die ihn in zehn Länder des heutigen Europas führten. Allein schon die Fahrten per Kutsche – eine Reise von Salzburg nach Wien dauerte zum Beispiel je nach Jahreszeit und Wetter etwa sechs Tage – waren zur damaligen Zeit eine physische Herausforderung. Zudem reisten die Mozarts oft im Winter.[44] So schreibt Leopold Mozart am 29. Dezember 1762 über die Fahrt von Preßburg nach Wien an Lorenz Hagenauer, den Vermieter und gleichzeitigen Gönner der Mozarts in Salzburg:

„[…] wir reisten diesen Tag nicht sonderlich bequemm, indem der weeg zwar ausgefrohren, allein unbeschreiblich knoppericht und voller tieffer gruben und schläge war; den̄ die Ungarn machen keinen weeg. Hätte ich in Pressburg nicht einen Wagen kauffen müssen, der recht gut gehängt ist, so hätten wir ganz gewiß ein paar Rippen weniger nach Hause gebracht. Den wagen muste ich kauffen, wenn ich anders wollte, daß wir gesund nach Wien̄ kommen sollten. Den̄ in ganz Presburg war kein 4sitziger geschlossner wagen bey allen Landkutschern anzutreffen. Diesen wagen hatte ein Stattkutscher – die Stattkutscher därffen aber nicht über Land fahren, aufgenommen mit 2 Pferd nur auf etliche Stunde.“[45]

Wie unangenehm er eine Fahrt von Salzburg nach München erlebte, schildert Wolfgang Amadeus am 8. November 1780 in einem Brief an seinen Vater:

„Glücklich und vergnügt war meine Ankunft! – glücklich, weil uns auf der Reise nichts widriges zugestossen, und vergnügt, weil wir kaum den Augenblick, an ort und Ende zu kommen, erwarten konnten, wegen der obwohl kurzen doch sehr beschwerlichen Reise; – denn, ich versichere Sie, daß keinem von uns möglich war nur eine Minute die Nacht durch zu schlafen – Dieser Wagen stößt einem doch die Seele heraus! – und die Sitze! – hart wie stein! – Von Wasserburg aus glaubte ich in der that meinen Hintern nicht ganz nach München bringen zu können! – er war ganz schwierig – und vermuthlich feuer Roth – Zwey ganze Posten fuhr ich die Hände auf dem Polster gestützt, und den Hintern in lüften haltend – doch genug davon, das ist nun schon vorbey! – aber zur Regel wird es mir seyn, lieber zu fus zu gehen, als in einem Postwagen zu fahren.“[46]

Mozarts Nationalität

Die Frage der Bürgerschaft bzw. Landsmannschaft des Komponisten wird in der Rezeptionsgeschichte unterschiedlich beantwortet. Salzburg war seit dem späten 14. Jahrhundert Hauptstadt eines im Wesentlichen unabhängigen[47] Fürsterzbistums namens Erzstift Salzburg,[48] das geistlich dem Heiligen Stuhl in Rom unterstand, weltlich dem römisch-deutschen Kaiser (zu Mozarts Lebzeiten waren das 1745–1765 Franz I., 1765–1790 Joseph II. und 1790–1792 Leopold II.), nicht aber der „österreichischen“ Habsburgermonarchie. Mozart war im Erzbistum als Untertan der Fürsterzbischöfe geboren und blieb das auch sein Leben lang. Die Landeszugehörigkeit Mozarts könnte daher als „(Fürsterzbischöflich-)Salzburg(er)isch“ bezeichnet werden,[49] jedoch ist diese Umschreibung seiner Landsmannschaft weniger verbreitet.[50][51] Das viel verwendete Grove Dictionary of Music and Musicians bezeichnet Mozart als österreichischen Komponisten.[52] Auch das Houghton Mifflin Dictionary of Biography (2003), das Oxford Concise Dictionary of Music (Bourne und Kennedy 2004) und das NPR Listener’s Encyclopedia of Classical Music (Libbey, 2006) bezeichnen ihn als solchen. Die Encyclopædia Britannica liefert zwei unterschiedliche Ergebnisse:[53] Die kurze anonyme Fassung in der Micropedia bezeichnet ihn als österreichischen Komponisten; der Hauptartikel in der Macropedia, geschrieben von H. C. Robbins Landon, befasst sich nicht mit seiner Nationalität. In früheren Quellen wird Mozart oft als Deutscher bezeichnet, vor allem vor der Gründung des heutigen modernen österreichischen Nationalstaates. Eine Londoner Zeitung berichtete im Jahr 1791 vom Tod des Komponisten. Dort wird er als „der gefeierte deutsche Komponist“ (englisch: the celebrated German composer) bezeichnet.[54] In Lieber u. a. (1832, S. 78), wird Mozart als „der große deutsche Komponist“ vorgestellt. Ferris (1891) nahm Mozart – unter anderem neben Frédéric Chopin, Franz Schubert und Joseph Haydn – in sein Buch The Great German Composers („Die großen deutschen Komponisten“) auf. Andere Bezeichnungen als Deutscher findet man bei Kerst (1906, S. 3), Mathews und Liebling (1896), sowie MacKey und Haywood (1909); viel später auch bei Hermand und Steakley (1981).

Manche Quellen änderten ihre Zuordnungen Mozarts zu heutigen Staaten im Laufe der Zeit. Grove bezeichnete Mozart nicht immer als „Österreicher“; dies erschien erstmals in der ersten Auflage des New Grove im Jahr 1980. Ähnlich war es auch beim Baker’s Biographical Dictionary of Musicians. Ursprünglich erwähnten sie die Landsmannschaft Mozarts nicht. Das Wort „Austrian“ wurde erstmals im Anfangssatz in der achten Auflage von 1992 erwähnt, und wurde seither beibehalten.[55] Die Encyclopædia Britannica, die ihn heute als „Austrian“ bezeichnet, beschrieb ihn früher als deutschen Komponisten.[56]

Mozart selbst äußerte sich in seinen nachgelassenen Schriften nicht zur Frage seiner „Staatsangehörigkeit“ im modernen Sinne, nennt sich selber aber Teutscher, so in Briefen an seinen Vater, z. B. vom 29. Mai 1778, in dem es heißt: „Was mich aber am meisten aufrichtet und guten Muthes erhält, ist, daß ich ein ehrlicher Teutscher bin“[57] – und vom 11. September 1778, in dem er schreibt: „mir ist nur leid, daß ich nicht hier bleibe, um ihm zu zeigen, daß ich ihn nicht brauche – und daß ich so viell kann als sein Piccini – obwohl ich nur ein Teutscher bin.“[58] In einem Brief vom 17. August 1782 schreibt er: Will mich Teutschland, mein geliebtes Vaterland, worauf ich (wie Sie wissen) stolz bin, nicht aufnehmen, so muß in Gottes Namen Frankreich oder England wieder um einen geschickten Teutschen mehr reich werden – und das zur Schande der teutschen Nation.[59]

Daraus wird ersichtlich, dass für ihn Teutschland als Bezeichnung für die deutschsprachigen Gebiete Mitteleuropas und die teutsche Nation (jeweils in der damals im oberdeutschen Raum üblichen Schreibung) als Kollektivum der dort lebenden deutschsprachigen Menschen begriffliche Realität waren, ohne dass dabei der Nationalstaatsgedanke unserer Zeit darauf Anwendung finden könnte: Zu seiner Zeit existierte ein Rechtssubjekt mit Namen „Deutschland“ ebenso wenig wie eines namens „Italien“, von dem er an anderer Stelle schreibt.
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Ludwig van Beethoven

Ludwig van Beethoven (getauft 17. Dezember 1770 in Bonn, Kurköln; † 26. März 1827 in Wien, Kaisertum Österreich) war...
Ludwig van Beethoven (getauft 17. Dezember 1770 in Bonn, Kurköln; † 26. März 1827 in Wien, Kaisertum Österreich) war ein deutscher Komponist und Pianist. Er führte die Wiener Klassik zu ihrer höchsten Entwicklung und bereitete der Musik der Romantik den Weg.

Zu Beginn seiner musikalischen Karriere machte sich Beethoven zunächst als Klaviervirtuose einen Namen. Zu seinen Stärken gehörte das freie Improvisieren und Fantasieren auf dem Instrument. Nach dem Umzug von Bonn nach Wien führte ihn sein Talent bald in die höchsten gesellschaftlichen Kreise der habsburgischen Metropole. Ein Gehörleiden, das sich im Laufe der Zeit zur völligen Taubheit verschlimmerte, setzte seiner Karriere als Pianist jedoch ein vorzeitiges Ende. Die Krankheit löste eine Krise aus, über die Beethoven 1802 in seinem Heiligenstädter Testament Zeugnis ablegte. Beethoven pflegte vielerlei Kontakte zu Frauen aus seinem Umfeld. Berühmt ist sein 1812 geschriebener Brief an die unsterbliche Geliebte, deren Identität bis heute nicht zweifelsfrei geklärt ist. Eine Kandidatin ist Josephine Brunsvik, deren Tochter Minona möglicherweise aus der Affäre mit Beethoven hervorging.

Mit der Verschlechterung seines Gehörs konzentrierte sich Beethoven mehr und mehr aufs Komponieren. Während andere Komponisten ihre Werke oft schnell zu Papier brachten, rang Beethoven um jede Note. Immer wieder wurde nachgearbeitet und verbessert. Aus seinem umfangreichen konzertanten Werk stechen insbesondere seine neun Sinfonien hervor. Daneben schuf er u. a. fünf Klavierkonzerte, ein Violinkonzert, mehrere Ouvertüren, die Oper Fidelio, die Missa solemnis sowie eine Vielzahl kammermusikalischer Werke. Beethoven ist seinem Anspruch, ein bleibendes musikalisches Werk für die Nachwelt zu hinterlassen,gerecht geworden. Seine Popularität ist ungebrochen, und heute gehört er zu den meistgespielten Komponisten der Welt.

Ludwig van Beethovens väterliche Vorfahren stammten aus Mechelen, dem Sitz des Erzbischofs der Österreichischen Niederlande. Mit seinem Großvater Ludwig van Beethoven (1712–1773) brachte die Familie erstmals einen Musiker hervor. Dieser wurde 1733 als Basssänger an den kurkölnischen Hof nach Bonn berufen, 1761 ernannte ihn Kurfürst und Erzbischof Maximilian Friedrich zum Hofkapellmeister. Ludwigs Sohn Johann (* 14. November 1740, † 18. Dezember 1792) wurde Tenorsänger an der Hofkapelle und erwarb sich darüber hinaus Ansehen als Musiklehrer. Am 12. November 1767 heiratete er die früh verwitwete Maria Magdalena Leym geb. Keverich (* 19. Dezember 1746). Aus der Ehe gingen sieben Kinder hervor, von denen nur drei das Säuglingsalter überlebten: Ludwig, Kaspar Karl (getauft 8. April 1774) und Nikolaus Johann (getauft 2. Oktober 1776). Die Geburt eines Bruders gleichen Namens Anfang April 1769 trug später zu Ludwig van Beethovens Verunsicherung über sein tatsächliches Alter bei.

Als zweites Kind wurde Ludwig van Beethoven am 17. Dezember 1770 in der damaligen St.-Remigius-Kirche getauft; die Kirche brannte 1800 ab und ist nicht mit der heutigen St.-Remigius-Kirche an anderer Stelle zu verwechseln. Geboren wurde er wahrscheinlich am 16. Dezember in der Wohnung der Familie im Haus Nr. 515 (heute Haus Nr. 20) in der Bonngasse.

Obwohl Beethoven erst drei Jahre alt war, als sein Großvater am 24. Dezember 1773 starb, verklärte er diesen zur Identifikationsfigur der Familie.
Ausbildung und Erziehung

Johann van Beethoven erkannte früh die außerordentliche Begabung seines Sohnes und sorgte für eine solide Musikausbildung, an der auch Kollegen der Hofkapelle mitwirkten: der Hoforganist Gilles van den Eeden, der Sänger Tobias Pfeifer, die Violinisten Franz Georg Rovantini und Franz Ries und andere. Über Johann van Beethovens Unterricht sind gewalttätige Übergriffe auf seinen Sohn überliefert.[6] Ob diese Berichte regelmäßige oder vereinzelte Vorfälle schildern, ist unklar. Im Alter von sieben Jahren trat Beethoven zum ersten Mal öffentlich als Pianist auf.
Porträt des 13-jährigen Beethovens von einem unbekannten Bonner Maler (ca. 1783)

1782 trat der Komponist und Kapellmeister Christian Gottlob Neefe die Nachfolge van den Eedens als Hoforganist an. Neefe erteilte Beethoven zeitweise Klavier- und Kompositionsunterricht und vermittelte die Veröffentlichung erster Klavierkompositionen: der Variationen über einen Marsch von Dressler WoO 63 und der sogenannten Kurfürstensonaten WoO 47. Ob ihm allerdings die herausragende Rolle als Lehrer Beethovens zukommt, die ihm in der Literatur zugeschrieben wurde, ist zweifelhaft. 1782 wurde Beethoven Stellvertreter Neefes an der Orgel, zwei Jahre später erhielt er eine feste Anstellung als Organist. Darüber hinaus wirkte er als Cembalist und Bratschist in der Hofkapelle. Im Zusammenhang mit einer Neuorganisation der Hofmusik durch Maximilian Franz, den Nachfolger des verstorbenen Kurfürsten Max Friedrich, kam es 1784 zum Bruch zwischen Beethoven und Neefe.

Beethovens Schulbildung ging über Grundlegendes wie Lesen, Schreiben und Rechnen kaum hinaus. Zusätzlich erhielt er aber zeitweise Privatunterricht in Latein, Französisch und Italienisch.[9] Geistige Anregung erhielt er darüber hinaus von Freunden aus Bonner Bürgerkreisen, besonders von dem Medizinstudenten und späteren Arzt Franz Gerhard Wegeler sowie von der Familie von Breuning, zu der Beethoven eine geradezu familiäre Beziehung pflegte. Die Freundschaft zu Wegeler und zu Stephan von Breuning dauerte trotz gelegentlicher Krisen lebenslang.

Am Hof des Kurfürsten Maximilian Franz herrschte ein liberales Klima. Aufklärerisches Gedankengut wurde u. a. in den Kreisen des Illuminatenordens, einer den Freimaurern nahestehenden Geheimgesellschaft, gepflegt. Zahlreiche Hofmusiker waren Mitglied der Bonner Loge, Neefe stand ihr vor. Nach dem Verbot der Illuminaten 1785 sammelten sich ihre Bonner Mitglieder in der 1787 gegründeten Lese- und Erholungsgesellschaft. Durch den an der Bonner Universität lehrenden Eulogius Schneider kam Beethoven auch früh mit den Ideen der Französischen Revolution in Berührung.[10]
Studienreise nach Wien

1784 schrieb Neefe über Beethoven, er werde „gewiß ein zweyter Wolfgang Amadeus Mozart werden, wenn er so fortschritte, wie er angefangen“.[11] Bei Maximilian Franz, Kurfürst seit 1784 und erklärter Liebhaber der Musik Mozarts, traf diese Einschätzung auf fruchtbaren Boden. Ende Dezember 1786 brach Beethoven zu einer von Max Franz geförderten Reise nach Wien auf, um Kompositionsschüler Mozarts zu werden. Als Beethoven nach etwa dreimonatigem Aufenthalt die Rückreise antrat, unterbrach er diese mehrfach, um in Regensburg, München und Augsburg Station zu machen.[12] Im Mai 1787 kehrte er nach Bonn zurück. Es ist nicht bekannt, ob es überhaupt zu einer Begegnung mit Mozart kam; für einen Unterricht durch das Vorbild fehlt jeder Beleg, und der Kurfürst zeigte sich von den Ergebnissen der Reise entsprechend enttäuscht.[13] Der Grund für das Scheitern des Plans ist unklar.
Letzte Bonner Jahre und Abschied von Bonn

Zurück in Bonn traf Beethoven auf eine dramatisch veränderte familiäre Situation. Der Gesundheitszustand der an der „Schwindsucht“ erkrankten Mutter hatte sich in kritischer Weise verschlechtert. Sie verstarb am 17. Juli 1787. Der Vater verlor zunehmend die Kontrolle über seinen ohnehin hohen Alkoholkonsum, sodass er schließlich nicht mehr in der Lage war, für seine drei Söhne zu sorgen. 1789 wurde er vom Dienst suspendiert, und Ludwig als ältestem Sohn wurde die Verfügungsgewalt über die Hälfte der Pension des Vaters erteilt, wodurch ihm faktisch die Rolle des Familienoberhauptes zufiel.

Mitte September 1791 kam Beethoven als Organist und Bratschist der Bonner Hofkapelle zu einem Generalkapitel des Deutschen Ordens nach Mergentheim. Die Reise der kurkölnischen Hofkapelle ging auf zwei Schiffen vonstatten, die über Rhein und Main bis Miltenberg fuhren. Beethoven, von seinen Freunden seines bräunlichen Teints und der schwarzen Augen wegen Spagnol genannt, agierte hierbei als Küchenjunge. Von Miltenberg ging es mit der Kutsche weiter nach Mergentheim, wo sich Beethoven bis Ende Oktober 1791 aufhielt.[14]

Durch seinen Eintritt in den Deutschen Orden kam der aus Wien stammende Graf Ferdinand Ernst von Waldstein nach Bonn. Er wurde Beethovens erster adeliger Förderer, regte ihn zu Kompositionen an, so zur Musik zu einem Ritterballett WoO 1 und zu den Variationen über ein Thema von Graf Waldstein WoO 67, und nutzte seinen Einfluss auf den Kurfürsten, um ihn zur Fortsetzung der Förderung Beethovens zu bewegen.

Als im Juli 1792 Joseph Haydn auf dem Rückweg einer Englandreise in Bonn Station machte, wurde ein zweiter Studienaufenthalt Beethovens in Wien vereinbart. Nachdem Mozart bereits verstorben war, sollte er nun – nach einem Stammbucheintrag Waldsteins – „Mozart’s Geist aus Haydens Händen“ erhalten.[15] Noch im November desselben Jahres brach Beethoven nach Wien auf. Das Hammerklavier im Beethovenhaus Baden, auf dem Ludwig van Beethoven gespielt hat, soll restauriert und bis 2020 zu seinem 250. Geburtstag wieder spielbar gemacht werden.[16][17]
Die erste Wiener Dekade (1792–1802)
Einer der zahlreichen Wohnorte Beethovens in Wien (Sommer 1817)[18]
Neuorientierung

Eine Folge von Ereignissen bewirkte, dass aus Beethovens Studienreise nach Wien ein dauerhafter und endgültiger Aufenthalt wurde. Kurz nach Beethovens Ankunft, am 18. Dezember 1792, starb sein Vater. 1794 besetzten französische Truppen das Rheinland, und der kurfürstliche Hof musste fliehen. Damit war Beethoven nicht nur der Boden für die Rückkehr nach Bonn entzogen, auch die Gehaltszahlungen des Kurfürsten blieben nun aus. Im Frühjahr 1794 schließlich übersiedelte sein Bruder Kaspar Karl nach Wien, im Dezember 1795 folgte auch Bruder Johann.

In Wien fand Beethoven bald die Unterstützung adeliger Musikliebhaber, die ihm halfen, in der neuen Heimat Fuß zu fassen, darunter Fürst Franz Joseph Maximilian von Lobkowitz und Gottfried Freiherr van Swieten. Eine besondere Rolle spielte Fürst Karl Lichnowsky; in seinem Haus knüpfte Beethoven Kontakte zu Wiener Musikerkreisen und lernte den Geiger Ignaz Schuppanzigh kennen, der als Interpret wesentlich zur Verbreitung seiner Werke beitragen sollte. Lichnowsky stellte Beethoven zeitweise eine Wohnung in seinem Haus zur Verfügung.

Ab 1800 zahlte Lichnowsky an Beethoven ein jährliches Gehalt in Höhe von 600 Gulden und schuf damit für die folgenden Jahre die Grundlage für eine unabhängige künstlerische Existenz.[19]
Unterricht bei Haydn und anderen

Wie vereinbart nahm Beethoven bei Haydn Kompositionsunterricht, der von Beethovens Ankunft in Wien (November 1792) bis kurz vor Haydns Abreise nach England (19. Januar 1794) gedauert hat.[20] Das Verhältnis zwischen dem renommierten Lehrer und dem eigenwilligen, selbstbewussten Schüler blieb nicht frei von Meinungsverschiedenheiten und Konflikten; so, als Haydn Bedenken gegen Beethovens Klaviertrio op. 1 Nr. 3 äußerte, da er es für zu schwer verständlich hielt.[21] Auch wenn Beethoven einmal über seinen Lehrer gesagt haben soll, „nie etwas von ihm gelernt“[22] zu haben, so prägten Haydns Werke doch Beethovens Entwicklung als Komponist nachhaltig, vor allem auf den Gebieten der Sinfonie und der Kammermusik.

Allerdings scheint Beethoven mit Haydn als Lehrer unzufrieden gewesen zu sein. Heimlich nahm er Unterricht bei Johann Baptist Schenk. Ab 1794 studierte er Kontrapunkt bei Johann Georg Albrechtsberger, und von Antonio Salieri ließ er sich in der Gesangskomposition unterweisen.
Pianist und Komponist

Beethovens Erfolge als Komponist hängen anfangs eng mit seiner Karriere als Klaviervirtuose zusammen. In den ersten zehn Jahren in Wien entstanden allein 20 seiner 32 Klaviersonaten, darunter die Grande Sonate pathétique op. 13 in c-Moll und die beiden Sonaten op. 27, deren zweite unter der (nicht von Beethoven stammenden) Bezeichnung „Mondscheinsonate“ bekannt wurde; der Titelzusatz „quasi una fantasia“ deutet an, dass die Improvisation am Klavier eine wichtige Inspirationsquelle für den Komponisten war.

Am 29. März 1795 trat Beethoven mit seinem Klavierkonzert B-Dur op. 19 erstmals als Pianist an die Wiener Öffentlichkeit. Besonderes Aufsehen erregte er auch durch seine herausragende Fähigkeit zum freien Fantasieren. 1798 unternahm der junge Virtuose eine Konzertreise unter anderem nach Prag, Dresden und Berlin, die ein großer künstlerischer und finanzieller Erfolg wurde. Die von Lichnowsky initiierte Tournee folgte der Route der Reise, die der Fürst 1789 mit Mozart unternommen hatte.[23]

Die ersten Kompositionen, die Beethoven drucken ließ, waren die drei 1794/95 entstandenen Klaviertrios, die er mit der Opusnummer 1 versah. In den folgenden Jahren setzte sich Beethoven mit zwei weiteren zentralen Gattungen der Klassik auseinander: dem Streichquartett und der Sinfonie. Zwischen 1798 und 1800 komponierte er, nach intensivem Studium der Quartette Haydns und Mozarts, eine erste Serie von sechs Quartetten, die er als op. 18 dem Fürsten Lobkowitz widmete. Kurz darauf, 1800 und 1802, präsentierte sich Beethoven als Sinfoniker. Die Widmung der 1. Sinfonie op. 21 in C-Dur ging an van Swieten, die der 2. Sinfonie op. 36 in D-Dur an den Fürsten Lichnowsky.
Gehörleiden

Beethovens wachsender Erfolg als Pianist und Komponist wurde von einer schwerwiegenden Beeinträchtigung überschattet: Etwa um 1798 zeigten sich erste Symptome jenes Gehörleidens, das schließlich zur Taubheit führen sollte. Nach Beethovens eigenem Bericht[24][25] aus dem Jahr 1801 verschlimmerte sich das Leiden innerhalb weniger Jahre; es scheint jedoch in den Folgejahren einige Zeit stagniert zu haben.

Die Ursache der Erkrankung ist Gegenstand zahlreicher Untersuchungen.[26][27][28] Zu den möglichen Ursachen zählen eine Atrophie der Gehörnerven oder eine Otosklerose.[29]

Beethovens Gehörleiden stellte nicht nur eine ernste Bedrohung seiner Laufbahn als Musiker dar; es beeinträchtigte auch seinen gesellschaftlichen Umgang. Die Krankheit stürzte Beethoven in eine schwere persönliche Krise, die ihn zeitweilig sogar an Selbstmord denken ließ. Beethoven offenbarte seinen Seelenzustand im sogenannten Heiligenstädter Testament,[30] einem Schriftstück, das er im Oktober 1802 am Ende einer Kur in Heiligenstadt verfasste, nachdem auch diese ohne den erhofften Erfolg geblieben war.
Die mittleren Wiener Jahre (etwa 1802 – etwa 1812)

Die mittleren Wiener Jahre, vom Beethoven-Biographen Maynard Solomon als die „heroische Periode“[32] bezeichnet, sind, der Beeinträchtigung durch das Gehörleiden zum Trotz, die produktivste Phase in Beethovens Schaffensbiographie. Beethoven hatte zu dieser Zeit einen eigenen unverwechselbaren Stil entwickelt.

Sechs der neun Sinfonien komponierte Beethoven allein zwischen Herbst 1802 und 1812, darunter so bekannte Werke wie die 3. Sinfonie Eroica, die 5. Sinfonie und die 6. Sinfonie Pastorale. Darüber hinaus entstanden das 4. und 5. Klavierkonzert sowie die Endfassung des 3. Klavierkonzerts, das Violinkonzert op. 61 und die fünf „mittleren“ Streichquartette op. 59 Nr. 1–3, op. 74 und op. 95.

Auch die erste Fassung seiner einzigen Oper Fidelio komponierte Beethoven in dieser Zeit. Am 20. November 1805 wurde sie unter dem ursprünglichen Titel Leonore zum ersten Mal aufgeführt, in der Folge aber noch zweimal überarbeitet.

Seinen bis dahin größten Erfolg erzielte Beethoven 1813/1814 mit den Aufführungen eines eigens aus Anlass des Wiener Kongresses komponierten Werkes, Wellingtons Sieg oder Die Schlacht bei Vittoria op. 91, das den entscheidenden Sieg der Engländer über die napoleonischen Truppen schildert und damit beim Publikum den Geist der Zeit traf.
Französische Einflüsse

Die Französische Revolution und Napoleon Bonaparte hatten auf Beethoven einen starken Eindruck gemacht und wirkten sich nachweislich auf sein Schaffen aus.

So hatte Beethoven die 3. Sinfonie Eroica ursprünglich mit dem Zusatz „intitulata Bonaparte“ oder „geschrieben auf Bonaparte“ versehen wollen. Eine Anekdote berichtet, Beethoven habe den Titelzusatz wütend entfernt, nachdem Napoléon im Dezember 1804 sich selbst zum Kaiser gekrönt hatte.[33] Wahrscheinlich hängt die Änderung des ursprünglichen Titels eher mit einer geplanten, aber letztlich nicht durchgeführten Reise nach Paris[34] zusammen.

Auf eine französische Revolutionsoper, Léonore ou L’amour conjugal (Leonore oder Die eheliche Liebe) von Jean Nicolas Bouilly, geht der Stoff zurück, den Beethoven in seiner Oper Fidelio verarbeitete, und in seiner 5. Sinfonie in c-Moll op. 67 griff er Elemente der sogenannten Revolutionsmusik auf; ein Stil, den französischen Komponisten wie André-Ernest-Modeste Grétry, Étienne-Nicolas Méhul und Luigi Cherubini Ende des 18. Jahrhunderts geprägt hatten.[35]
Mäzene und Lebensunterhalt

Im Verhältnis zwischen Beethoven und seinem bis dahin wichtigsten Mäzen, dem Fürsten Lichnowsky, kam es im Laufe der Jahre zu einer zunehmenden Entfremdung. Die Spannungen eskalierten im Herbst 1806 bei einem Aufenthalt Beethovens auf Schloss Grätz (tschechisch Hradec) bei Troppau (tschechisch Opava), dem Sitz des Fürsten, in einer ernsten Auseinandersetzung. Etwa zur gleichen Zeit, 1806 oder 1807, stellte Lichnowsky, der in jenen Jahren außerordentlich hohe finanzielle Verpflichtungen zu erfüllen hatte, die jährlichen Gehaltszahlungen an den Komponisten ein.[36]

Zwar bezog Beethoven neben dem fürstlichen Gehalt nicht unerhebliche Einkünfte aus Verlagsverträgen und Konzerteinnahmen, doch garantierten diese keine dauerhafte finanzielle Absicherung. Daher bewarb sich Beethoven im Dezember 1807 – vergeblich – bei der k.k. Hoftheaterdirektion um eine Anstellung und erwog darüber hinaus, Wien zu verlassen.[37] Eine entsprechende Gelegenheit bot sich, als ihn Friedrich Ludwig III. Graf Truchsess zu Waldburg im November 1808 als Kapellmeister an den Hof Jérôme Bonapartes nach Kassel berief.[38]

Durch eine Initiative Ignaz von Gleichensteins und der Gräfin Marie Erdődy, die zu Beethovens engstem Freundeskreis gehörten, gelang es, Beethoven in Wien zu halten. Am 1. März 1809 sicherten Erzherzog Rudolph, Franz Joseph Fürst Lobkowitz und Ferdinand Fürst Kinsky dem Komponisten per Dekret ein festes jährliches Gehalt zu unter der einzigen Bedingung, dass Beethoven in Wien wohnen bliebe (der sogenannte Rentenvertrag).[39] Die Hoffnung Beethovens auf finanzielle Unabhängigkeit erhielt jedoch nach kurzer Zeit gleich mehrere Rückschläge: die Geldentwertung durch das sogenannte Finanzpatent im Frühjahr 1811, der Tod des Fürsten Kinsky im folgenden Jahr und der drohende Bankrott des Fürsten Lobkowitz 1813. Dadurch war Beethoven gezwungen, die Fortsetzung der Zahlungen gerichtlich einzuklagen.[40]
Begegnung mit Bettina Brentano und Goethe

Beethovens Wertschätzung Johann Wolfgang von Goethes begann sich seit den 1790er Jahren vor allem in seinen Liedkompositionen niederzuschlagen. 1809/1810 kumulierte die kompositorische Beschäftigung mit dem Dichter in den Liederzyklen op. 75 und op. 83 sowie der Schauspielmusik zu Egmont op. 84.

Während ihres Wienaufenthalts im Frühjahr-Sommer 1810 lernte Beethoven Ende Mai Bettina Brentano kennen, die Schwester des Dichters Clemens Brentano. Sie gewann sein Vertrauen und nutzte ihre Freundschaft zu Goethe, ein Treffen der beiden Künstlerpersönlichkeiten anzuregen. Durch die literarisch stark überformten Darstellungen ihrer Beziehung zu Beethoven hat Bettina Brentano später das romantische Beethoven-Bild maßgeblich mit geprägt.[41]

Zur lange angebahnten Zusammenkunft zwischen Beethoven und Goethe kam es im Juli 1812 (19., 20., 21. und 23.), als sich beide im böhmischen Kurbad Teplitz aufhielten. Das Ergebnis war eher durchwachsen: Am 19. Juli schrieb Goethe an seine Frau: „Zusammengefaßter, energischer, inniger habe ich noch keinen Künstler gesehen. Ich begreife recht gut, wie er gegen die Welt wunderlich stehen muß.“[42] Und am 12. September 1812 schrieb Goethe aus Karlsbad an seinen Freund Carl Friedrich Zelter, den Leiter der Berliner Sing-Akademie: „Beethoven habe ich in Teplitz kennengelernt. Sein Talent hat mich in Erstaunen gesetzt; allein er ist leider eine ganz ungebändigte Persönlichkeit, die zwar gar nicht unrecht hat, wenn sie die Welt detestabel findet, aber sie freilich dadurch weder für sich noch für andre genußreicher macht. Sehr zu entschuldigen ist er hingegen und sehr zu bedauern, da ihn sein Gehör verläßt, was vielleicht dem musikalischen Teil seines Wesens weniger als dem geselligen schadet. Er, der ohnehin lakonischer Natur ist, wird es nun doppelt durch diesen Mangel.“[43] Dagegen schrieb Beethoven lakonisch am 9. August von Franzensbad an seinen Verleger Härtel: „Göthe behagt die Hofluft sehr, mehr als einem Dichter ziemt. Es ist nicht vielmehr über die Lächerlichkeiten der Virtuosen hier zu reden, wenn Dichter, die als die ersten Lehrer der Nation angesehen sein sollten, über diesem Schimmer alles andere vergessen können.“[44]
Beziehungen zu Frauen und die „Unsterbliche Geliebte“

Zwar war Beethoven nach einer Aussage von Franz Gerhard Wegeler „sehr häufig verliebt“,[45] doch bezog sich dies nur auf eine kurze Periode in den 1790er Jahren, als Wegeler in Wien war. Frauen spielten jedoch in vieler Hinsicht eine große Rolle in Beethovens Leben: als Freundinnen und Vertraute, als Interpretinnen oder als Widmungsempfängerinnen.
Johanna von Honrath

Beethovens erste große Liebe galt Johanna von Honrath. Sein Jugendfreund Franz Gerhard Wegeler schreibt über die Bonner Jugendzeit des Komponisten: „Seine und Stephan von Breuning’s erste Liebe war Fräulein Jeanette d’Honrath aus Köln, Neumarkt Nro. 19. (jetziges Wohnhaus des Baumeisters Herrn Biercher), die oft einige Wochen in der von Breuning’schen Familie in Bonn zubrachte. Sie war eine schöne, lebhafte Blondine, von gefälliger Bildung und freundlicher Gesinnung, welche viele Freude an der Musik und eine angenehme Stimme hatte.“[46]
Maria Anna Wilhelmine von und zu Westerholt-Gysenberg

Maria Anna Wilhelmine von und zu Westerholt-Gysenberg war wohl ebenfalls eine Jugendliebe Beethovens. Er selbst spricht sie in seinem Brief als „ma très cher amie“[47] (deutsch „meine sehr liebe Freundin“') an, was eher für eine innige Freundschaft als für Liebe spricht. Sein Jugendfreund Franz Gerhard Wegeler schreibt dagegen einige Jahre später über Beethovens erste Liebe von einen Fräulein v. W. – wobei er unbekannt lässt, welche Person er damit meinte:

„Darauf folgte die liebevollste Zuneigung zu einer schönen und artigen Fräulein v. W., von welcher Werther-Liebe Bernhard Romberg mir vor drei Jahren noch Anecdoten erzählte. Diese Liebschaften fielen jedoch in das Uebergangs-Alter und hinterließen eben so wenig tiefe Eindrücke, als sie deren bei den Schönen erweckt hatten.“
Gräfin Marie von Erdődy

Zu Beethovens längsten und treuesten Freundinnen gehörte die Gräfin Marie von Erdődy (1779–1837). Mehrere seiner Werke sind ihr gewidmet. Sie besaß außer ihrer Stadtwohnung ein Haus in Jedlesee, in dem Beethoven 1815 gewohnt haben soll. In der älteren Literatur wird verschiedentlich vermutet, dass es eine kurzzeitige Liebesbeziehung zwischen Beethoven und der Gräfin gab, was jedoch reine Spekulation ist.
Gräfin Josephine Brunsvik

Besonders freundschaftlich wurde Beethoven von der ungarischen Familie Brunsvik aufgenommen. Die Schwestern Therese, Josephine, Charlotte und ihr Bruder Franz begegneten dem Komponisten erstmals 1799.[49] Als die Familie nach 18 Tagen wieder in ihre ungarische Heimat zurückkehrte, schrieb Beethoven in Josephines und Thereses Album einen Auszug von Goethes Gedicht „Ich denke dein“.

Auf Drängen der Mutter, die ihre schöne Tochter mit einem wohlhabenden Adligen vermählen wollte, heiratete Josephine Brunsvik noch im Sommer 1799 den Grafen Joseph von Deym, zog zu ihm nach Wien und gebar in ihrer kurzen Ehe vier Kinder. In dieser Zeit war Beethoven Josephines Klavierlehrer und regelmäßiger „standhafter Besucher der jungen Gräfin“.[50] Nachdem Graf Deym Anfang 1804 unerwartet gestorben war, entwickelte sich zwischen Beethoven und Josephine eine Liebesbeziehung. Zwischen 1804 und 1809 schrieb Beethoven Josephine mindestens vierzehn teils leidenschaftliche Liebesbriefe, in denen er sie unter anderem als „Engel“, „mein Alles“ und als seine „einzig Geliebte“ bezeichnete und ihr „ewige Treue“ schwor. Der Briefwechsel, soweit erhalten, dokumentiert aber auch die seelischen Konflikte des Paares, die aus dem Widerspruch zwischen ihren persönlichen Gefühlen und den Zwängen der Realität resultierten:[51] Josephine hatte vier Kinder zu versorgen, und im Falle einer Heirat mit dem nichtadligen Beethoven hätte sie die Vormundschaft für sie verloren.[52] Im Herbst 1807 zog sich Josephine schließlich auf Druck ihrer Familie von Beethoven zurück. Bereits 1805 hatte Therese voller Besorgnis an Charlotte geschrieben: „Aber sage mir, Pepi und Beethoven, was soll daraus werden? Sie soll auf ihrer Hut sein! … Ihr Herz muß die Kraft haben nein zu sagen, eine traurige Pflicht, wenn nicht die traurigste aller.“[53]

1810 ging Josephine eine zweite Ehe mit dem estnischen Baron Christoph von Stackelberg ein, die sich für sie äußerst unglücklich entwickelte. Ende Juni/Anfang Juli 1812 verließ Stackelberg sie. In ihrem Tagebucheintrag vom 8. Juni 1812 heißt es: „Ich habe heute einen schweren Tag. – Die Hand des Schicksals ruht düster auf mir – Ich sah nebst meinem tiefen Kummer auch noch die Entartung meiner Kinder und – fast – aller Muth wich von mir –!!!“[54] Kurz darauf notierte sie in ihrem Tagebuch, dass sie beabsichtigte, nach Prag zu reisen: „St. will daß ich mir selbst sitzen soll [er hat mich sitzen gelassen]. er ist gefühllos für bittende in der Noth. […] Ich will Liebert in Prague [!] sprechen. ich will die Kinder nie von mir lassen. […] Ich habe Stackb zu liebe [mich] physisch zugrunde gerichtet indem ich […] noch so viele Kummer und Krankheit durch ihn zugezogen habe.“[55] In Prag traf Beethoven am 3. Juli seine „Unsterbliche Geliebte“.

1817 notierte Therese, die weiterhin mit Beethoven in Verbindung blieb, in ihrem Tagebuch über ihre kranke Schwester: „Ob Josephine nicht Strafe leidet wegen Luigi’s Weh? Seine Gattin – was hätte sie nicht aus dem Heros gemacht!“[56] Eine Tagebuchnotiz Thereses von 1848 lautet: „Ich Glückliche hatte Beethovens intimen, geistigen Umgang so viele Jahre! Josephinens Haus- und Herzensfreund! Sie waren füreinander geboren und lebten beide noch, hätten sie sich vereint.“[57]

Zahlreiche Beethoven-Forschende, vor allem im deutschsprachigen Raum, darunter La Mara, Siegmund Kaznelson, Harry Goldschmidt, Brigitte und Jean Massin, Marie-Elisabeth Tellenbach, Carl Dahlhaus und Rita Steblin, halten Josephine für Beethovens „Unsterbliche Geliebte“.
Gräfin Giulietta Guicciardi

Über die Schwestern Brunsvik lernte Beethoven um 1801/02 auch deren Cousine Gräfin Giulietta Guicciardi (1782–1856) kennen und verliebte sich kurzzeitig in sie. Er war sich jedoch darüber im klaren, dass eine Heirat wegen des Standesunterschiedes nicht in Frage kam.[58] Außerdem war sie bereits mit dem Grafen Wenzel von Gallenberg verlobt, den sie 1803 heiratete.[59] Beethoven widmete ihr 1802 die als „Mondscheinsonate“ bekannte Sonata quasi una Fantasia, op. 27 Nr. 2.
Therese von Zandt

Eine weitere mutmaßliche Geliebte Beethovens war Therese von Zandt, die zur Zeit ihrer siebenmonatigen Liaison mit dem Komponisten Stiftsdame im freiweltlichen Damenstift Asbeck war. Therese von Zandt veröffentlichte ab 1798 unter dem Kürzel Z. als erste Frau Beiträge in der Leipziger Allgemeinen musikalischen Zeitung. Möglicherweise war sie es, die Beethoven den Stoff zu seiner einzigen Oper Fidelio empfahl, als sie im Auftrag der Zeitung vom 5. Dezember 1803 bis zum 5. Juli 1804 nach Wien reiste. Jean-Nicolas Bouillys Libretto zur Oper Léonore ou L’amour conjugaldes Fidelio, auf dem der Fidelio-Stoff basiert, wurde damals von Friedrich Rochlitz, Begründer und Redakteur der Allgemeinen musikalischen Zeitung, erstmals aus dem Französischen ins Deutsche übersetzt.[60] Ein Porträt aus Beethovens Besitz, von dem man 200 Jahre lang annahm, es zeige Giulietta Guicciardi, ist nach Forschungen von Klaus Martin Kopitz vermutlich Therese von Zandt zuzuschreiben.[61]
Marie Bigot

Mit der französischen Pianistin Marie Bigot verkehrte Beethoven insbesondere im Jahre 1807. Die Freundschaft kam wahrscheinlich zustande, da Maries Gatte Paul Bigot bei Beethovens Gönner, dem Grafen Andrej Rasumowsky, als Bibliothekar tätig war. Von der Beziehung zeugen mehrere Briefe Beethovens. Er schenkte Marie auch das Autograph seiner berühmten Appassionata, das sich heute in der Bibliothèque nationale de France in Paris befindet. Anfang März 1807 lud Beethoven Marie zu einer Spazierfahrt ein, als ihr Mann abwesend war.[62] Dessen offensichtlich eifersüchtige Reaktion veranlasste Beethoven, kurz darauf einen Entschuldigungsbrief an das Ehepaar zu schreiben, in dem er betonte: „[…] ohnedem ist es einer meiner ersten Grundsätze nie in einem andern als Freundschaftlichen Verhältniß mit der Gattin eines andern zu stehen.“[63]
Elisabeth Röckel

Etwa im Frühjahr 1808 begegnete Beethoven erstmals der damals 15-jährigen Sängerin Elisabeth Röckel, der Schwester des Tenors Joseph August Röckel, der in den Fidelio-Aufführungen von 1806 die Partie des Florestan übernommen hatte. Zusammen mit ihrem Bruder wohnte sie in einer Dienstwohnung des Theaters an der Wien, wo sie als „Elis. [!] Rökel“ verzeichnet wurde und sich mit der gleichfalls dort lebenden Sängerin Anna Milder-Hauptmann befreundete, von der sie in einem Brief tatsächlich mit „Elise“ [!] angeredet wurde.[64] Nach einer zweifelhaften Aussage von Anton Schindler gegenüber Gerhard von Breuning wollte Beethoven sie heiraten. Sie selbst hat das später bestritten, berichtete aber mehrfach, dass Beethoven ihr sehr zugetan war. In ihrem offiziellen Nekrolog heißt es: „Zu ihren Verehrern gehörte auch Beethoven.“[65] 2010 stellte Klaus Martin Kopitz die These auf, Beethoven habe für sie am 27. April 1810 sein berühmtes Albumblatt „Für Elise“ komponiert.[66] 2015 veröffentlichte er weitere, bislang unbekannte Quellen über ihre Beziehung zu Beethoven.[67] Das Autograph des Albumblattes war später im Besitz von Therese Malfatti, aus deren Nachlass es nach München zu der Lehrerin Babette Bredl gelangte, der Mutter von Malfattis Hausfreund und Erbe Rudolph Schachner. Bredl lieh das Autograph Ludwig Nohl, der es abschrieb und publizierte. Obwohl er ausdrücklich erklärte, es sei „nicht für Therese geschrieben“, sind mehrere Beethoven-Forscher der Ansicht, sie sei dennoch als Widmungsempfängerin anzusehen.

Elisabeth Röckel heiratete 1813 Johann Nepomuk Hummel und zog mit ihm nach Weimar, kam aber im März 1827 noch einmal nach Wien. Auf Wunsch des sterbenden Beethoven besuchte sie diesen mehrfach und erhielt zum Andenken eine Locke des Komponisten und dessen letzte Schreibfeder. Die Reliquien sind seit 2012 im Besitz des Beethoven Center der San José State University.[68] Kurz nach dem Tode des Komponisten gestand sie Schindler, „welch’ tiefe Wurzeln ihre einstige Liebe zu Beeth. geschlagen u noch immer in ihr lebe.“[69]

Der Musikwissenschaftler Michael Lorenz bezweifelte 2011, dass Elisabeth sich „Elise“ nannte, da dies nur durch wenige Quellen zu belegen ist. Wie er aber gleichfalls bemerkt, „wurde im Wien des Vormärz zwischen den Namen Elisabeth und Elise nicht mehr unterschieden, sie waren austauschbar und quasi identisch“.[70]
Therese von Malfatti

Eine weitere Frau in Beethovens Leben war Therese Malfatti. Beethoven lernte sie 1809 durch seinen Freund Ignaz von Gleichenstein kennen, der 1811 Thereses Schwester Anna heiratete. Im Frühjahr 1810, angesichts Josephine Brunsviks Wiederverheiratung, plante Beethoven offenbar, Therese Malfatti einen Heiratsantrag zu machen, und ließ sich dafür von seinem Freund Franz Gerhard Wegeler in Bonn eine Abschrift seines Taufscheins besorgen. Als dann Therese von Malfatti seinen Antrag aber abwies – ihre Familie war aus Standesrücksichten ebenfalls dagegen –, überwand Beethoven diese Ablehnung vergleichsweise leicht. Therese blieb danach freundschaftlich mit ihm verbunden.[71]
Antonie Brentano

Ende Mai 1810 lernte Beethoven durch Bettina Brentano deren Schwägerin Antonie Brentano kennen, die von 1809 bis 1812 in Wien lebte, um den umfangreichen Nachlass ihres verstorbenen Vaters Johann Melchior Edler von Birkenstock zu verkaufen. Sie schrieb im März 1811 in einem Brief an Bettina, Beethoven sei ihr „einer der liebsten Menschen“ geworden und besuche sie „beinahe täglich“.[72] Zwischen dem Ehepaar Franz und Antonie Brentano und Beethoven entwickelte sich eine freundschaftliche Beziehung, die Antonie in ihrem Tagebuch als „Wahlverwandtschaft“ bezeichnete.[73] Sie besaß auch das Autograph von Beethovens Lied An die Geliebte, WoO 140, auf dem von ihrer Hand vermerkt ist: „den 2n März 1812 mir vom Author erbethen“.[74] Dieses Lied hatte Beethoven kurz zuvor der bayerischen Sängerin Regina Lang ins Stammbuch geschrieben.[75] 1972 stellte Maynard Solomon die Hypothese auf, Beethovens Brief an die Unsterbliche Geliebte vom 6./7. Juli 1812 sei an Antonie Brentano gerichtet. Antonie reiste mit ihrer Familie von Prag nach Karlsbad weiter. Obwohl sich nicht beweisen lässt, dass Beethoven in Prag mit Antonie zusammentraf,[76] und die „Unsterbliche Geliebte“ möglicherweise doch nicht nach „K“ ging,[77] haben sich mittlerweile zahlreiche Beethoven-Forscher dieser Hypothese angeschlossen, darunter Yayoi Aoki, Barry Cooper, William Kinderman, Klaus Martin Kopitz, Lewis Lockwood[78] und Susan Lund.
„Unsterbliche Geliebte“

Beethovens Brief an die Unsterbliche Geliebte, den er am 6./7. Juli 1812 in Teplitz während einer Reise in die böhmischen Kurbäder verfasste, ist neben dem Heiligenstädter Testament das bedeutendste Selbstzeugnis des Komponisten.[79] Er richtet sich an eine namentlich nicht genannte Frau, mit der es kurz zuvor, am 3. Juli in Prag, zu einer für die Zukunft der Beziehung entscheidenden Begegnung gekommen war. Aus dem Brief geht unter anderem die gegenseitig eingestandene Liebe hervor und die Hoffnung auf eine dauerhafte Verbindung der Liebenden, der aber offenbar große Hindernisse entgegenstehen. Die Identität der „Unsterblichen Geliebten“ ist unter Beethoven-Forschern umstritten.
Krise und letzte Jahre (etwa 1812–1827)
Lebenskrise

Vom Jahr 1812 an begann sich Beethovens Lebenssituation deutlich zum Schlechteren zu verändern. Zu den schicksalhaften Ereignissen um die „Unsterbliche Geliebte“ kamen materielle Sorgen im Zusammenhang mit dem Rentenvertrag und eine Verschlimmerung des Gehörleidens bis hin zur völligen Taubheit. Von etwa 1813 an verwendete Beethoven Hörrohre, um mit seiner Umgebung zu kommunizieren, ab 1818 ist der Gebrauch sogenannter Konversationshefte nachzuweisen, worin die Gesprächspartner ihre Äußerungen notierten.[80] Aufgrund seiner fortgeschrittenen Schwerhörigkeit war es ihm nicht mehr möglich, als Pianist aufzutreten.

Am 15. November 1815 starb Beethovens Bruder Kaspar Karl und hinterließ einen neun Jahre alten Sohn. Beethoven verstrickte sich in einen über Jahre andauernden, zermürbenden Rechtsstreit mit seiner Schwägerin Johanna um die Vormundschaft über seinen Neffen Karl, in dessen Verlauf ihm diese wechselweise zu- und wieder abgesprochen wurde. In seiner Funktion als Ersatzvater scheiterte Beethoven mit dem Versuch, den Schützling seinen moralisch überzogenen Erziehungszielen zu unterwerfen.[81]
Neue Kompositionspläne und letzte Werke

Gleichzeitig mit Beethovens persönlicher Krise vollzog sich ein Wandel seines kompositorischen Stils. 1813 bis 1814 war er zunächst mit der Komposition von Wellingtons Sieg sowie einer gründlichen Revision seiner Oper Leonore zu Fidelio beschäftigt. In den Folgejahren wandte sich Beethoven noch einmal intensiv der Klaviersonate zu. Es entstanden die Sonaten op. 90 (1814), op. 101 (1815–1817) und op. 106 („Hammerklavier-Sonate“, 1817–1818). Gleichzeitig schuf Beethoven die beiden Cellosonaten op. 102 (1815), den Liederkreis An die ferne Geliebte op. 98 (1816) sowie die Vertonung von Goethes Meeres Stille und glückliche Fahrt für Chor und Orchester op. 112.

Hatte sich Beethoven einige Jahre fast ausschließlich Werken für kleinere Besetzungen gewidmet, so bot sich 1819 ein Anlass, wieder ein größeres Werk in Angriff zu nehmen. Sein langjähriger Mäzen und Klavierschüler, der Erzherzog Rudolph, sollte am 20. März 1820 als Erzbischof von Olmütz (tschechisch Olomouc) inthronisiert werden. Beethoven wurde mit der Komposition einer großen feierlichen Messe beauftragt. Doch der Kompositionsprozess der Missa solemnis op. 123 begann sich zu verselbständigen, sodass Beethoven das Werk erst Ende 1822 / Anfang 1823 vollendete.

Gleichzeitig mit der Messe arbeitete Beethoven an den 33 Veränderungen über einen Walzer von Anton Diabelli op. 120, einem Variationenzyklus für Klavier, der auf einen Aufruf des Musikverlegers und Komponisten Diabelli zurückging. Dieser hatte seinen Walzer an zahlreiche Komponisten geschickt mit der Bitte, je eine Variation zu einer geplanten Sammelausgabe beizusteuern. Während der Arbeit an der Missa solemnis und den Diabelli-Variationen setzte Beethoven mit op. 109, 110 und 111 die Serie seiner letzten Klaviersonaten fort.

Nach mehr als zehnjähriger Pause wandte sich Beethoven auch wieder der Gattung Sinfonie zu. Die Uraufführung der 9. Sinfonie op. 125 am 7. Mai 1824 wurde vom Publikum begeistert aufgenommen. Die Aufführung leitete der Kapellmeister Michael Umlauf, Beethoven stand mit ihm zur Unterstützung am Dirigentenpult.[82]

Schließlich entstand zwischen Frühjahr 1824 und Herbst 1826 beginnend mit dem Streichquartett op. 127 eine letzte Gruppe von fünf Streichquartetten. Angestoßen hatte die Quartettproduktion ein Kompositionsauftrag des russischen Musikliebhabers Nikolai Borisowitsch Fürst Galitzin. Zusätzliche Motivation erhielt Beethoven durch die Rückkehr des Geigers Ignaz Schuppanzigh nach Wien, der seit 1816 auf Reisen gewesen war und dessen Ensemble fast alle seine früheren Streichquartette uraufgeführt hatte. Das Streichquartett in F-Dur op. 135 war das letzte Werk, das Beethoven vollendete.
Freunde und Bekannte

Durch die Taubheit war Beethoven in den letzten Jahren zunehmend auf die Unterstützung durch Freunde und Bekannte angewiesen. Zwar hatte Beethoven Hauspersonal (Köchin und Haushälterin), doch führten heftige Auseinandersetzungen mit den Angestellten mehrfach zu Kündigungen von der einen oder anderen Seite.

Schon früher hatte Beethoven Personen aus dem Freundeskreis zur Erledigung von Besorgungen und anderen Diensten genutzt, so etwa 1817/18 die Klavierbauerin Nanette Streicher geb. Stein. Die freundschaftliche Verbindung Beethovens zur Klavierbauerfamilie Stein geht schon auf seinen frühen Aufenthalt in Augsburg 1787 zurück. Nanette Streicher kümmerte sich um die Haushaltsführung und vermittelte oft auch zwischen dem Komponisten und seinem Hauspersonal.

1822 tauchte erstmals Anton Schindler in Beethovens Bekanntenkreis auf. Schindler suchte Beethovens Nähe und diente sich ihm als Faktotum an. Seine Mischung aus Servilität und Eigenmächtigkeit war immer wieder Auslöser für dessen Unmut und Verachtung. Nach Beethovens Tod brachte Schindler Dokumente aus dessen Nachlass, so einen Teil der Konversationshefte, in seinen Besitz. Schindler verfasste eine der frühesten Beethoven-Biografien,[83] doch ist die Glaubwürdigkeit vieler seiner Angaben zweifelhaft, da er zur Untermauerung seiner Behauptungen auch vor Fälschungen nicht zurückschreckte.[84]

Im Sommer 1825, nach dem Bruch mit Schindler, übernahm Karl Holz, der zweite Geiger aus dem Schuppanzigh-Quartett, die Funktion des persönlichen Sekretärs und Beraters.

Gerade in den letzten Monaten seines Lebens gewann die Freundschaft mit Beethovens Jugendfreund Stephan von Breuning, der 1801 nach Wien gekommen war, wieder an Bedeutung. Breuning wurde im September 1826 Mitvormund des Neffen Karl und kümmerte sich um Beethoven in den Monaten seiner Todeskrankheit.
Familie

Ludwig van Beethovens Bruder Johann hatte es als Apotheker in Wien zu einigem Wohlstand gebracht. Der nie besonders enge Kontakt der Brüder intensivierte sich, als Beethoven sich von Johann 1822 eine größere Summe lieh. In den folgenden Jahren zog der Komponist den erfolgreichen Geschäftsmann immer wieder als Berater in Geldangelegenheiten heran.

Die Entscheidung des Appellationsgerichts am 8. April 1820, die Beethoven endgültig zum Vormund seines Neffen Karl bestimmte unter der Bedingung, dass ein Mitvormund ihn unterstützte, konnte die fortgesetzten Spannungen zwischen Onkel und Neffe nicht beenden. Am 6. August 1826 unternahm Karl einen Selbstmordversuch, der zum Rücktritt Beethovens von der Vormundschaft führte.
Krankheiten und Tod
Beethovens Sterbehaus in der Wiener Schwarzspanierstraße (1904 abgerissen)
Beethovens Grab, Zentralfriedhof Wien

Schon seit etwa seinem 30. Lebensjahr litt Beethoven häufig an Krankheiten. Es sind Schilderungen unterschiedlicher Symptome wie Durchfall, Leibschmerzen, Koliken, Fieberzustände oder Entzündungen überliefert. Als Ursachen kommen zum einen akute Erkrankungen in Betracht, zum anderen werden eine oder mehrere chronische Erkrankungen als Hauptursache genannt.[85] Unter anderem werden eine Bleivergiftung,[86] Brucellose[87] und übermäßiger Alkoholgenuss vermutet. Ob nur eine einzige oder mehrere verschiedene Ursachen für Beethovens gesundheitliche Probleme verantwortlich waren, ließ sich bis in die heutige Zeit nicht zweifelsfrei feststellen. Beethovens Biografen haben festgehalten, dass der Künstler regelmäßig billigen Weißwein trank, der von den Winzern damals mit Bleizucker statt mit teurem Rohrzucker gesüßt wurde. Die Knochen und auch das Haar von Beethoven enthalten Blei und zwar in einer Konzentration, die selten gemessen wurde: „Wir haben mehr als 20.000 Patienten untersucht und bei allen den Bleigehalt im Blut und in den Haaren gemessen. Darunter waren nur acht Menschen die vergleichbaren Bleiwerte hatten. Alle acht sind schwer krank und ihre Symptome ähneln denen von Beethoven. Das Blei muss nicht die einzige Ursache für Beethovens Krankheit und frühen Tod sein, aber mit Sicherheit hat das giftige Metall seine Beschwerden verstärkt.“[88]

Mit zunehmendem Alter mehrten sich Häufigkeit und Intensität der Krankheitszustände. Im Sommer 1821 kündigte sich durch eine schwere Gelbsucht eine Leberzirrhose an. Beethoven suchte Linderung der Beschwerden in Bäder- und Landaufenthalten. Sein letzter führte ihn am 29. September 1826 – zusammen mit seinem Neffen – auf das Landgut seines Bruders Johann nach Gneixendorf. Auf der Rückreise nach Wien, die Anfang Dezember bei nasskaltem Wetter im offenen Wagen stattfand, zog sich Beethoven eine Lungenentzündung zu. Kurz nach der Genesung zeigten sich mit Wasseransammlungen in Beinen und Unterleib sowie einer Gelbsucht schwere Symptome der Leberzirrhose, so dass Beethoven das Krankenbett nicht mehr verlassen konnte. Nach mehreren Punktionen und erfolglosen Behandlungsversuchen verschiedener Ärzte starb Beethoven am 26. März 1827. Sein letzter Arzt war Andreas Ignaz Wawruch.

Die Beisetzung auf dem Währinger Ortsfriedhof fand am 29. März unter großer Anteilnahme der Wiener Bevölkerung statt.[89] Ungefähr 20.000 Personen sollen am Trauerzug teilgenommen haben.[90] Die von Franz Grillparzer verfasste Grabrede sprach der Schauspieler Heinrich Anschütz. Franz Schubert, der Beethoven nur ein Jahr später ins Grab folgen sollte, erwies ihm neben Grillparzer als einer der 36 Fackelträger die letzte Ehre.[91]

Beethovens Leichnam wurde zweimal exhumiert: 1863, um die Gebeine zu vermessen und den Schädel zu fotografieren; 1888, um sein Skelett – erneut unter großer öffentlicher Anteilnahme – in den Ehrenhain auf dem Wiener Zentralfriedhof umzubetten.

Beethoven gilt heute als der Vollender der Wiener Klassik und Wegbereiter der Romantik. Insbesondere in den für die Epoche der Wiener Klassik grundlegenden Formen der Sinfonie, der Klaviersonate und des Streichquartetts hat er Werke geschaffen, deren musikgeschichtlicher Einfluss kaum zu übertreffen ist. So legte Beethoven beispielsweise wichtige Grundsteine für die weitgehende sinfonische Durchdringung der Solokonzerte in der weiteren Musikgeschichte.

Die Sonatensatzform, und darin namentlich die Durchführung, entwickelte er fast zu Vollkommenheit. Auch eine immer weiterführende Konzentration von Sinfonien und Solokonzerten, sich von Quantität zu Qualität bewegend, kann Beethoven zugesprochen werden.

In der ersten Periode seines Schaffens schloss er sich noch aufs Engste an Haydn und Mozart an, bis er zu seinem ganz eigenen Stil fand. Was ihn nun vor diesen Vorgängern auszeichnet, die ja ihrerseits schon die Instrumentalstimmen stark individualisiert hatten, ist zunächst die weitere Ausgestaltung der übernommenen Formen zu größeren, den neuen Ideen angemessenen, Dimensionen. Unter seinen Händen erweiterte sich das bisher höfisch-aristokratische Menuett zum lebhaften Scherzo; das Finale, vor Beethoven meist nur ein heiter und lebhaft sich verlaufender Ausgang, wurde bei ihm zum Gipfelpunkt der Entwicklung des ganzen Werks und übertrifft an Wucht und Breite nicht selten den ersten Satz. Das andere Neue war die überall erkennbare Einheit eines zusammenfassenden Gedankens. Was er in einzelnen Werken (z. B. in den Klaviersonaten Pathétique und Appassionata, Les Adieux, in der Eroica und in der Pastoral-Sinfonie) schon durch den Titel deutlich machte, lässt sich auf die Mehrzahl seiner Instrumentalwerke anwenden: dass die in den einzelnen Teilen dargestellten Seelenzustände in einer inneren Beziehung zueinander stehen.

Seine Skizzenbücher zeigen, mit wie viel unermüdlicher Arbeit und wiederholten Versuchen er seinen Werken die Gestalt zu geben suchte, in der sie ihn schließlich befriedigten. Man staunt, wie O. Jahn schrieb:

„… über seine Art, nicht bloß einzelne Motive und Melodien, sondern die kleinsten Elemente derselben hin und her zu wenden und zu rücken und aus allen denkbaren Variationen die beste Form hervorzulocken; man begreift nicht, wie aus solchem musikalischen Bröckelwerk ein organisches Ganzes werden könne … Und machen diese Skizzen nicht selten den Eindruck unsichern Schwankens und Tastens, so wächst nachher wieder die Bewunderung vor der wahrhaft genialen Selbstkritik, die, nachdem sie alles geprüft, schließlich mit souveräner Gewißheit das Beste behält.“
Die Bonner Zeit

Die frühen, noch in der Bonner Zeit entstandenen Werke Beethovens umfassen zehn heute bekannte Kompositionen aus dem Zeitraum 1782–1785, die im Bemühen, ihn zu einem Wunderkind zu stilisieren, fast alle veröffentlicht wurden. Außerdem sind etwa dreißig Werke aus den Jahren 1787–1792 bekannt, von denen damals jedoch nur eines veröffentlicht wurde. Viele davon arbeitete Beethoven in spätere Werke ein. Die Stücke des ersten Zeitraums waren noch stark vom Stil Neefes und Sterkels geprägt und orientierten sich am Vorbild Mozarts. Die späteren Bonner Jahre brachten eigenständigere Lieder, Kantaten, Arien und Variationen, die in manchen Fällen bereits den analytisch arbeitenden Komponisten späterer Zeit erahnen ließen. Die Werke im Sonatenstil sind dagegen wenig eindrucksvoll und blieben in großen Teilen Fragment; diese für den späteren Beethoven so wichtige Form hat er sich offenbar erst in der Wiener Zeit angeeignet.
Erste Epoche des individuellen Schaffens

Sie begann mit der Herausgabe der ersten drei Klaviertrios op. 1 (1795) und endete etwa mit den Jahren 1800–1802.

Die 1. Sinfonie gehört dazu. Im Alter von 29 Jahren nahm Beethoven sie in Angriff und vollendete sie am Anfang des darauffolgenden Jahres. Sie wurde mit großem Erfolg am 2. April 1800 uraufgeführt. Bahnbrechend in dieser Zeit waren die Klavierkompositionen, sowohl in der Form des Konzerts als auch der Sonate und Variation, nicht nur in der Technik, sondern auch im Zuschnitt der Sätze und des Ganzen.
Zweite Schaffensperiode

Sie begann etwa in den Jahren 1800–1802 und dauerte bis 1814. Hierher gehören vor allem Sinfonien und Klaviersonaten.
Eroica und Fidelio

Mit der 3. Sinfonie fand Beethoven zur Form einer eher monumentalen und heroischen Sinfonie.[93] Ursprünglich trug sie den Titel „Sinfonia grande, intitolata Bonaparte“ (benannt nach Napoleon). Nachdem er erfuhr, dass Napoleon sich am 18. Mai 1804 zum französischen Kaiser gemacht hatte, radierte er jedoch – so eine Anekdote – in großer Wut den Namen aus dem Titelblatt. Seine neue Überschrift hieß nun „Heroische Sinfonie, komponiert um das Andenken eines großen Mannes zu feiern“, heute wird sie meistens mit ihrem italienischen Titel Eroica genannt. Uraufgeführt wurde sie im August 1804 im Wiener Palais des Fürsten Franz Joseph Maximilian von Lobkowitz, dem sie nun auch gewidmet war.

1805 wurde Beethovens einzige Oper uraufgeführt. Sie hatte, wie auch viele andere Werke, etliche Überarbeitungen erlebt und hieß ursprünglich „Leonore“. In der dritten Fassung als Fidelio (mit der E-Dur-Ouvertüre) kam sie 1814 auf die Bühne. Beethoven hat mit ihr keine neuen Wege dramatischer Gestaltung beschritten. Ihre besondere Stellung hat sie nach wie vor durch den reichen und tiefen, menschlich interessanten und berührenden Stoff und die Qualität ihrer Musik.
Sinfonien Nr. 5 c-Moll, Nr. 6 F-Dur und Nr. 7 A-Dur
Anfang der 5. Sinfonie

Beethovens 5. Sinfonie wird auch „Schicksalssinfonie“ genannt. Sie entstand in einer schweren Lebensphase des Komponisten. Über die markanten vier Anfangstöne soll Beethoven gesagt haben: „So pocht das Schicksal an die Pforte“. Allerdings wurde dies von Musikhistorikern als spätere legendarische Zuschreibung verworfen. Am 22. Dezember 1808 wurde sie zusammen mit der 6. Sinfonie, dem vierten Klavierkonzert und Teilen der C-Dur-Messe uraufgeführt.

Die Pastorale ist nicht im eigentlichen Sinne Programmmusik, wie sie fälschlich oft bezeichnet wird, sondern nach Beethovens eigener Aussage „mehr Ausdruck der Empfindung als Malerei“. Damit befindet sich die Sinfonie immer noch auf dem Boden der Klassik. Franz Liszt, der die ersten sinfonischen Dichtungen schrieb, bezog sich bei der Entwicklung dieses neuen Genres vielmehr auf die Ouvertüren Beethovens, wie etwa Coriolan oder König Stephan. Allerdings stellte die naturbezogene Thematik der Pastorale ein Grundelement der folgenden Epoche der Romantik dar, der Epoche sinfonischer Dichtungen schlechthin. Ebenso legte die Kunst der Romantik den Akzent auf das Innerste des Menschen, also sein Empfinden und seine Gesinnung. Unter dem Gesichtspunkt, den wahrscheinlich auch Beethoven für seine Pastorale eingenommen hatte, könnte diese sehr wohl als Romantikvorläuferin betrachtet werden. Dafür spricht die Formerweiterung auf fünf Sätze ebenso wie der Einbezug von Instrumenten (z. B. Piccoloflöte), die im klassischen Sinfonieorchester nicht heimisch sind. Dies sind deutlich auf die Romantik hinweisende Neuerungen, welche in der triumphalen 9. Sinfonie noch wesentlich deutlicher werden. Außerdem sind auch einige der in der Pastorale verwendeten „programmmusikalischen“ Topoi („Sturm“ etc.) in der Romantik gerne aufgegriffen worden.

In der 1812 beendeten 7. Sinfonie A-Dur op. 92 nimmt Beethoven musikalisch bereits die späteren antinapoleonischen Befreiungskriege vorweg. Sie entfachte bei der Uraufführung im Dezember 1813 eine riesige Euphorie und Begeisterung unter den Zuhörern. Diese Sinfonie zeichnet sich durch einen gewissen Patriotismus aus und deutet nicht so deutlich auf die kommende Epoche der Romantik hin wie die Vorgänger-Sinfonien. Dennoch sind harmonische und polyphone Neuerungen in dem Werk deutlich zu spüren. Zentraler Satz des Werkes ist unüblicherweise der zweite, das Allegretto. Es ist von einem feierlich schreitenden Rhythmus geprägt, wie ein endloser Trauerzug von Millionen. Er ist nach den Worten Beethovens denjenigen gewidmet, „die uns so viel geopfert haben“.[94]
Letzte Schaffensperiode

In den Jahren 1814 bis 1818 erlahmte Beethovens Produktion vorübergehend. In diesem kurzen Zeitraum traten nur ganz vereinzelt größere Kompositionen hervor, z. B. die Sonate in A (1815) und der „Liederkreis“. Krankheit und bitteres häusliches Leid hemmten seine Phantasie. Nach Überwindung dieser Zeit der Entmutigung war er in mancher Beziehung verändert. Sein Empfinden war bei völliger Abgeschlossenheit gegen die Außenwelt noch mehr verinnerlicht, infolgedessen der Ausdruck häufig noch ergreifender und unmittelbarer als früher, dagegen die Einheit von Inhalt und Form mitunter nicht so vollendet wie sonst, sondern von einem subjektiven Moment beeinflusst.

Die Hauptwerke dieser dritten Epoche sind die Missa solemnis (1818–23), die Beethoven selbst für sein vollendetstes Werk hielt, und die neunte Sinfonie in d-Moll (1823–24). Außerdem gehören zu dieser Zeit: die Ouvertüre „Zur Weihe des Hauses“, Op. 124 (1822), die Klaviersonaten Op. 106 in B-Dur (1818), Op. 109 in E-Dur, Op. 110 in As-Dur (1821) und Op. 111 in c-Moll (1822), die Diabelli-Variationen, mehrere kleinere Stücke für Klavier und Gesang und schließlich die letzten großen Streichquartette Op. 127 in Es-Dur (1824), Op. 130 in B-Dur und Op. 132 in a-Moll (1825), Op. 131 in cis-Moll und Op. 135 in F-Dur (1826).[95] Die späten Streichquartette gehen auf Beethovens Beschäftigung mit den Kompositionstechniken Johann Sebastian Bachs zurück, speziell seine Fugentechniken. Trotzdem weisen diese Stücke nicht in die Vergangenheit, sondern weit in die Zukunft. Speziell sein Op. 133 („Große Fuge“) war für seine Zeit außerordentlich modern und wurde im gesamten 19. Jahrhundert kaum verstanden.

Viele Entwürfe, darunter der zu einer zehnten Sinfonie in c-Moll und zu einem Streichquintett in C-Dur, befanden sich im Nachlass des Komponisten.
9. Sinfonie

1824 vollendete Beethoven die 9. Sinfonie. Der letzte Satz mit dem Chorfinale zu Schillers Gedicht An die Freude ist besonders bekannt. Das Thema dieses Satzes ist die Grundlage der Europahymne. Die Sinfonie drückt das Ringen eines Menschenherzens aus, das sich aus Mühen und Leiden nach dem Tag reiner Freude sehnt, der ihm doch in voller Klarheit und Reinheit nicht beschieden ist. Die ersten drei Sätze mit ihrer grandiosen Architektur, Instrumentierung und Themenverarbeitung wurden richtungsweisend für die Sinfoniker der Romantik bis hin zu Gustav Mahler. Die Uraufführung der 9. Sinfonie erfolgte zusammen mit Teilen der Missa solemnis am 7. Mai 1824. Beethoven wollte, obwohl er die Aufführung nicht mehr selbst leiten konnte, den Dirigenten durch Angabe der Tempi unterstützen. Das Orchester war allerdings angewiesen worden, dies nicht zu beachten.
Sinfonie Nr. 10

Beethoven hat noch kurz vor seinem Tod an seiner 10. Sinfonie gearbeitet, diese aber nicht vollendet. Vom ersten Satz existieren jedoch viele Skizzen und Notizen. Barry Cooper hat diese Skizzen zu einem ersten Satz ausgearbeitet. Auch zu einem dritten Satz, einem mit „Presto“ betitelten kraftvollen Scherzo, existieren Skizzen aus dem Jahre 1825.[96]
Schüler
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Martha Argerich

Martha Argerich (* 5. Juni 1941 in Buenos Aires) ist eine schweizerisch-argentinische Pianistin.

Argerichs...
Martha Argerich (* 5. Juni 1941 in Buenos Aires) ist eine schweizerisch-argentinische Pianistin.

Argerichs mütterliche Familie war wegen ihrer jüdischen Herkunft aus dem russischen Zarenreich nach Argentinien emigriert. Dort lebte sie in einer Siedlung, die der Baron Hirsch gefördert hatte.

Bereits als dreijähriges Kind erhielt sie den ersten Unterricht in Buenos Aires beim italienisch-argentinischen Pianisten und Klavierpädagogen Vicente Scaramuzza und debütierte dort im Jahr 1949 als Siebenjährige mit Beethovens 1. Klavierkonzert zusammen mit dem Orquesta Sinfónica de Radio El Mundo unter der Leitung von Alberto Castellanos. Im Jahr 1955 kam sie mit ihrer Familie nach Europa und setzte ihr Studium in Wien bei Friedrich Gulda fort. Der argentinische Präsident Juan Perón unterstützte diese Entscheidung dadurch, dass er ihren Eltern Posten an der argentinischen Botschaft in Wien verschaffte. Im Jahr 1957 gewann sie den Ersten Preis beim Internationalen Klavierwettbewerb Ferruccio Busoni in Bozen.

Im Alter von etwa zwanzig Jahren, nach der Geburt ihrer ersten Tochter, der heutigen Bratschistin Lyda Chen, geriet sie in eine Lebenskrise, die bewirkte, dass sie sich vollständig aus dem Konzertbetrieb zurückzog. Erst im Jahr 1964 gelang es, u. a. auch durch die Intervention ihres Lehrers Stefan Askenase, dass sie sich wieder der Öffentlichkeit zeigte. Im Jahr 1965 wurde sie durch den Gewinn des 1. Preises beim Internationalen Chopin-Wettbewerb weltbekannt.

Sie ist engagiert in der Förderung junger Klaviertalente und beteiligt sich als Jurorin bei wichtigen Wettbewerben. Als Mitglied der Jury des Chopin-Wettbewerbs geriet Argerich 1980 in Furor, nachdem Ivo Pogorelich – den sie als Genie bezeichnete – bereits nach der dritten Runde ausgeschieden war, woraufhin sie die Jury aus Protest verließ.

Im Jahr 2002 entstand unter der Regie von Georges Gachot ein Dokumentarfilm über sie; einen weiteren veröffentlichte ihre jüngste Tochter im Jahr 2013.

Etwa seit 2004 konzentriert sie sich verstärkt auf Kammermusik. Sie tritt zudem seit langer Zeit nicht mehr allein im Rahmen eines Klavierabends auf, sondern als Solistin in Klavierkonzerten oder mit anderen Musikern wie etwa Nelson Freire, Gabriela Montero, Gidon Kremer, Mischa Maisky, Cristina Marton, Mauricio Vallina oder ihrer langjährigen Duo-Partnerin Lilya Zilberstein. Sie führt seit 2002 ein eigenes Festival „Progetto Martha Argerich“ in Lugano.

Im Jahr 2005 erhielt sie die Auszeichnung Praemium Imperiale, den „Nobelpreis der Künste“. Im Jahr 2014 wurde sie mit dem ECHO Klassik in der Kategorie „Konzerteinspielung des Jahres (Klavier)“ mit dem Orchestra Mozart Bologna unter Claudio Abbado für Mozarts Klavierkonzerte 20 & 25 ausgezeichnet.
Klavierkunst

Argerich ist für ihr temperamentvolles Spiel bekannt. Viele ihrer Interpretationen sind mittlerweile legendär; dazu gehören das 3. Klavierkonzert in d-Moll von Rachmaninow oder das 1. Klavierkonzert in b-Moll von Tschaikowski.
Persönliches

Argerich war bislang dreimal verheiratet. Zuerst heiratete sie den Dirigenten und Komponisten Robert Chen, mit dem sie eine Tochter, die Bratschistin Lyda Chen-Argerich, hat. 1964 ließ sie sich von Chen scheiden. Von 1969 bis 1973 war sie mit dem Schweizer Dirigenten Charles Dutoit verheiratet, mit dem sie ihre zweite Tochter Annie Dutoit hat. Aus einer kurzen Ehe mit dem US-amerikanischen Pianisten und Dirigenten Stephen Kovacevich entstammt ihre dritte Tochter Stephanie Argerich-Blagojevic.

Aufgrund ihrer großen kulturellen Verdienste verlieh die Stadt Lugano am 23. Juni 2010 Martha Argerich die Ehrenbürgerschaft.
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Helene Grimaud

Hélène Rose Paule Grimaud (* 7. November 1969 in Aix-en-Provence) ist eine französische Pianistin.

Leben
Kindheit...
Hélène Rose Paule Grimaud (* 7. November 1969 in Aix-en-Provence) ist eine französische Pianistin.

Leben
Kindheit und musikalischer Durchbruch

Die Eltern waren Lehrer jüdischer und katholischer Konfession. Ihre Mutter entstammt einer Familie nordafrikanischer sephardischer Juden, die sich als Pieds-noirs auf Korsika niedergelassen hatten. Ihr Vater hatte deutsche und italienische sowie ebenfalls nordafrikanisch-jüdische Vorfahren. Ihre Familie änderte noch vor ihrer Geburt den Familiennamen Grimaldi in die heutige Schreibweise um. Nach eigener Bekundung hat Grimaud sich aufgrund der anderen Herkunft, obwohl sie in Frankreich aufwuchs, dort nie richtig heimisch gefühlt. Als Kind litt Grimaud an einem Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätssyndrom, das sich erst legte, als sie mit der Musik in Berührung kam. Sie ist seit ihrer Kindheit Synästhetikerin und nimmt beim Hören Farben wahr.

Grimaud begann mit sechs Jahren mit dem Klavierspiel. Sie erhielt zunächst Unterricht in ihrer Heimatstadt, dann studierte sie in Marseille bei Pierre Barbizet. Nachdem sie als Zwölfjährige unter anderem mit der zweiten und dritten Klaviersonate Frédéric Chopins die Aufnahmeprüfung am Pariser Konservatorium bestanden hatte, studierte sie dort ab 1982 bei Jacques Rouvier. Im zweiten Studienjahr kehrte sie aus Protest gegen das ihr unliebsame Repertoire am Konservatorium in ihre Heimatstadt Aix-en-Provence zurück und führte mit Professoren und Studenten des dortigen Konservatoriums Chopins zweites Klavierkonzert auf. Ihr Pariser Lehrer gab die Aufnahme dieses Konzerts an das japanische Klassik-Label Denon weiter und verschaffte ihr somit den ersten Plattenvertrag, der 1985 zu ihrer ersten Veröffentlichung führte, einer Aufnahme der zweiten Klaviersonate von Rachmaninow, mit der sie den Grand Prix du Disque der Akademie Charles Cros gewann. Im gleichen Jahr schloss sie ihr Studium mit einem ersten Preis ab. 1987 gelang ihr der internationale Durchbruch: Grimaud nahm am Midem de Cannes teil, spielte auf dem Klavierfestival in La Roque-d’Anthéron, gab ihren ersten Klavierabend in Paris und debütierte mit dem Orchestre de Paris unter Daniel Barenboim.
Umzug in die USA und Aufbau des Wolf Conservation Center

Ein Zusammentreffen mit der 28 Jahre älteren Pianistin Martha Argerich beim Kammermusikfest Lockenhaus 1989 bestätigte Grimaud darin, trotz der einsetzenden Bekanntheit an ihrem eigenständigen und unkonventionellen Stil festzuhalten. 1990 folgten ihr USA-Debüt, und noch im selben Jahr eine vollständige US-Tournee. Bei einem Konzert in Florida lernte sie den Fagottisten Jeff Keesecker kennen und zog kurz darauf mit ihm nach Tallahassee.

In Tallahassee begegnete Grimaud 1991 der Wölfin Alawa, die ein Bekannter als wildes Haustier hielt. Die Wölfin ließ sich bei ihrer ersten Begegnung von ihr streicheln, was höchst ungewöhnlich ist, und Grimaud verspürte eine tiefe Verbindung zu dem Tier, die sie in ihrer Autobiografie Wolfssonate ausführlich beschreibt. Zusammen mit ihrem damaligen Lebensgefährten Jeff Keesecker adoptierte sie daraufhin zwei Wölfe. Als sie sich 1994 trennten, zog Grimaud nach New York City, wo sie in der gemeinsamen Wohnung mit ihrem neuen Partner Henry Fair eine Weile lang einen Wolfswelpen hielt. 1997 kaufte das Paar schließlich knapp zweieinhalb Hektar Land in South Salem, New York, bezog dort ein Haus und richtete ein Wolf Conservation Center ein, das 1999 eröffnet wurde. Es widmet sich der Zucht, dem Schutz und der Reintegration von Wölfen in natürlicher Umgebung. Weiteres Ziel des Center ist es, vor allem Kinder und Jugendliche durch Vorträge, aber auch durch die unmittelbare Begegnung mit Wölfen für ökologische Zusammenhänge und den Artenschutz zu sensibilisieren.
Umzug in die Schweiz

2005 traf Grimaud ihren derzeitigen Lebensgefährten, den Fotografen Mat Hennek. Die beiden lebten gemeinsam in Weggis in der Schweiz. Für den Wohnsitz dort hat Grimaud sich ihr erstes eigenes Klavier gekauft, einen Flügel der Marke Steinway. 2007 erschien ihr zweites Buch mit dem Titel Lektionen des Lebens.

Ende 2005 erkrankte Grimaud an einer schweren Lungenentzündung. Als Folge davon erkrankte sie am Chronischen Erschöpfungssyndrom und konnte Europa über ein halbes Jahr lang nicht verlassen. Im Frühjahr 2010 musste ihr darüber hinaus ein Magenkarzinom entfernt werden. Bereits im Sommer desselben Jahres kehrte sie jedoch ans Klavier zurück und erklärte gegenüber der New York Times, sie habe die Monate ihrer Genesung als willkommenes Sabbatical betrachtet.

Infolge einer Meinungsverschiedenheit darüber, welche Solokadenz bei einer Aufnahme des 23. Klavierkonzerts von Mozart erklingen solle, beendete Grimaud 2011 die langjährige Zusammenarbeit mit dem Dirigenten Claudio Abbado. Statt der bereits fertiggestellten gemeinsamen Aufnahme veröffentlichte Grimaud eine Liveaufnahme vom Mai 2011 mit dem Kammerorchester des Symphonieorchesters des Bayerischen Rundfunks unter der Leitung von Radoslaw Szulc, bei der sie die von ihr bevorzugte Kadenz von Ferruccio Busoni spielte.

Seit 2014 lebt Hélène Grimaud wieder in den USA.
Auszeichnungen
Grimaud hat im Laufe ihrer Karriere zahlreiche Auszeichnungen erhalten, unter anderem wurde sie im Jahr 2002 vom französischen Kultusministerium mit dem Officier dans l'Ordre des Arts et des Lettres geehrt. Im Jahr 2004 erhielt sie den Victoire d'honneur der französischen Victoires de la musique. 2005 gewann sie für ihre CD „Reflection“ mit Musik von und über Clara Schumann den Echo-Klassik-Preis. 2009 wurde Grimaud mit dem Bremer Musikfest-Preis ausgezeichnet. 2013 erhielt sie erneut den Echo-Klassik-Preis für die Kammermusik-Einspielung des Jahres.
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Herbert von Karajan

Herbert von Karajan (* 5. April 1908 in Salzburg; † 16. Juli 1989 in Anif, Salzburg; geboren als Heribert Ritter von...
Herbert von Karajan (* 5. April 1908 in Salzburg; † 16. Juli 1989 in Anif, Salzburg; geboren als Heribert Ritter von Karajan, in Österreich ab 1919 amtlich Heribert Karajan)war ein österreichischer Dirigent. Als solcher zählt er zu den bekanntesten und bedeutendsten des 20. Jahrhunderts. Karajan arbeitete mit vielen angesehenen Symphonieorchestern, wirkte an bedeutenden Opernhäusern und veröffentlichte zahlreiche Einspielungen klassischer Musik.

Herbert von Karajan stammt aus der Familie von Karajan – einer ursprünglich aus der (damals unter dem Namen Rumelien zum Osmanischen Reich gehörenden, nordgriechischen) Provinz Makedonien stammenden Familie namens Karagiannis (oder Karaioannes) griechischer oder aromunischer Herkunft, die erstmals 1743 in Kozani urkundlich erwähnt ist. Er war der Ururenkel des Kaufmanns Georg Karajan, eigentlich Geórgios Ioánnes Karagiánnis, des Inhabers einer Baumwollhandlung im kursächsischen Chemnitz, und Urenkel von Theodor von Karajan. Georg Karajan wurde mit Ehefrau und seinen Söhnen Dimitrios und Theodor am 1. Juni 1792 während des Reichsvikariates durch den sächsischen Kurfürsten Friedrich August III. in den erblichen Reichsadelsstand erhoben. Die Anerkennung dieses Adelsstandes in Österreich erfolgte für dessen Witwe und die Söhne durch Erlass vom 4. Jänner 1832. Theodor von Karajan wurde mit allerhöchster Entschließung vom 27. Mai 1869 von Kaiser Franz Joseph I. in Wien mit dem Ritterkreuz des Leopold-Ordens ausgezeichnet und aufgrund der Ordensstatuten als „Ritter von Karajan“ im September 1869 in den erblichen österreichischen Ritterstand erhoben. Herbert von Karajans Vater Ernst von Karajan war als Chirurg in Salzburg tätig. Seine Mutter Marta Kosmač entstammte einer slowenischen Familie; ihr Vater Mihael Kosmač war in Mojstrana (heute Stadtteil von Kranjska Gora, deutsch: Kronau) geboren.Herbert hatte einen um zwei Jahre älteren Bruder Wolfgang.

Von der Aufhebung des Adels im Jahr 1919 war auch die (österreichische) Familie von Karajan betroffen, deren Familienname zu Karajan ohne vorangestelltes „von“ wurde. Der Künstler Karajan hatte seinerseits angedroht, in Österreich nicht aufzutreten, wenn sein früheres „von“ auf den Ankündigungsplakaten nicht erscheinen dürfe. Daraufhin wurde ihm Herbert von Karajan als Künstlername zugestanden.
Beruflicher Werdegang


1912 begann Karajan eine pianistische Ausbildung bei Franz Ledwinka. Von 1916 bis 1926 war Karajan Schüler am Konservatorium Mozarteum in Salzburg bei Ledwinka (Klavier), Bernhard Paumgartner (Komposition, Kammermusik) und Franz Sauer, Organist (Harmonielehre). 1925 wurde er Konkneipant der Alldeutschen Gymnasialverbindung Rugia Salzburg im ÖPR und später Alter Herr.1926 machte er die Matura am Humanistischen Gymnasium in Salzburg. In seiner schriftlichen Arbeit beschäftigte er sich mit Thermodynamik und Explosionsmotoren. Von 1926 bis 1928 studierte er drei Semester lang Maschinenbau an der Technischen Hochschule in Wien, gleichzeitig Musikwissenschaft an der Universität Wien und bis 1929 an der Wiener Akademie für Musik und darstellende Kunst Klavier bei Josef Hofmann (1865–1927) sowie Dirigieren bei Franz Schalk und Alexander Wunderer.

Am 22. Jänner 1929 trat Herbert von Karajan zum ersten Mal öffentlich mit dem Mozarteumorchester in Salzburg auf, worauf der Intendant des Ulmer Stadttheaters Karajan zum Probedirigat einlud.

In Ulm wurde Karajan 1930 Erster Kapellmeister am Stadttheater und beim Philharmonischen Orchester.
Karriere im NS-Staat

Der NSDAP trat Karajan in Salzburg am 8. April 1933 bei (Mitgliedsnummer 1.607.525). Diese Mitgliedschaft blieb formell gültig, ruhte aber wegen des ab Juni 1933 geltenden Verbots der NSDAP in Österreich. 1935 trat er erneut in die NSDAP ein, diesmal in Aachen. Im Zuge der Überprüfung der österreichischen Beitritte in der Zentrale der NSDAP in München 1939 wurde die (österreichische) Mitgliedschaft formal für ungültig erklärt und beide mit Beitrittsdatum in Ulm am 1. Mai 1933 ersetzt; seine nun geltende Mitgliedsnummer war 3.430.914.Oliver Rathkolb widerspricht jedoch der verbreiteten Einschätzung, dass Karajan nur aus Karrieregründen der NSDAP beigetreten sei. So polemisierte Karajan 1934 in einem Brief an seine Eltern gegen die Wiener Volksoper, wo er nicht dirigieren wolle, da es sich um ein Vorstadttheater ohne Namen handle, „außerdem wird das gesamte Palästina dort gesammelt sein“.

1934 endete sein Vertrag in Ulm, und er sprach bei der Reichsmusikkammer, und zwar dem damaligen Leiter der Konzertabteilung Rudolf Vedder vor. Vedder war eng mit dem Generalmusikdirektor Peter Raabe am Stadttheater Aachen bekannt, und daher wurde in Aachen im April 1934 ein Probedirigat angesetzt. In dessen Folge wurde er 1935 am Stadttheater Aachen der jüngste Generalmusikdirektor Deutschlands. Da auch schon der Dirigent Hans von Benda von Vedder protegiert wurde, hatte Benda wiederum kein Problem damit, Karajan später nach Berlin zu holen.

Während seiner Aachener Zeit trat Karajan auch bald bei Veranstaltungen der Nationalsozialisten auf. So dirigierte er am 20. April 1935 eine Tannhäuser-Vorstellung anlässlich des „Führergeburtstags“, einen KdF-Opernabend (Fidelio) am 30. April. Am 29. Juni 1935 leitete er in einem Konzert zum Kreisparteitag der NSDAP die Aufführung der Propagandawerke Festlicher Hymnus von Otto Siegl, Unsere Seele von Bruno Stürmer sowie Flamme empor und Feier der neuen Front (nach Texten von Baldur von Schirach) von Richard Trunk.

Am 8. April 1938 leitete Karajan als Gast erstmals das Orchester, das er in seinem Leben später noch mehr als 1500 Mal dirigieren sollte: die Berliner Philharmoniker. Auf dem Programm standen Mozarts Sinfonie Nr. 33 KV 319, Ravels Daphnis et Chloé, Suite Nr. 2 und Brahms’ 4. Symphonie.


Weithin bekannt wurde Karajan, nachdem er am 30. September 1938 in der Berliner Staatsoper mit Beethovens Fidelio debütiert und am 21. Oktober Wagners Tristan und Isolde dirigiert hatte. Nach der Tristan-Aufführung prägte der Kritiker der B.Z. am Mittag, Edwin von der Nüll, am 22. Oktober 1938 das Schlagwort vom „Wunder Karajan“.Urheber der Kritik soll aber nicht von der Nüll gewesen sein, sondern Generalintendant Heinz Tietjen, der Karajans Karriere auf Kosten Wilhelm Furtwänglers fördern wollte.

Ein erster Vertrag mit der Deutschen Grammophon Gesellschaft wurde geschlossen. In der Folge wurde er Dirigent der Staatskapelle Berlin, am 20. April 1939 verlieh ihm Hitler den Titel „Staatskapellmeister“.


Karajan sank aber in der Gunst von Hitler, als er in der von ihm auswendig dirigierten Aufführung von Die Meistersinger von Nürnberg in der Berliner Staatsoper am 2. Juni 1939 falsche Einsätze gegeben haben soll und die Vorstellung mit dem Fallen des Vorhanges unterbrochen werden musste. Karajan selbst sprach in Bezug auf diesen Vorfall vom „dem Alkohol zugeneigten“ Sänger Rudolf Bockelmann, der die zweite Strophe ausgelassen hatte, worauf er improvisieren musste und den Umständen entsprechend noch elegant aus der Situation herausgekommen sei.Jedenfalls entschied Hitler daraufhin, so in den Erinnerungen von Winifred Wagner, dass Karajan niemals bei den Bayreuther Festspielen dirigieren dürfe. Da er jedoch der Favorit von Göring war, leitete er weiterhin die Staatskapelle Berlin, mit der er in der Staatsoper bis 1944 etwa 150 Abende gestaltete.

Karajan dirigierte auch Konzerte in den von der deutschen Wehrmacht besetzten Gebieten, so in Paris vom 16. bis 19. Dezember 1940 mit dem Ensemble des Aachener Theaters und im Mai 1941 im Rahmen eines Gastspieles der Berliner Staatsoper mit Tristan. 1942 wurde Karajans Vertrag an der Staatsoper von Tietjen nicht verlängert. Als Grund gab Tietjen an, dass Karajan maßlose Forderungen gestellt habe. Noch 1943 wurde in einer Kartei der Reichsmusikkammer vermerkt, dass bezüglich Karajans politischer Einstellung laut Reichssicherheitshauptamt keine „nachteiligen Notierungen in politischer Hinsicht“ vorliegen würden. Auch seine Heirat mit der „Vierteljüdin“ Anita Gütermann veranlasste das NS-Regime zu keiner Änderung dieser Einschätzung.

Am 19. und 20. April 1944 leitete er aus Anlass von Hitlers Geburtstag das Orchester von Radio Paris im Théâtre des Champs-Élysées. In der Endphase des Zweiten Weltkriegs wurde er im August 1944 in die von Hitler genehmigte Gottbegnadeten-Liste der wichtigsten Dirigenten aufgenommen, was ihn vor einem Kriegseinsatz, auch an der Heimatfront, bewahrte. Im selben Jahr begann Karajan eine Anstellung beim Reichs-Bruckner-Orchester in Linz. Noch im Dezember 1944 sollte das Orchester zu „Ehren des Führers“ zum besten Orchester des Deutschen Reichs gemacht werden, bevor das Kriegsende dieser Vorstellung ein Ende setzte.

Am 18. Februar 1945 gab Karajan ein letztes Konzert mit der Staatskapelle in Berlin und setzte sich danach mit dem Flugzeug nach Italien ab. Das Kriegsende verbrachte er zusammen mit seiner damaligen Frau Anita in Mailand und am Comer See, wo er mit Hilfe des Generalbevollmächtigten für Italien Hans Leyers sich – so sagte er – „versteckte, um einem Einberufungsbefehl zu der Kampfpropagandatruppe ‚Südstern‘ zu entgehen“.
Karriere nach dem Zweiten Weltkrieg

Edward Astley, der als britischer Offizier im Intelligence Corps in Mailand und Triest teilweise englischsprachige Radiosender sowie in Triest auch das örtliche Theater leitete, beschäftigte Karajan unmittelbar nach Kriegsende und setzte sich für dessen Engagement bei den Wiener Philharmonikern ein. Karajans Entnazifizierungsverfahren wurde ohne schriftliche Belege abgeschlossen, Karajan habe „genug gelitten“ und habe immer nur für die Musik gelebt. Am 12. Januar 1946 gab er in Wien sein erstes Konzert nach Kriegsende, wurde jedoch daraufhin von der sowjetischen Besatzungsmacht wegen seiner NSDAP-Mitgliedschaft mit Berufsverbot belegt; dieses wurde 1947 wieder aufgehoben.

1948 wurde Karajan Direktor und Ehrenmitglied, 1949 Mitglied auf Lebenszeit der Gesellschaft der Musikfreunde in Wien. Mit der Aufnahme bei den Musikfreunden begann seine eigentliche Karriere. Ebenfalls 1948 debütierte er an der Mailänder Scala und war dort ständiger Gast als Dirigent und Regisseur von 1948 bis 1968.

1951 dirigierte er erstmals bei den Bayreuther Festspielen, kehrte aber nach 1952 nicht mehr nach Bayreuth zurück, weil er Wieland Wagners Regiestil mit seiner Auffassung für unvereinbar hielt. 1955 wurde er Nachfolger von Wilhelm Furtwängler und Sergiu Celibidache als Chefdirigent der Berliner Philharmoniker.

Im Dezember 1954, kurz nach Furtwänglers Tod, hatte Berlins Kultursenator Joachim Tiburtius bei Karajan angefragt, ob dieser die noch zu Furtwänglers Lebzeiten für den März 1955 terminierte USA-Tournee der Berliner Philharmoniker übernehmen könne. Karajan antwortete: „Mit tausend Freuden, aber nur als designierter Nachfolger und künstlerischer Leiter“. Als Karajan 1955 die Berliner Philharmoniker in New York dirigierte, kam es zu dramatischen Demonstrationen gegen Deutschland und Karajan. Von seinem 1956 auf Lebenszeit abgeschlossenen Vertrag mit den Berliner Philharmonikern trat er im April 1989 zurück, da ihm die finanzielle Förderung durch die Stadt und seine Kompetenzen nicht mehr ausreichten.

Zugleich war er von 1957 bis 1964 künstlerischer Leiter der Wiener Staatsoper, wo er entscheidend zum Weltruhm des Hauses beitrug und viele wichtige Sänger erstmals an das Haus holte. Als die Bundestheaterverwaltung in einem Arbeitskonflikt die Operndirektion überging, schrieb er am 7. Februar 1962 einen ersten Rücktrittsbrief. Nach einem zweiten Konflikt, an dem Karajans Ko-Direktor Egon Hilbert, das Unterrichtsministerium, die Bundestheaterverwaltung, der Gewerkschaftspräsident, der Bundeskanzler und am Ende der Verwaltungsgerichtshof beteiligt waren, demissionierte Karajan am 11. Mai 1964 endgültig. Im Herbst 1963 hatte Karajan für die Übernahme von Giacomo Puccinis La Bohème einen in der italienischen Oper üblichen Maestro suggeritore engagieren wollen. Die Gewerkschaft wollte die Arbeitserlaubnis für den fälschlich so bezeichneten „ausländischen Souffleur“ verhindern.

Neben den Hauptwerken des klassisch-romantischen Repertoires widmete sich Herbert von Karajan auch immer wieder der Pflege von Raritäten und Erst- bzw. Uraufführungen. Stellvertretend seien hier genannt:

Orfeo ed Euridice von Christoph Willibald Gluck, die erste Opernaufführung in der Salzburger Felsenreitschule, 1948
Trionfi von Carl Orff, Uraufführung, Mailand, Teatro alla Scala, 1953
Mord in der Kathedrale von Ildebrando Pizzetti, deutschsprachige Erstaufführung, Wiener Staatsoper, 1960
L’incoronazione di Poppea von Claudio Monteverdi (in der Bearbeitung von Erich Kraack), Erstaufführung, Wiener Staatsoper, 1963
De temporum fine comoedia von Carl Orff, Uraufführung, Salzburg, 1973

Im Jahre 1960 leitete Herbert von Karajan in Salzburg die Eröffnungspremiere des Großen Festspielhauses (Der Rosenkavalier von Richard Strauss).

Nach Auslaufen seines Vertrags als künstlerischer Leiter der Salzburger Festspiele (1956–1960) spielte er weiterhin als Dirigent und später als Mitglied des Direktoriums, dem er von 1964 bis 1988 angehörte, eine wichtige Rolle in der Programmgestaltung.

1967 gründete er die Salzburger Osterfestspiele, die er bis zu seinem Tod leitete: Jedes Jahr erarbeitete er dort eine Opernneuproduktion mit den Berliner Philharmonikern, die dafür vom Berliner Senat freigestellt wurden. In diesem Zusammenhang gründete er die Pfingstkonzerte Salzburg.

Im Jahre 1977 kehrte Karajan an die Wiener Staatsoper zurück, wo er Il trovatore, La Bohème und Le nozze di Figaro und in den Folgejahren Don Carlos dirigierte. Am 12. Mai 1978 wurde ihm die Ehrendoktorwürde der Universität Salzburg verliehen.

Ab Mitte der 1970er-Jahre wurde er zunehmend von gesundheitlichen Problemen geplagt, was ihn nicht daran hinderte, weiterhin Tourneen in alle Welt zu unternehmen.

Die Übertragung von Falstaff im Jahr 1982 war die erste Live-Übertragung einer Opernaufführung der Salzburger Festspiele; in den Folgejahren wurden auch Der Rosenkavalier (1984, eine Neueinstudierung der Eröffnungsinszenierung), Don Carlos (1986) und Don Giovanni (1987) live übertragen.

Im Jahre 1985 dirigierte Herbert von Karajan eine Aufführung von Mozarts Krönungsmesse im Petersdom in Rom im Rahmen eines von Papst Johannes Paul II. zelebrierten Hochamtes. Im Jahre 1987 leitete er das Neujahrskonzert der Wiener Philharmoniker.

Herbert von Karajan trat bei Konzerten gelegentlich auch als Pianist in Erscheinung, Werke des Barock dirigierte er oft auch vom Cembalo aus, etwa Die vier Jahreszeiten von Antonio Vivaldi mit Anne-Sophie Mutter bei der Eröffnung des Kammermusiksaals der Berliner Philharmonie.

Karajan war Gründungsmitglied der Paul-Hindemith-Gesellschaft in Berlin. Er war auch stark an den Techniken der Musikreproduktion interessiert und legte sehr viel Wert auf die Berichterstattung der Medien über klassische Musik. Darüber hinaus förderte er zahlreiche künstlerische Karrieren, wie z. B. die von Hildegard Behrens, Christoph Eschenbach, Anne-Sophie Mutter, Jewgeni Igorewitsch Kissin, Mirella Freni, Agnes Baltsa, José Carreras u. v. a.
Bedeutung

Karajan hat als Dirigent mehr Einspielungen auf Ton- und Bildträger vorgelegt als die meisten seiner Kollegen. Er spielte etwa 700 Werke von rund 130 Komponisten ein, weltweit wurden an die 300 Millionen Tonträger mit seinem Namen verkauft. Die Deutsche Grammophon (DG), Karajans Haus-Label seit den 1960er-Jahren, machte mit ihm bis zum Jahr 2008 ein geschätztes Drittel ihres Umsatzes.

Aus der Zeit von 1938 bis 1945 gibt es einige Aufnahmen mit der Staatskapelle Berlin, etwa die Ouvertüre zur Zauberflöte vom Dezember 1938 oder Die Moldau vom Juni 1941. Im September 1944 wurde mit der Rundfunkaufnahme von Bruckners 8. Sinfonie mit der Staatskapelle Berlin eine der ersten deutschen Stereoeinspielungen hergestellt, von der sich der letzte Satz erhalten hat. 1946 startete er durch Vermittlung von Walter Legge bei der britischen Columbia (EMI) eine erste große Serie von Schallplattenaufnahmen mit dem neu gegründeten Philharmonia Orchestra. Ab Mitte der 1950er- bis Anfang der 1960er-Jahre nahm er auch bei Decca in London auf, ab 1959 hauptsächlich bei Deutsche Grammophon, und seit den 1970er Jahren erneut auch bei EMI. Das Standardrepertoire nahm er so bis zu fünfmal auf, und die Zahl der Aufnahmen steht nach Ansicht vieler Kritiker nicht immer im Verhältnis zu ihrer künstlerischen Leistung. Seine 1982 gegründete Firma Telemondial hatte den Zweck, sein „Vermächtnis“ auch im Bild festzuhalten; es entstanden Bild- und Tonaufnahmen, in denen Karajan zum Teil auch die Bildregie bestimmte.

Karajans Musizierstil war meist (abgesehen von seiner frühen Zeit bei der EMI) akademisch, ohne große Wagnisse; er legte jedoch größten Wert auf den Klang. Sein Ideal war ein „entmaterialisierter“, geglätteter, „stromlinienförmiger“ Klang, der alle Körperlichkeit und Ansatzgeräusche bei der Tonbildung vermeidet. Das führte bei klangsinnlichen Werken wie solchen des Impressionismus oder auch bei Jean Sibelius zu beeindruckenden Ergebnissen. Nach Angabe von Sibelius’ Tochter hielt ihr Vater Karajan für den Dirigenten seiner Generation, der die größte Einfühlung in Sibelius’ Musik aufgebracht habe. In Bezug auf dieses Repertoire gilt Karajan, neben Leopold Stokowski, als einer der größten „Klangmagier“ überhaupt. Im klassisch-romantischen Repertoire wurde sein Klangideal hingegen häufig als oberflächlich poliert kritisiert. Nicht unumstritten sind seine Bruckner- und Mahler-Aufnahmen. Igor Strawinsky bezweifelte öffentlich, dass „der Sacre zufriedenstellend aufgeführt werden kann in den Traditionen von Herrn von Karajan“. Seine letzte Aufnahme war Bruckners 7. Sinfonie mit den Wiener Philharmonikern, zugleich ein Live-Mitschnitt seines letzten öffentlichen Auftretens im Wiener Musikvereinssaal am 23. April 1989.

1968 veranlasste Herbert von Karajan die Gründung der Berliner Herbert Von Karajan-Stiftung. Startkapital waren 100.000 DM. Ziel der Stiftung ist die Förderung junger Künstler, insbesondere junger Dirigenten sowie die Förderung wissenschaftlicher Untersuchungen auf dem Gebiet der Musik-Psychologie. Bis 2002 war der Sitz der Stiftung Berlin, seitdem ist es Köln.

Sein bedingungsloses Perfektionsstreben und sein Interesse an spieltechnischen, akustischen und aufnahmetechnischen Fragen, an Bauakustik und Problemen der Hörpsychologie führten ihn in der Zeit, da er dem Festspieldirektorium in Salzburg angehörte, zur Gründung der Herbert-von-Karajan-Stiftung mit Sitz in Salzburg, die zwischen 1970 und 1976 etwa zwanzig musikpsychologische Publikationen herausbrachte. Zwar ist der Stiftungssitz Salzburg, aber die Stiftung befindet sich auch in Köln.

Das Oesterreichische Musiklexikon erwähnt die Gründung einer Stiftung Herbert von Karajan für die Durchführung der Osterfestspiele in Salzburg schon 1969.

Von 1995 bis Ende 2006 gab es in Wien ein „Herbert von Karajan Centrum“, das neben dem Verkauf von Produkten des Karajan-Repertoires ein Karajan-Archiv präsentierte und gelegentlich auch Konzerte und Vorträge zu seinem Gedenken veranstaltete. Aus Anlass des zehnjährigen Bestandes dieser Einrichtung brachte die Österreichische Post 2005 eine Sonderbriefmarke heraus.

Seit 2005 gibt es in Salzburg das Eliette und Herbert von Karajan Institut, das seit 2007 das Karajan-Archiv aus dem ehemaligen Wiener „Karajan Centrum“ nunmehr der Öffentlichkeit zugänglich macht.

Karajan erhielt zahlreiche Auszeichnungen, u. a. 1961 das Österreichische Ehrenzeichen für Wissenschaft und Kunst; 1978 wurde er Ehrenbürger der Stadt Wien. Seit 1997 finden im Festspielhaus Baden-Baden die „Herbert von Karajan Pfingstfestspiele“ statt. Seit 2003 wird ebenfalls in Baden-Baden der Herbert-von-Karajan-Musikpreis verliehen.

Akio Morita, Chef und Gründer von Sony, war ein Freund klassischer Musik und Verehrer Karajans. Er investierte erheblich in das neue Medium CD. So entstand in der Kapelle auf Karajans Anwesen das seinerzeit fortschrittlichste Aufnahmestudio der Welt. Fast alle heute bekannten digitalen Aufnahmen von Karajan entstanden abwechselnd in der Berliner Philharmonie bzw. im Wiener Musikvereinssaal. Karajan arbeitete von den 1970er-Jahren an mit dem Toningenieur Günter Hermanns zusammen, der alle seine späten Aufnahmen bei der DG betreute. Diese Aufnahmen wurden abwechselnd mit den Wiener und den Berliner Philharmonikern erstellt. Viele Kritiker warfen Karajan in späten Jahren vor, sich vor allem auf Klangqualität zu konzentrieren. Karajan war kein großer Wiederholer bei Aufnahmen und musste oft von seinem Produzenten überredet werden, bestimmte Passagen, die weniger gelungen waren, neu aufzunehmen. Karajan hatte immer das Gesamtklangbild im Vordergrund, verlor sich nicht in Einzelheiten, was ihm in späteren Jahren Kritiken über seinen „Hochglanzklang“ einbrachte. Dies konnte jedoch nicht sein unglaubliches musikalisches Gedächtnis, seine immense Musikalität, fachliche Souveränität und seinen Sinn für ästhetische Klangdramatik vergessen machen. Karajan trieb die Musiker und Tontechniker hierbei an, um den „perfekten“ Klang aufzunehmen: Frei von Ansatzgeräuschen, rauschfrei, jede Stimme, jedes Instrument sollte klar erkennbar sein und lebendig klingen. In einem während dieser Aufnahmen entstandenen Dokumentarfilm kommen auch Musiker und Tontechniker zu Wort, die sich wenig begeistert über die Akribie Karajans äußern.
Privatleben

Herbert von Karajan war dreimal verheiratet, in erster Ehe mit der Sopranistin (am Freiburger Theater) Elmy (von Karajan-)Holgerloef (Heirat am 26. Juli 1938), in zweiter Ehe mit Anna Maria („Anita“) Gütermann, Erbin der Nähseidenfirma Gütermann (Heirat am 22. Oktober 1942), und in dritter Ehe (1958) mit Eliette Mouret (* 1939). Aus dieser Ehe gingen die Töchter Isabel (* 1960) und Arabel (* 1964) hervor. Für beide Töchter übernahmen Orchester, die mit Karajan verbunden waren, die Patenschaft, die Wiener Philharmoniker für Isabel und die Berliner Philharmoniker für Arabel.

Seine technischen Interessen erstreckten sich nicht nur auf die Aufnahmetechnik. Er war ein Freund schneller Autos und gehörte als langjähriger Porsche-Fahrer zu dem geringen Kreis Prominenter, die den auf weniger als 300 Exemplare limitierten Porsche 959 erhielten – sogar gleich zweimal.

„Mit dem ersten hatte ich keine Probleme, da er abbrannte.“

– Herbert von Karajan

Daneben besaß er eine Privatpilotenlizenz und flog seine Cessna häufig selbst. Später erwarb er zusätzlich die entsprechende Musterberechtigung und flog eine Dassault Falcon 10 (Mystère 10). Auch Segeln auf größeren Yachten gehörte zu seinen Freizeitbeschäftigungen. Meist wurden diese Aktivitäten – gewollt – medial begleitet.

Herbert von Karajan starb am 16. Juli 1989 in Anif an einem Herzinfarkt nach einer Besprechung mit Sony-Chef Norio Ōga. Am Vormittag hatte er noch eine Probe zu Un ballo in maschera geleitet. Am nächsten Tag wurde er entsprechend seiner Verfügung ohne Benachrichtigung der Nachwelt auf dem Ortsfriedhof von Anif beerdigt. Sein Nachlassvermögen wurde auf mehr als eine halbe Milliarde D-Mark (etwa 256 Mio. Euro) geschätzt.
Nachleben
Österreichische 5-Euro-Münze (2008)

In Salzburg wurde der ehemalige Sigmundsplatz zum Herbert-von-Karajan-Platz umbenannt. Am 19. September 1996 wurde der Bereich neben der Wiener Staatsoper – an der Kärntner Straße zwischen Opernring und Philharmonikerstraße (→ Hotel Sacher) – als Herbert-von-Karajan-Platz benannt.

In Berlin-Tiergarten wurde die Matthäikirchstraße, an der die Philharmonie liegt, in Herbert-von-Karajan-Straße umbenannt.

Am Flughafen Salzburg wurde ein Terminal nach dem flugbegeisterten Dirigenten Herbert-von-Karajan-General-Aviation-Terminal benannt.

Am 13. Juni 1991 erschien die Österreichische 500-Schilling-Gedenkmünze Herbert Karajan in Silber in einer Auflage von 350.000 Stück. Sie zeigt auf der Vorderseite das Porträt des berühmten Dirigenten sowie seinen Namen in Form seiner Signatur. Auf der Rückseite ist das Festspielhaus Salzburg abgebildet.

Am 26. September 2007 wurde der Asteroid (6973) Karajan nach ihm benannt.

Am 16. Juli 1999, genau zehn Jahre nach Karajans Tod, erinnerte Claudio Abbado, Karajans Nachfolger als Chefdirigent der Berliner Philharmoniker, im Salzburger Dom mit einer Aufführung von Mozarts Requiem an seinen Vorgänger.
Zitate

„Wenn ich so viel innerlich noch zu sagen habe, und mein Körper verweigert mir seine Dienste – dann hat die Natur mir einen anderen Körper zu verschaffen.“

„Jede künstlerische Leistung ist ein Sieg über die menschliche Trägheit.“

„Wer die Form zerstört, beschädigt auch den Inhalt.“

„Frauen gehören nicht ins Sinfonieorchester, sondern an den Herd.“– ein Ausspruch, der angesichts von Karajans Einsatz für die Klarinettistin Sabine Meyer kaum als ernst gemeint zu verstehen ist.
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Vladimir Horowitz

Vladimir Horowitz (russisch Владимир Самойлович Горовиц / Wladimir Samoilowitsch Gorowiz; hebräisch ולדימיר הורוביץ;...
Vladimir Horowitz (russisch Владимир Самойлович Горовиц / Wladimir Samoilowitsch Gorowiz; hebräisch ולדימיר הורוביץ; ukrainisch Володимир Самійлович Горовиць / Wolodymyr Samijlowytsch Horowyz) (* 18. Septemberjul./ 1. Oktober 1903greg. in Berditschew, Russisches Kaiserreich; † 5. November 1989 in New York City) war ein ukrainischer Pianist. Ab 1944 war er US-amerikanischer Staatsbürger. Er gilt als einer der berühmtesten Klaviervirtuosen des 20. Jahrhunderts.

Leben

Vladimir Horowitz wurde am 1. Oktober 1903 – nicht 1904 wie seit 1925 verbreitet und was schon 1983 von seinem Biografen Glenn Plaskin (* 1953) bezweifelt worden ist – im Schtetl von Berditschew in der russischen Ukraine als Sohn eines Elektroingenieurs geboren. Andere Quellen nennen Kiew als Geburtsort. Er stammte aus einer assimilierten jüdischen Familie. Ersten Klavierunterricht erhielt er mit sechs Jahren von seiner Mutter, einer Amateurpianistin. Noch während seiner Schulzeit studierte er am Kiewer Konservatorium Klavier und Komposition bei Wladimir Puchalski, Sergej Tarnowsky und vor allem bei Felix Blumenfeld. Vom Spiel des 11-jährigen Horowitz beeindruckt, empfahl Alexander Skrjabin den Eltern seine Förderung. Um die durch den Ersten Weltkrieg und die Oktoberrevolution verarmte Familie zu unterstützen, tourte Horowitz ab 1921 ohne sonderlichen Erfolg als Pianist durch Russland, obwohl er eigentlich Komponist werden wollte. Auch 25 Konzertabende in der Saison 1924/25 in Leningrad erbrachten nur minimalen finanziellen Gewinn.Häufig wurde er als politischer Propagandaträger eingesetzt – eine Rolle, die ihm nicht zusagte; er kam aber zu frühem Ruhm als einer der meistversprechenden jungen Pianisten.
Berlin, Hamburg, New York

Er verließ mit seinem Freund und Manager Alexander Marowitsch im Herbst 1925 die Sowjetunion und reiste nach Berlin. Am 18. Dezember gab er im Blüthner-Saal des Klindworth-Scharwenka-Konservatoriums sein Debüt in Deutschland als Solist im 1. Klavierkonzert von Tschaikowski mit dem Berliner Symphonie-Orchester unter Oskar Fried.

Am 2., 4. und 14. Januar 1926 veranstaltete die Künstler-Agentur Hermann Wolff & Jules Sachs drei Klavierabende mit Horowitz im Beethoven-Saal der Berliner Philharmonie. Sie wurden zu großen künstlerischen Erfolgen, und die Kritiken waren ausgezeichnet; der letzte Abend war ausverkauft. Am 19. Januar sprang er – ohne Probe − in Hamburg für einen erkrankten Kollegen ein; das b-Moll-Konzert von Tschaikowski machte Furore. Noch im Januar 1926 spielte er für die Freiburger Firma M. Welte & Söhne zwölf Stücke für ihr Reproduktionsklavier Welte-Mignon ein, darunter seinen Moment exotique (Danse excentrique). Es sind Horowitz’ älteste Aufnahmen. Ein zweiter Klavierabend in Hamburg und die folgenden Konzerte in anderen deutschen Städten, in der Schweiz, in Italien und Frankreich gerieten zu gefeierten Sensationen. Am 25. Oktober 1926 gastierte Horowitz erstmals bei den Berliner Philharmonikern, mit Liszts A-Dur-Konzert unter Wilhelm Furtwängler. Nach Konzerten in London und Paris spielte er am 7. November 1927 zum zweiten Mal mit den Berliner Philharmonikern, diesmal Tschaikowskis b-Moll-Konzert unter Bruno Walter.

Am 12. Januar 1928 debütierte Horowitz mit dem Tschaikowski-Konzert in der Carnegie Hall mit den New Yorker Philharmonikern unter Thomas Beecham. Im dritten und letzten Konzert mit den Berliner Philharmonikern unter Furtwängler am 21. Oktober 1929 spielte er das 2. Klavierkonzert von Brahms. Furtwängler und Horowitz verstanden sich nicht. Am 12. Juni 1931 entstand Horowitz’ einzige erhaltene Berliner Schallplattenaufnahme, Rachmaninows g-Moll-Prélude.

Am 30. März 1932 spielte Horowitz mit Nathan Milstein und Gregor Piatigorsky in der Carnegie Hall Klaviertrios von Beethoven, Rachmaninow und Brahms. Im selben Jahr konzertierte er in New York City zum ersten Mal mit Arturo Toscanini. Am 21. Dezember 1933 heiratete er dessen Tochter Wanda. Wanda Toscanini Horowitz legte großen Wert auf die Erhaltung ihres Namens. Ihr Vater und Horowitz schätzten und mochten einander. Sie musizierten oft zusammen und nahmen zwei Schallplatten auf (Brahms’ B-Dur- und Tschaikowskis b-Moll-Konzert).

Vom Konzertleben erschöpft und krank, lebte Horowitz von 1934 bis 1938 zurückgezogen in Paris, davon ab 1937 mit seinem Schüler und Liebhaber Nico Kaufmann. Nachdem er schon 1932 die in Deutschland letzten Konzerte gegeben hatte, übersiedelte er 1939 aufgrund der politischen Entwicklung in Europa endgültig in die USA. 1944 erhielt er die amerikanische Staatsbürgerschaft.
Belastungen und Pausen

Horowitz’ Laufbahn war von zahlreichen Rückzügen, nervlichen Krisen und krankheitsbedingten Pausen unterbrochen. Nachdem er am 12. Januar 1953 mit den New Yorker Philharmonikern unter George Szell konzertiert und am 25. Februar mit einem Klavierabend an sein 25 Jahre zurückliegendes Debüt erinnert hatte, verzichtete er auf öffentliche Auftritte; Schallplattenaufnahmen machte er aber weiterhin. Nach 12 Jahren gab er am 19. Mai 1965 in der Carnegie Hall erstmals wieder einen Klavierabend. Mit dem phänomenalen Erfolg hatte er selbst nicht gerechnet. Anfang 1968 entstanden – mit Publikum – in der Carnegie Hall die Aufnahmen für das erste Fernsehkonzert, das am 22. September von CBS ausgestrahlt wurde. 1969 zog Horowitz sich abermals aus dem Konzertleben zurück.

Seine Tochter Sonya (* 1934) starb 1975 durch eine Überdosis Schlaftabletten. Das Leben mit seiner Frau Wanda gestaltete sich nicht immer einfach, weil er im Gegensatz zu ihr introvertiert und verschlossen sein konnte. Die Belastungen führten zu weiteren Problemen. So nahm Horowitz ab 1982 für einen gewissen Zeitraum Antidepressiva ein, was sein Spiel beeinträchtigte und sich 1983 bei zwei Konzerten in Tokio zeigte.
Auftritte im Weißen Haus, Rückkehr und Schüler

Anlässlich des 50. Jahrestages seines Debüts in der Carnegie Hall vom 12. Januar 1928 wurde er am 26. Februar 1978 ins Weiße Haus eingeladen und spielte im East Room vor etwa 300 Gästen ein Rezital mit Werken Chopins (so dessen zweite Klaviersonate und die As-Dur-Polonaise) und kürzeren Stücken Schumanns und Rachmaninows, das im Fernsehen übertragen wurde. Er wurde von Gastgeber Jimmy Carter mit einer Laudatio begrüßt, begann das Konzert mit der amerikanischen Nationalhymne The Star-Spangled Banner und beendete es mit seinen Carmen-Variationen. Bereits 1931 war er von Präsident Herbert Hoover eingeladen worden, um im Weißen Haus zu spielen.

Elmar Weingarten und Peter Gelb gewannen ihn 1985 mit einiger List, nach 52 Jahren wieder in Deutschland aufzutreten – durch eine Konzertreise an die Stätten seiner frühen Triumphe. Nachdem er sie am 20. und 27. April 1986 in Moskau und Leningrad begonnen hatte, kam der 83-Jährige am 11. Mai 1986 zunächst nach Hamburg. Der Erfolg in der Laeisz-Halle stand jenem in Russland nicht nach. Richard von Weizsäcker verlieh Horowitz danach das Große Bundesverdienstkreuz mit Stern und Schulterband. Am Pfingstsonntag (18. Mai) empfing ihn das Publikum in der Berliner Philharmonie mit stehenden Ovationen. Vom Jubel überwältigt, spielte er eine Woche später noch einmal – wie Franz Liszt 1842.

Es folgten Konzerte in London und Tokio und im Spätherbst 1986 in Frankfurt am Main, Amsterdam, wieder in London und in Chicago. Im folgenden Jahr spielte Horowitz in Amsterdam am 24. Mai und – erstmals seit 50 Jahren – in Wien am 31. Mai 1987. Die letzten Konzerte in Deutschland gab er in Berlin am 7. und in Hamburg am 21. Juni 1987. Wie seit Jahrzehnten begannen alle Konzerte an Sonntagen um 16.00 Uhr.

Im Oktober 1989 trat Horowitz bei der Signierstunde eines New Yorker Schallplattengeschäfts letztmals in der Öffentlichkeit auf. Am 5. November 1989 starb er an einem Herzinfarkt. Am 10. November (dem Tag nach dem Fall der Berliner Mauer) wurde er in der Mailänder Gruft der Toscanini beigesetzt. Den Großteil seines auf acht Millionen Dollar geschätzten Vermögens hinterließ er seiner Frau.

Horowitz hatte einige Schüler wie Gary Graffman, Ronald Turini oder Byron Janis, für den er Etüden schrieb und der später angab, ohne rechtzeitige Selbstbesinnung hätte er eine Kopie seines Lehrers werden können.
Klavierkunst

Schon zu Beginn seiner Karriere wurde Horowitz häufig mit Franz Liszt oder Anton Rubinstein verglichen und galt als einer der virtuosesten Pianisten seiner Zeit. Man lobte sowohl seine überragende Technik, die kräftigen Oktaven und Bässe, die dynamische Variabilität seines Spiels wie die breite Palette an Klangfarben. Dabei mied er ausgetretene Bahnen und wählte auch selten gespielte Werke von Komponisten, deren Œuvre im Schatten Beethovens und Chopins liegt.

Horowitz war berühmt für sein gewaltiges und durchdachtes, vom blanken Artistentum freies Klavierspiel. Stand er Gesamtaufnahmen auch ablehnend gegenüber, zeigte er doch ein sehr breites Repertoire mit Werken der Wiener Klassik und Romantik sowie einigen des 20. Jahrhunderts. So spielte er Johannes Brahms’ erstes und zweites Klavierkonzert ebenso ein wie die 1949 von ihm uraufgeführte Klaviersonate Samuel Barbers und die dritte Klaviersonate Dmitri Borissowitsch Kabalewskis oder wählte abgelegene Stücke Carl Czernys, Gabriel Faurés, Francis Poulencs oder Moritz Moszkowskis.


Die Schwerpunkte waren indes die Werke von Frédéric Chopin, Franz Liszt und Robert Schumann sowie der russischen Komponisten Sergei Rachmaninow und Alexander Skrjabin. Seine Einspielungen einiger Sonaten von Domenico Scarlatti haben Referenzstatus. Daneben gilt Horowitz als tragender Pianist und Wiederentdecker der Werke von Muzio Clementi, den er als „Vater des modernen Klavierspiels“ bezeichnete.

Hilfreich beim Durchsetzen seiner Vorstellungen war auch der Umstand, dass er bei jedem Konzert auf seinem eigenen Instrument, einem Steinway-Konzertflügel amerikanischer Bauart, spielte. Bei den Tourneen reiste ein eigens engagierter Klaviertechniker mit und war für korrekten Aufbau und das Stimmen verantwortlich.Auch Schallplatten wurden an seinem persönlichen Flügel eingespielt.

Für Joachim Kaiser war Horowitz der fesselndste Liszt-Interpret seiner Zeit. Eine frühe Aufnahme der h-Moll-Sonate zeige, wie Virtuosität umschlage „in wahnwitzige Gespanntheit“. Horowitz habe die berüchtigte Oktavpassage kurz vor dem Schluss nicht nur fabelhaft schnell und klangvoll gespielt, sondern gezeigt, wie sich in diesen „Oktaven ein gehetztes und grandioses Lisztsches Temperament“ ausgedrückt habe, ein „Ringen um Tod und Leben“. Sein rhythmisches Raffinement, mit dem er etwa die 19. Ungarische Rhapsodie spiele, sei unerlernbar. Daneben kritisierte er gewisse Manierismen, etwa in Mozarts A-Dur-Sonate und selbst in Schumanns Kreisleriana.

Andere Kritiker warfen ihm seinen freien Umgang mit dem Notentext vor und wandten ein, er würde durch extreme Tempi und dynamische Übertreibungen den Gehalt der Werke des Effekts wegen ignorieren. So nannte ihn der amerikanische Komponist und Kritiker Virgil Thomson einen „Meister der Entstellung“. Man verwies auf seine blumige und übertrieben eigenwillige Interpretation der Werke Mozarts und Beethovens (den er nicht mochte). Claudio Arrau hielt dem für seine Oktaven berühmten Kollegen vor, gerade bei längeren Oktavpassagen zu verkrampfen und unmusikalisch zu werden.

Auch Horowitz sparte nicht mit Kritik an Kollegen; so bezeichnete er den britischen Pianisten und Beethoven-Interpreten Solomon als Langweiler und kritisierte immer wieder junge Klavierspieler, denen es an Musikalität mangele. Mit den Worten „I want to be Cziffra!“ sprach er dem ungarisch-französischen Virtuosen György Cziffra seine Bewunderung aus. Horowitz zählte zu den größten Pianisten des 20. Jahrhunderts und wurde, nach dem Titel eines amerikanischen Dokumentarfilms, als letzter echter Romantiker am Klavier bezeichnet („The Last Romantic“).
Horowitz als Bearbeiter
Horowitz transkribierte einige Werke von Mendelssohn, Liszt, Mussorgski, Sousa, Bizet, Saint Saëns und anderen Komponisten für Klavier und spielte diese Bearbeitungen – neben brillanten Salonstücken Moszkowskis oder Sonaten Scarlattis – gern als Zugabe. Dabei verzichtete er nicht auf eigene „Zutaten“ wie donnernde 16tel-Oktav-Passagen, wuchtige Akkorde und perlende Läufe. Besonders hervorzuheben sind die Bearbeitungen der 2. und 15. Ungarischen Rhapsodie von Franz Liszt, dessen Transkription des Hochzeitsmarsches aus Mendelssohns Orchesterwerk Ein Sommernachtstraum und des Militärmarsches Stars and Stripes Forever von Sousa. Neben kleineren Stücken und einer umstrittenen Transkription von Ravels Orchesterfassung von Mussorgskis Bilder einer Ausstellung ist vor allem die Carmen-Fantasie zu erwähnen. Dieses sehr virtuose Stück wird von einigen Pianisten wie Arcadi Volodos, Evgeny Kissin und Yuja Wang gelegentlich als Zugabe gespielt.
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Fantasien Op. 116: VI. Intermezzo, Andantino teneramente

Provided to YouTube by The Orchard Enterprises Fantasien Op. 116: VI. Intermezzo, Andantino teneramente · Johannes...
Provided to YouTube by The Orchard Enterprises Fantasien Op. 116: VI. Intermezzo, Andantino teneramente · Johannes Brahms · Markus Groh The Late Piano Pieces...
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Kinderszenen

Kinderszenen, op. 15, ist ein aus dreizehn kurzen Klavierstücken bestehender Zyklus von Robert Schumann aus dem Jahr...
Kinderszenen, op. 15, ist ein aus dreizehn kurzen Klavierstücken bestehender Zyklus von Robert Schumann aus dem Jahr 1838. Im Unterschied zum Album für die Jugend, op. 68, handelt es sich um Stücke, die nicht für Kinder, sondern nach Schumanns eigenen Worten als „Rückspiegelung eines Älteren für Ältere“ komponiert wurden. Das berühmteste Stück dieses Zyklus ist die „Träumerei“. Die Kinderszenen beeinflussten die romantische Programm-Miniatur für Klavier wie kein anderer zuvor geschriebener Zyklus.

Hintergrund und Deutung

Fernab von der dominierenden Virtuosität des 19. Jahrhunderts, deren Äußerlichkeit er ablehnte, komponierte Schumann auch kleine Charakterstücke. Am 19. März 1838 schreibt er an Clara Wieck: „Und daß ich es nicht vergesse, was ich noch komponiert. War es wie ein Nachklang von deinen Worten einmal, wo du mir schriebst, ich käme dir auch manchmal wie ein Kind vor – kurz, es war mir ordentlich wie im Flügelkleide, und hab ich da an die 30 kleine putzige Dinger geschrieben, von denen ich etwa zwölf ausgelesen und Kinderszenen genannt habe.“
Verhältnis zur Programmmusik

Ob und inwiefern die Kinderszenen als Programmmusik aufzufassen sind, geht u. a. aus Schumanns Reaktion auf eine abfällige Kritik von Ludwig Rellstab hervor: „Ungeschickteres und Bornierteres ist mir aber nicht leicht vorgekommen, als es Rellstab über meine Kinderscenen geschrieben. Der meint wohl, ich stelle mir ein schreiendes Kind hin und suche die Töne danach. Umgekehrt ist es –: die Überschriften entstanden natürlich später und sind eigentlich nichts als feinere Fingerzeige für Vortrag und Auffassung.“

Wie Schumann allgemein über die Rolle außermusikalischer Einflüsse auf die Musik dachte, zeigt sich z. B. an seinen Ausführungen zur Symphonie fantastique von Berlioz: „Was überhaupt die schwierige Frage, wie weit die Instrumentalmusik in der Darstellung von Gedanken und Begebenheiten gehen dürfe, anlangt, so sehen hier viele zu ängstlich. Man irrt sich gewiß, wenn man glaubt; die Komponisten legten sich Feder und Papier in der elenden Absicht zurecht, dieses oder jenes auszudrücken, zu schildern, zu malen. Doch schlage man zufällige Einflüsse und Eindrücke von außen nicht zu gering an. Unbewußt neben der musikalischen Phantasie wirkt oft eine Idee fort, neben dem Ohr das Auge, und dieses, das immer tätige Organ, hält dann mitten unter den Klängen und Tönen gewisse Umrisse fest, die sich mit der vorrückenden Musik zu deutlichen Gestalten verdichten und ausbilden können...“
Philipp Otto Runge: „Die Hülsenbeckschen Kinder“
Idealisierung der Kindheit

In der Romantik betrachtete man die Kindheit verklärend als Gegenpol zur Bedrängnis des Alltags und der Erwachsenenwelt. Hölderlin schreibt: „Da ich noch ein stilles Kind war und von dem allen, was uns umgibt, nichts wußte, war ich da nicht mehr, als jetzt, nach all den Mühen des Herzens und all dem Sinnen und Ringen! Ja! ein göttlich Wesen ist das Kind, solang es nicht in die Chamäleonsfarbe des Menschen getaucht ist. Es ist ganz, was es ist, und darum ist es so schön.“ Auch Schumann spricht idealisierend von der Kindheit: „In jedem Kind liegt eine wunderbare Tiefe.“ Die unverdorbene Natürlichkeit der kindlichen Welt rückt diese in unmittelbare Nachbarschaft zur Natur, in der die Romantik eine Hauptquelle der Poesie sieht. Natürlichkeit und Kindheit sind Idealzustände, die der normale Erwachsene verloren hat und die es wiederzufinden gilt. Philipp Otto Runge: „Kinder müssen wir werden, wenn wir das Beste erreichen wollen.“
Poetische Inhalte

Im Einklang mit der spezifisch romantischen Musikauffassung betrachtet Schumann die Musik als eine Art höhere Sprache, die es ermöglicht, poetische Inhalte mitzuteilen, die in Worten nicht ausgedrückt werden können.

In den Kinderszenen werden typische Elemente romantischer Poesie angesprochen, wie z. B.

Sehnsucht nach unbekannten fernen Welten, Abenteuerlust (Von fremden Ländern und Menschen)
Interesse am Ungewöhnlichen, Individuellen, Skurrilen oder Humorvollen (Kuriose Geschichte)
Abkehr von der alltäglichen Außenwelt, Rückzug in die Innerlichkeit (Träumerei)
Hineinversetzen in Fantasiewelten (Ritter vom Steckenpferd)
Melancholie, Weltschmerz (Fast zu ernst)
Interesse am Unheimlichen, Gruseligen (Fürchtenmachen)

Der Dichter spricht, Kadenz
Aufschwung, aus Fantasiestücke op. 12

Besonders deutlich wird der poetische Aspekt an den beiden Schlussstücken Kind im Einschlummern und Der Dichter spricht. Das erste Stück endet mit einem offenen Schluss auf der Subdominante von e-Moll; der Anfang des zweiten Stücks setzt den Kadenzverlauf nach G-Dur modulierend fort, so dass beide Stücke einen unmittelbaren musikalischen Zusammenhang bilden. Das Eintauchen in die nächtliche Traumwelt des schlummernden Kindes öffnet das Tor für die poetische Mitteilung des letzten Stücks. Dieses beginnt mit einem vierstimmigen Choralsatz, der auf den quasi religiösen Charakter der Botschaft verweist: Musikalische Poesie als göttliche Inspiration und Verkündigung. Im Zentrum des Stücks erscheint eine leise kadenzartige Passage, deren Melodie stark an den Anfang des zweiten der Fantasiestücke op. 12 (Aufschwung) erinnert. Hier handelt es sich freilich nicht wie dort um einen leidenschaftlich stürmischen „Aufschwung“, sondern um ein zartes, geradezu mystisches Aufschwingen der Seele in höhere Sphären, etwa im Sinne einer Formulierung des 17-jährigen Schumann: „Auf der Blumenleiter der Natur nähert sich die Seele des Dichters immer leiser und leiser dem Bilde der Gottheit“. „Immer leiser und leiser“ endet dann auch das Stück in vollkommener Ruhe.
Metronomangaben

Die Erstausgabe der Kinderszenen enthält keine verbalen Tempoangaben, sondern nur Metronomzahlen. Diese stammen zwar wahrscheinlich nicht von Schumann selbst, aber er hat sie gekannt und dadurch autorisiert, dass er sie in späteren Auflagen nicht korrigierte. Diese Metronomzahlen sind jedoch vielfach ignoriert worden, wie z. B. aus der obigen Tabelle ersichtlich wird. Dort sind neben den originalen Angaben der Erstausgabe die der Ausgabe von Conrad Kühner (ca. 1880) und die von Emil von Sauer in seiner Ausgabe von 1922 vorgeschlagenen Metronomzahlen angegeben. Die Herausgeber weichen von den ursprünglichen Angaben in unterschiedlicher Weise ab, zumeist im Sinne einer Verlangsamung, manchmal jedoch auch beschleunigend. Besonders krass fällt der Unterschied bei dem Stück Hasche-Mann aus. Während Kühner das ohnehin schon schnelle Originaltempo Viertelnote = 138 auf Viertelnote = 108 reduziert, übersteigert es Sauer auf ein fast utopisches Viertelnote = 184. Das einzige Stück, das in allen drei Ausgaben die gleiche Metronomangabe aufweist, ist Der Dichter spricht. In der Werkausgabe von Clara Schumann sind die Metronomzahlen komplett weggelassen, so dass hier dem Spieler wegen der gleichzeitig fehlenden verbalen Tempobezeichnungen völlig freie Hand gelassen wird.

Bei fast allen Einspielungen der Kinderszenen weichen die meisten Tempi von den ursprünglichen Metronomangaben in zum Teil eklatanter Weise ab, und zwar überwiegend im Sinne einer deutlichen Verlangsamung. So werden etwa die Stücke Von fremden Ländern und Menschen und Träumerei in der Regel wesentlich langsamer gespielt als es der jeweiligen Metronomzahl entspricht. Es scheint sich das (heute als falsch erkannte]) Gerücht durchgesetzt zu haben, mit Schumanns Metronom habe etwas nicht gestimmt, und deshalb seien seine Vorschriften nicht bindend. In merkwürdigem Gegensatz zu dieser Auffassung steht die Tatsache, dass die meisten Interpreten Schumanns Metronomangaben zu den Waldszenen weitgehend exakt oder zumindest näherungsweise befolgen. Der Schumann-Preisträger Michael Struck plädiert dafür, auch die Metronomzahlen der Kinderszenen ernster zu nehmen.
Rezensionen

Franz Liszt: „In den Kinderszenen [...] offenbart sich jene Anmut, jene immer das Richtige treffende Naivität, jener geistige Zug, der uns bei Kindern oft so eigentümlich berührt und, während ihre Leichtgläubigkeit uns ein Lächeln entlockt, uns zugleich durch die Scharfsinnigkeit ihrer Fragen in Verlegenheit setzt – ein Zug, der auch bei den Kulturanfängen der Völker zu finden ist und jenen Ton phantasievoller Einfalt bildet, welcher die Lust am Wunderbaren weckt.“
Ernst Bücken: „Merkwürdigerweise sind diese schlichten Kompositionen, deren Anregung wohl der Münchener Universalist Graf Pocci mit seinen Liedern und Klavierstücken für Knaben und Mädchen gab, schon von der zeitgenössischen (RelIstab), wie der späteren Kritik, die sie meist in die Sphäre Ludwig Richters hineinversetzte, mißkannt worden. Die Kinderszenen sind […] von einer Phantasie geschaffen, die sich hier ersichtlich nur für einige schöne Augenblicke in das Kinderparadies hineinversetzt und hineingeträumt hat. Biedermeierliche Enge und Beschränktheit aber kennt der Schöpfer der Kinderszenen im Gegensatz zu Ludwig Richter nicht, dessen Phantasie in diesem biedermeierlichen Kreise zu Hause ist, und so sehr, daß sie dieses >Haus überhaupt nicht mehr verläßt. Schumann tut das Gegenteil. In der Kadenz des letzten Tonstückes Der Dichter spricht rüstet seine Phantasie in einem Zitat aus den Phantasiestücken sich wieder zum Flug in das Reich der großen Tonschöpfungen.“
Hans Pfitzner: „Wir schlagen auf: Kinderszenen von Schumann, Nr. 7, Träumerei. Jedes der kleinen Stücke dieses Opus ist musikalisches Gebilde von feinem Reiz, Poesie, Musikalität und vor allem persönlichster Eigenart; aber wer, der die Ursache der Musik versteht, erkennte nicht, daß diese Träumerei ganz einzig hervorragt durch die Qualität der Melodie. Wer sie nicht versteht, für den ist's ein Stückchen in Liedform mit Tonika, Dominante, Unterdominante und den nächstliegenden Tonarten – ohne irgendwelche Abweichung vom Üblichen [...]. Aber für uns Wissende, welch ein Wunder der Eingebung! Was ist darüber zu sagen, das dem, dem diese Melodie [...] nicht ›durch und durch‹ geht, das Verständnis erschließen könnte? – Nichts. Ich kann von dem Adel der Tonsprache reden, von dem absolut Vorbildlosen, Tiefpersönlichen, Ur-eigentümlichen der Melodie, dem Deutschen, Zarten, Traulichen derselben, – es ist, als ob die Worte vor den Tönen im Kreis herum flöhen, sie können addiert alle nicht entfernt das sagen, was die Melodie selbst ausspricht. Der Titel gibt einen leisen Hinweis für die Stimmung, der noch besser verständlich wird, wenn man sich vorstellt, daß es nicht die Träumerei eines Kindes (also nicht eigentlich in die Kinderszenen gehörig) und zweitens eine Träumerei, nicht etwa eine reverie ist, – ein sinniges, ernstes, tief sich verlierendes, feinseeliges und doch kräftiges Gefühl, etwa wie der auf die Hand gestützte bekannte Schumannkopf ahnen läßt. Bis ins Unbegrenzte ließe sich in dieser Weise weiter – schwärmen, ohne den Zauber dieser Musik mit Worten zu beschwören; es ist ein Tropfen Musik aus tiefstem Quell; wir sind auch musikalisch verkommen und verloren, wenn wir uns dieser Schönheit entwöhnen.“
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00:35:18

Klavierkonzert No.2

Das 2. Klavierkonzert op. 18 in c-Moll wurde von Sergei Rachmaninow in den Jahren 1900/1901 komponiert. Uraufgeführt...
Das 2. Klavierkonzert op. 18 in c-Moll wurde von Sergei Rachmaninow in den Jahren 1900/1901 komponiert. Uraufgeführt wurde es am 27. Oktober 1901 in Moskau unter der Leitung von Alexander Siloti, der Komponist spielte den Solopart. Gewidmet hat Rachmaninow das Werk dem russischen Neurologen Nikolai Dahl.

Als Rachmaninow mit der Komposition des 2. Klavierkonzerts begann, hatte er eine schwere Schaffenskrise durchgemacht. Im Oktober 1897 war seine 1. Sinfonie in d-Moll sowohl beim Publikum als auch bei der Kritik durchgefallen, eine Erfahrung, die dem jungen Komponisten hart zusetzte. Bis dahin von einem Erfolg verwöhnt, der wie im Alleingang dahergekommen war, fühlte er sich plötzlich außerstande, mit neuen Kompositionen an die Öffentlichkeit zu treten. Rachmaninow, für seine Schwermütigkeit bekannt, verfiel in Selbstzweifel und schließlich Depressionen. Seiner Verwandtschaft gelang es, ihn zu einer Therapie zu bewegen. Der Neurologe Dahl behandelte ihn erfolgreich mittels Hypnose. Rachmaninow schrieb hierüber später:

„Ich hörte die gleichen hypnotischen Formeln Tag für Tag wiederholt, während ich schlafend in Dahls Behandlungszimmer lag. ‚Du wirst dein Konzert schreiben… du wirst mit großer Leichtigkeit arbeiten… Das Konzert wird von exzellenter Qualität sein…‘ Es waren immer dieselben Worte, ohne Unterbrechung. Auch wenn es unglaublich erscheint, diese Therapie half mir wirklich. Im Sommer begann ich zu komponieren. Das Material wuchs und neue musikalische Ideen begannen sich in mir zu regen.“

Rachmaninow widmete das Konzert zum Dank dem Arzt.
Das Konzert

Rachmaninow hatte den 2. und den 3. Satz des Konzerts zuerst fertiggestellt. Die Sätze wurden am 2. Dezember 1900 unter der Leitung von Alexander Siloti und mit Rachmaninow am Klavier der Öffentlichkeit vorgestellt. Schon diese Aufführung stieß trotz des fehlenden Kopfsatzes auf Begeisterung und einmütiges Lob. Nikolai Kaschkin schrieb:

„Sein großes Talent hat schon seit langem nicht nur die Aufmerksamkeit in Russland auf sich gezogen, sondern auch im Ausland. Erst jetzt aber scheint es, als sei dieses Talent sich seiner inneren Kraft völlig bewusst und deshalb frei von dem früheren Zwang, außergewöhnlichen Effekten der Harmonik und Instrumentierung hinterherzulaufen. Die klassische Klarheit der Form, die Weite der Melodien, die Üppigkeit und Kraft der Harmonik zwingen uns, das Werk im echten Sinne des Wortes als bemerkenswert anzusehen.“

Das Konzert genießt bis heute eine große Popularität wegen seiner ganz der Romantik geschuldeten, liedhaft-melodiösen Themen. Selbst Rachmaninows 3. Klavierkonzert von 1909, das ähnlich angelegt ist, konnte ihm trotz großer Anerkennung nicht den Rang ablaufen.

Die Satzbezeichnungen lauten:

Moderato
Adagio sostenuto
Allegro scherzando

Der Kopfsatz
Die ersten acht Akkorde des Konzerts
1. Thema (ab Takt 11)

Das Klavier beginnt solistisch mit acht Akkorden, die gleichsam Glockenschlägen wie aus der Ferne tönen und sich in der Lautstärke allmählich steigern. Um diese wie vorgesehen spielen zu können, braucht man große Hände, weil die Akkorde der linken Hand in Dezim-Intervalle eingebunden sind. Rachmaninow selbst, obwohl er große Hände besaß, spielte allerdings in seiner Tonaufnahme von 1929 in allen Akkorden ab dem zweiten das große F wie einen Vorschlag; insofern hat auch diese Variante, die für kleinere Hände geeignet ist, Gültigkeit.

Das erste Thema, eine schwermütige Melodie in c-Moll, setzt in Takt 11 im Orchester ein und wird von wirbelnden Läufen im Klavierpart begleitet. Ab Takt 28 wird das Thema von den Celli bzw. später Streichern weitergesponnen. Das Klavier übernimmt in Takt 55, löst die Fortsetzung ab Takt 63 in eine Art Kadenz auf. Arhythmische Akkorde leiten das zweite, lyrische Thema in Es-Dur ein. Beginnend in Takt 83 wird es zunächst vom Klavier vorgestellt und schließlich vom Solisten wie dem Orchester weitergesponnen.

Die Durchführung beginnt in Takt 161 mit dem ersten Motiv des ersten Themas, dem die Querflöte mit dem Zuruf as’’ – b’’ – g’’ – as’’ – c’’ antwortet. Dieser Zuruf gewinnt im Folgenden an Bedeutung, wird moduliert und vom Klavier aufgegriffen. In Tonrepetitionen und markanten Akkorden bestimmt es schließlich das Wesen der Durchführung. Es wird von einer Tonart in die nächste geführt, die Modulationen reichen bis Gis-Dur. Motive des zweiten Themas scheinen in der Durchführung ebenfalls auf (z. B. ab Takt 218), werden aber fast nicht wahrgenommen, weil das Klavier sie überlagert. Die Reprise beginnt in Takt 246 im Orchester, dem das Klavier in massiver Bestimmtheit das Zuruf-Motiv akkordisch entgegensetzt. Das zweite Thema (As-Dur) folgt rasch (Takt 298 in den Hörnern), ab Takt 314 wird die Schlussphase des ersten Satzes eingeleitet.
Der 2. Satz
1. Thema des 2. Satzes (ab Takt 9); die Arpeggien zu je vier aufsteigenden Noten in der Begleitung erzeugen einen 4:3 Polyrhythmischen Effekt gegen die Melodiestimme

Das Adagio sostenuto steht in E-Dur. Nach vier einleitenden Takten beginnt das Klavier mit einer ruhigen Sequenz von Arpeggien, welche in ihrer Wiederholung zur Begleitung des ersten Themas wird. Dieses stellt zuerst die Querflöte vor, die Klarinette übernimmt. Ab Takt 24 tauschen Solist und Orchester die Rollen. In Takt 47 tritt ein weiteres, etwas leidenschaftlicheres Thema in Moll hinzu, das Orchester und Klavier durchführen. Abgerundet wird der Satz durch das Aufgreifen des ersten Themas, mit dem er auch beschlossen wird.
Der 3. Satz

Der 3. Satz (Tonart: c-Moll) beginnt mit einem Dialog zwischen Orchester und Klavier, das sich in virtuosen Läufen präsentiert. Das eigentliche Thema, das sprunghafte Kadenzen mit Läufen kombiniert, beginnt in Takt 43. Ein Zwischenmotiv (Takt 75) leitet den Übergang zu einem zweiten Thema ein, das in Takt 106 beginnt. Seine Durchführung mündet in einem erneuten Aufgreifen des Themas sowie in einem an die Virtuosität eines Pianisten hohe Ansprüche stellenden Schlusspart.
Besetzung

2 Flöten, 2 Oboen, 2 Klarinetten, 2 Fagotte, 4 Hörner, 2 Trompeten, 3 Posaunen, Tuba, Pauken, Gr. Trommel, Becken, Soloklavier und Streicher
Abgeleitete Werke

Der US-amerikanische Songwriter Eric Carmen hat für den Song All By Myself das Thema des 2. Satzes übernommen. Weiter sind Fragmente des Themas bei Billy Joel in seinem Song Honesty zu hören.
Populäre Rezeption

Das 2. Klavierkonzert ist zu großen Teilen als Filmmusik im David-Lean-Liebesdrama Begegnung aus dem Jahr 1945 zu hören. Eine große Rolle spielt die Musik außerdem im französisch-amerikanischen Film Weggehen und Wiederkommen (1985). In der Romanverfilmung Menschen im Hotel von 1932 mit Greta Garbo sowie im Tanzfilm Center Stage aus dem Jahr 2000 wird das Stück ebenfalls gespielt. Ein längerer Teil des Klavierkonzerts ist im Finale des Films Symphonie des Herzens mit Elizabeth Taylor von 1954 zu hören. Im Film Das verflixte 7. Jahr von 1955 lässt sich Marilyn Monroe zu Rachmaninows 2. Klavierkonzert verführen.

Im Anime Nodame Cantabile (2007) wird in der 11. Episode das Stück von einem Studentenorchester zur Begeisterung der anwesenden Kritiker vorgetragen. In der 12. Episode bekommt man eine schnelle Interpretation auf zwei Klavieren zu hören.
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00:42:26

Symphony No.9 - Aus der neuen Welt

Die 9. Sinfonie e-Moll op. 95 (B 178) Antonín Dvořáks trägt den Namen Aus der Neuen Welt (Z nového světa), da sie...
Die 9. Sinfonie e-Moll op. 95 (B 178) Antonín Dvořáks trägt den Namen Aus der Neuen Welt (Z nového světa), da sie von Dvořáks dreijährigem Amerika-Aufenthalt inspiriert wurde. Sie wurde zu Lebzeiten des Künstlers als seine 5. Sinfonie bekannt.

Entstehungsgeschichte

Als Antonín Dvořák 1892 amerikanischen Boden betrat, um der Berufung zum Direktor des National Conservatory of Music of America Folge zu leisten, war er bereits ein weltbekannter Komponist. Seinen Ruhm begründete er mit den Kompositionen Die Erben des Weißen Berges (1872), früheren Sinfonien, den Mährischen Duetten und den Slawischen Tänzen. Es war daher nicht verwunderlich, dass Jeannette Thurber, die Witwe eines wohlhabenden Kaufmanns und Mitbegründerin des New Yorker Instituts, ihm diesen lukrativen und prestigeträchtigen Posten anbot.

Mit der 9. Sinfonie, die während seines dreijährigen Amerika-Aufenthaltes entstand, schuf Dvořák sein wohl populärstes sinfonisches Werk. Obwohl Dvořák als Dirigent und Lehrer die Aufgabe übernommen hatte, eine junge Musikergeneration heranzubilden, die einen national-amerikanischen Musikstil entwickeln sollte, ist seine 9. Sinfonie keinesfalls amerikanische Musik. In einem Zeitungsinterview erklärte er seine Vorgehensweise:

“I […] carefully studied a certain number of Indian melodies which a friend gave me, and became thoroughly imbued with their characteristics – with their spirit, in fact. It is this spirit which I have tried to reproduce in my new Symphony, I have not actually used any of the melodies. I have simply written original themes embodying the peculiarities of the Indian music, and, using these themes as subjects, have developed them with all the resources of modern rhythms, harmony, counterpoint and orchestral color. […]
Now, I found that the music of the Negroes and of the Indians was practically identical.”

„Ich studierte sorgfältig eine gewisse Zahl Indianischer Melodien, die mir ein Freund gab, und wurde gänzlich durchtränkt von ihren Eigenschaften – vielmehr ihrem Geiste. Diesen Geist habe ich in meiner neuen Sinfonie zu reproduzieren versucht, ohne die Melodien tatsächlich zu verwenden. Ich habe schlichtweg originäre Themen geschrieben, welche die Eigenheiten der Indianischen Musik verkörpern, und mit den Mitteln moderner Rhythmen, Harmonie, Kontrapunkt und orchestraler Farbe entwickelt. […]
Nun, ich stellte fest, dass die Musik der Neger und die der Indianer praktisch identisch war.

Der letzte Satz illustriert, dass Dvořáks Kenntnis authentischer Musik von Indianern und Schwarzen nicht sehr tiefgehend gewesen sein kann. Die Einflüsse sind dennoch in verschiedenen harmonischen und rhythmischen Eigenheiten der Sinfonie erkennbar. So basiert die Englischhorn-Melodie des 2. Satzes auf der halbtonlosen fünftönigen Skala der Pentatonik, die in der Musik der Indianer gebräuchlich war. (Wichtiger ist aber die große Rolle, die Longfellows Dichtung über Hiawatha – das ist der Häuptling, der den Irokesen-Bund der Indianer begründete – in der Sinfonie spielt, siehe unten.) Rhythmisch fallen auch die für Negro Spirituals typischen Synkopen auf (1. und 3. Hauptthema des 1. Satzes). Daneben zeigt sich unverkennbar der böhmische Musiker mit seiner in der heimatlichen Volksmusik verwurzelten Tonsprache, wie z. B. beim gemütvollen Ländler des Scherzo-Trios.

Die Themen der Ecksätze sind kurz und prägnant und der oben erwähnten Grundkonzeption zyklisch untergeordnet: das 1. Hauptthema des 1. Satzes erscheint in allen folgenden Sätzen. Im Finale sind außerdem die Hauptthemen des 2. und 3. Satzes andeutungsweise verarbeitet.
Zur Musik
Besetzung

2 Flöten (2. auch Piccoloflöte), 2 Oboen (2. auch Englischhorn), 2 Klarinetten, 2 Fagotte, 4 Hörner, 2 Trompeten, 3 Posaunen, Tuba, Pauke, Triangel, Becken, Streicher
1. Satz: Adagio – Allegro molto

Der erste Satz beginnt mit einer wehmütigen langsamen Einleitung. Das durch ein Unisono der Streicher und harte Paukenschläge sich allmählich entwickelnde Allegro ist von mitreißendem Schwung erfüllt. Das Hauptthema steigt in den Hörnern auf und wird sogleich vom ganzen Orchester aufgenommen. Ein zweites Thema erscheint zunächst in den Holzbläsern, bevor es gesteigert und rhythmisch verändert wird. Gleichen Charakters tritt hiernach ein Seitengedanke in der Flöte auf, der beide Themen zu verbinden sucht. Beide Themen werden ausführlich verarbeitet. Die Coda bricht mit Urgewalt herein und beendet den Satz in donnerndem e-Moll.
2. Satz: Largo


Der zweite Satz wurde vom Komponisten als „Legende“ bezeichnet. Dieser bewegende Trauergesang ist nach Dvořáks eigenen Worten durch eine Szene aus Longfellows schon erwähntem Poem „Hiawatha“ angeregt worden und vertont gleichsam die Totenklage Hiawathas, dessen treue Gefährtin Minnehaha dahingeschieden ist. Diese amerikanische Dichtung hatte Dvořák durch die Übersetzung seines Landsmannes Josef Vaclav Sladek kennengelernt. In schmerzlicher Melancholie singt das Englischhorn die Hauptmelodie, mit der dieser Satz in erhabener Ruhe an- und ausklingt.

Ein neuer Gedanke taucht auf und wird wirkungsvoll von Streichertremoli begleitet. Dieses etwas schnellere, ebenfalls gesangliche Thema wird schließlich geschickt mit der Totenklagemelodie verbunden. Wenig später löst eine heitere, an Vogelgesang erinnernde Flötenmelodie einen Stimmungswechsel aus, der sofort vom hervorbrechenden Hauptthema des ersten Satzes unterbunden wird. Das Englischhorn trägt wieder das Hauptthema des Largos vor, mit dem der Trauergesang verklingt.
3. Satz: Scherzo, molto vivace


Das Scherzo beginnt mit einem rhythmisch markanten Thema, das den Festtanz der Indianer zur Hochzeit Hiawathas vorbereitet. Wieder ist eine Szene aus Longfellows Epos musikalisch nacherlebt. Dennoch ist die Thematik böhmisch und volkstümlich. Das Scherzo hat einen lyrischen Mittelteil und ist damit komplizierter gebaut als die anderen Scherzi Dvořáks und wurde in dieser Konzeption auch von Anton Bruckner verwendet. Zwischen Scherzo und Trio klingt in den tiefen Streichern leise und bedrohlich das Hauptthema des ersten Satzes an. Das Trio-Teil besteht aus einer anmutigen Walzermelodie, die in ihrer sprunghaften Rhythmik typisch tschechisch ist. Dieser Satzteil bringt die Sehnsucht nach der Heimat zum Ausdruck; er unterbricht vorübergehend das Bild des Freudentanzes der Indianer. Kurz vor dem Ende setzt sich mit aller Kraft wieder das Hauptthema des ersten Satzes durch.
4. Satz: Allegro con fuoco


Der letzte Satz ist von einer Dynamik erfüllt, wie sie Dvořák zuvor wohl nur in seiner 7. Sinfonie erreicht hatte. Vom vollen Orchester wird das marschartig energische Hauptthema vorgetragen, das pathetisch von der „Neuen Welt“ kündet. Das zweite Thema in den Klarinetten dagegen drückt Dvořáks Sehnsucht nach seinem Vaterland aus.

Kaum ist es verklungen, spitzt sich das Geschehen zu und das erste Thema setzt sich weiter durch. In der Folge wird es mannigfaltig verarbeitet; in diesem Prozess tauchen immer wieder auch Motive aus den ersten drei Sätzen auf. Ein Orchestertutti schmettert anschließend das Hauptthema nahezu gewaltsam heraus, ein Vorgang, der das musikalische Geschehen fast zum Erliegen bringt und durch das zweite Thema fortgesetzt wird. Wieder bricht sich das Hauptthema seine Bahn und führt den Satz zu einem alles mitreißenden Höhepunkt, dem nach einem letzten Innehalten die triumphale Coda folgt. Der Satz wird mit einigen Akkorden beendet, von denen der letzte von den Bläsern ausgehalten wird, was statt eines abrupten Endes ein langsames Verklingen zur Folge hat.
Wirkung


Die Weltpremiere der Sinfonie spielten am 16. Dezember 1893 die New Yorker Philharmoniker in der Carnegie Hall in New York unter der Leitung von Anton Seidl. Dvořák schrieb über das Konzert: „Die Zeitungen sagen, noch nie hatte ein Komponist einen solchen Triumph. […] Die Leute applaudierten so viel, dass ich aus der Loge wie ein König!? alla Mascagni in Wien mich bedanken musste.“[2] Die erste Aufführung der Sinfonie Aus der neuen Welt auf dem europäischen Kontinent erfolgte am 20. Juli 1894 in Karlsbad. Die Sinfonie wurde allerorten gefeiert und schnell zum größten Erfolg des Komponisten in dessen Laufbahn.

Die Sinfonie ist heute das bekannteste Werk Dvořáks und gehört zu den meistgespielten Sinfonien weltweit. Dvořák schrieb und plante nach diesem Werk keine weitere Sinfonie mehr. Er begab sich 1895 nach Europa zurück.
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00:36:49

Symphony No.8

Die Sinfonie Nr. 8 G-Dur op. 88 (B 163) ist eine Sinfonie des böhmischen Komponisten Antonín Dvořák. Zu Lebzeiten...
Die Sinfonie Nr. 8 G-Dur op. 88 (B 163) ist eine Sinfonie des böhmischen Komponisten Antonín Dvořák. Zu Lebzeiten des Komponisten wurde sie als dessen 4. Sinfonie gezählt.

Entstehung

Dvořák schrieb die Sinfonie 1889 anlässlich seiner, wie er auf dem Titelblatt der Partitur vermerkte, »Aufnahme in die Böhmische Kaiser-Franz-Joseph-Akademie für Wissenschaft, Literatur und Kunst«. Zur düsteren Stimmung der 7. Sinfonie Dvořáks bildet die 8. Sinfonie einen gelösten, lyrischen Kontrast. Bei der Komposition, mit der sich Dvořák zum Ziel setzte, »ein von meinen anderen Symphonien verschiedenes Werk zu schreiben, mit individuellen, in neuer Weise ausgearbeiteten Gedanken«, ließ Dvořák sich von der Landschaft bei Vysoká u Příbramě, seinem Sommersitz, inspirieren. Die Uraufführung fand am 2. Februar 1890 in Prag unter der Leitung des Komponisten statt.
Zur Musik
Besetzung
Dvorak Symphonien Themen.pdf

2 Flöten (2. auch Piccolo), 2 Oboen (2. auch Englischhorn), 2 Klarinetten, 2 Fagotte, 4 Hörner, 2 Trompeten, 3 Posaunen, Tuba, Pauke, und Streicher.
1. Satz: Allegro con brio

Der erste Satz wird von einem choralartigen g-moll-Thema in Violoncello, Klarinette und Fagott eingeleitet, das im Verlauf des Satzes noch weitere Male jeweils zu Beginn von Exposition, Durchführung und Reprise wiederholt wird. Das eigentliche pastorale Hauptthema steht in G-Dur und wird von der Flöte vorgetragen. Nach einer Steigerung des Themas durch das Orchester folgt das Seitenthema. Vor der Durchführung wird das g-moll-Thema wiederholt, welches vor der Reprise in der Trompete erklingt. Zu Beginn der Reprise erklingt wieder das G-Dur-Thema in den Holzbläsern und endet in Moll.
2. Satz: Adagio
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Der zweite Satz ist ein rhapsodieartiges Adagio in c-moll und 2/4-Takt und von Pjotr Iljitsch Tschaikowski beeinflusst, mit dem sich Dvořák kurz vorher befreundet hatte. Er beginnt melancholisch, wird aber von einer, einem Vogelruf ähnlichen, Quarte in der Flöte fortgesetzt. Die Fortführung des melancholischen Anfangs in der tiefen Klarinette wechselt sich im weiteren Verlauf mit der Quarte ab. Im Mittelteil des Satzes folgt ein weit ausholendes C-Dur-Thema, das von der Solovioline aufgegriffen wird. Der Satz ist von einem Nebeneinander von Hell und Dunkel geprägt, C-Dur und c-Moll wechseln sich ab.
3. Satz: Allegretto grazioso
Dvorak Symphonien Themen.pdf

Der dritte Satz beginnt mit einem grazilen und walzerartigen Thema in g-Moll in den Violinen. Auf den Hauptteil folgt ein G-Dur-Trio, dessen Melodie von den Flöten und Oboen getragen wird. Auch im Trio wird der grazil wirkende Dreiachteltakt beibehalten. In der Wiederholung des Trios erklingt das Thema dann in Oboe und Fagott. Während der größte Teil des Satzes im ungeraden Takt steht, erklingt die Coda im geraden Takt. Der walzerartige Stil dieses Satzes ist möglicherweise ein Ausdruck der Beschäftigung des Komponisten mit der Musik Pjotr Tschaikowskis in jener Zeit.
4. Satz: Allegro ma non troppo
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Der vierte Satz steht in G-Dur; in ihm wird die Sonatensatzform mit Variationen kombiniert. Eingeleitet wird er von einer Trompetenfanfare in D. Anschließend wird das zweiteilige Variationsthema von den Celli vorgestellt. Ein Horntriller und eine virtuose Flötenmelodie prägen die ersten Variationen. Die anschließende markant-rhythmische dritte Variation trägt den Namen „Slawische Variation“. Eine lyrische Passage führt schließlich zur virtuosen Coda chromatischen Charakters, welche dem Werk ein triumphales Ende verleiht.
Wirkung

Die von Dvořák selbst dirigierte Uraufführung am 2. Februar 1890 in Prag mit dem Orchester des Tschechischen Nationaltheaters im Rahmen des »13. Populären Konzerts der Künstlerressource« war ein weiterer Erfolg für den Komponisten. Weitere Aufführungen durch Dvořák fanden am 7. November 1890 in einem Museumskonzert in Frankfurt am Main statt sowie im folgenden Jahr im englischen Cambridge am Vorabend seiner Promotion. Während Dvořáks sechster Englandreise wurde die Sinfonie mehrmals von der »Royal Philharmonic Society« aufgeführt. Hans Richter brachte die Sinfonie in Wien und London zur Erstaufführung und schrieb nach der Wiener Aufführung an Dvořák: »An dieser Aufführung hätten Sie gewiß Freude gehabt. Wir alle haben gefühlt, daß es sich um ein herrliches Werk handelt: darum waren wir alle auch mit Enthusiasmus dabei. [...] Der Beifall war warm und herzlich.«

Dvořák ließ das Werk vom Londoner Verleger Vincent Novello veröffentlichen und nicht bei seinem Stammverleger Fritz Simrock, da er mit diesem noch bezüglich der Drucklegung der 7. Sinfonie zerstritten war.

Da diese Sinfonie in England gedruckt worden war, erfolgten nach 1919 nur relativ wenige Aufführungen in Deutschland und Österreich. Vermutlich waren manchen Orchestern die Noten zu teuer, da es damals überall an ausländischen Devisen fehlte. In anderen Länder gehörte dieses Werk schnell zum ‚Eisernen Repertoire‘. Erst im Mai 1941 erschien eine von Fritz Oeser sorgfältig redigierte Neuausgabe (Partitur und Stimmen) im Musikwissenschaftlichen Verlag/Leipzig. (Oeser hatte zwar das Manuskript nicht zur Verfügung und auch – bedingt durch die Kriegsjahre – keinen Zugang zu Londoner Quellen. Jedoch gelang es ihm viele Flüchtigkeitsfehler, des – eigentlich recht soliden – Erstdrucks zu beseitigen.) Diese ordentliche, sehr sauber gestochene Neu-Ausgabe wird heute noch oft verwendet und hat das Werk im deutschen Sprachraum dadurch bekannter gemacht.

1956 erschien im Rahmen der ersten Dvořák-Gesamtausgabe (ed. Otakar Šourek und František Bartoš) erneut dieses Werk. Die Herausgeber übernahmen auch Korrekturen und Konjekturen von Fritz Oeser, mit dem sie beide befreundet waren, auch die von ihm ex analogiam ergänzten, im Erstdruck fehlenden Paukentakte des 4. Satzes. (Takt 100 – 108). Trotzdem bleibt die Quellenlage in kleinen Detailfragen (Bindebögen, Dynamik, Akzente, fehlende Auftakte et cetera) nach wie vor etwas schwierig, da nicht das Manuskript, sondern eine – erst 1964 gerettete – Abschrift aus Beständen des Verlages Novello zur Drucklegung verwendet wurde. Welcher Fassung im Einzelfall der nun Vorzug zu geben wäre, konnten aber die neuen Herausgeber nicht allgemein verbindlich klären. Auch haben sich verschiedene Retuschen eingebürgert, wie die Unterstützung der Holzbläser (4. Satz ab Takt 158 und ab T. 380) durch Hörner.

Die 8. Sinfonie gehört heute zu den meistgespielten Dvořák-Sinfonien und gehört mit der 7. und der 9. Sinfonie des Meisters zu dessen bedeutendsten sinfonischen Schöpfungen. George Szell und Vacláv Talich haben beeindruckende Schallplatten-Aufnahmen hinterlassen.
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00:29:56

Symphoony No.4

Die 4. Sinfonie in d-Moll op. 120 wurde von Robert Schumann von Juni bis September 1841 komponiert und zum...
Die 4. Sinfonie in d-Moll op. 120 wurde von Robert Schumann von Juni bis September 1841 komponiert und zum Geburtstag seiner Frau Clara Schumann fertiggestellt, aber erst 1851 nach einer umfassenden Überarbeitung und Neuinstrumentation veröffentlicht. Chronologisch gesehen ist sie Schumanns 2. Sinfonie; die heute als 2. und 3. Sinfonie bekannten Werke entstanden später.

Die Sinfonie sollte ursprünglich aus einem Satz bestehen und trug zunächst den Titel „Sinfonische Fantasie für großes Orchester“. Der Zusammenhang der Sätze wird auch durch zahlreiche Themenverknüpfungen in allen Sätzen unterstützt.
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00:31:56

Symphony No.3

Die 3. Sinfonie Es-Dur op. 97 (Rheinische Sinfonie) von Robert Schumann entstand zwischen dem 7. November und 9....
Die 3. Sinfonie Es-Dur op. 97 (Rheinische Sinfonie) von Robert Schumann entstand zwischen dem 7. November und 9. Dezember 1850. Chronologisch ist sie somit Schumanns letzte Sinfonie, da er die 1851 in überarbeiteter Form veröffentlichte Sinfonie in d-Moll op. 120, die als seine vierte gezählt wird, bereits 1841 komponiert hatte. Die Bezeichnung Rheinische Sinfonie verweist darauf, dass das Werk kurz nach dem Umzug der Schumanns von Dresden nach Düsseldorf entstand. Die euphorische Stimmung, in die der Umzug den Komponisten versetzt hatte, schlägt sich in der lebensfrohen Grundstimmung des Werks nieder, das häufig als ein Spiegel „rheinischer Fröhlichkeit“ interpretiert wird. Der Beiname der Sinfonie stammt nicht von Schumann selbst, geht jedoch unter anderem auf seine Äußerung zurück, dass das Werk durch den Eindruck inspiriert sei, den der Kölner Dom auf ihn gemacht habe.

Entstehung
Rheinpanorama mit Kölner Dom (rechts) um 1856, sechs Jahre nach Entstehung der Sinfonie.

Im September 1850 zogen Robert und Clara Schumann mit ihren Kindern nach Düsseldorf. Nachdem Robert Schumann in Sachsen eine Festanstellung verwehrt geblieben war, konnte er nun in Nachfolge von Ferdinand Hiller ein Amt als Städtischer Musikdirektor antreten. Während ihm in Leipzig und Dresden nur wenig Anerkennung zuteilgeworden war, bereiteten die Düsseldorfer ihm einen herzlichen Empfang: Bei seiner Ankunft wurde er vom Chor, der Stücke von ihm einstudiert hatte, mit einem Ständchen begrüßt und am nächsten Tag mit einem offiziellen Festakt willkommen geheißen.

Diese freundliche Aufnahme und die Freude über sein neues Wirkungsfeld versetzten Schumann in eine euphorische Stimmung, so dass er die Eindrücke der neuen Umgebung sogleich in Musik umsetzte: Im Oktober widmete er sich zunächst seinem Cellokonzert in a-Moll op. 129, ab dem 7. November begann er die Arbeit an einer neuen Sinfonie. Es ist eine Äußerung des Komponisten überliefert, dass der Anblick des Kölner Doms bei der Entstehung des Werks inspirierend gewirkt habe. Schumann hatte das zu jenem Zeitpunkt noch unvollendete Bauwerk am 29. September zum ersten Mal besichtigt, am 5. und 6. November hielt er sich ein zweites Mal in Köln auf. Die Sinfonie entstand daraufhin innerhalb sehr kurzer Zeit: Die Skizze des ersten Satzes schrieb Schumann in einem zwei Tage dauernden Schaffensrausch nieder. Nachdem die Vorbereitungen für ein Abonnementskonzert am 21. November ihn gezwungen hatten, die Arbeit an der Sinfonie ruhen zu lassen, komponierte und orchestrierte er die übrigen Sätze jeweils innerhalb weniger Tage, so dass das gesamte Werk bereits am 9. Dezember fertiggestellt war.

Sieht man von der Überarbeitung der bereits 1841 uraufgeführten Sinfonie in d-Moll ab, blieb die dritte Schumanns letzte Sinfonie: Die anfängliche Euphorie verwandelte sich bald in Unzufriedenheit über die Unzuverlässigkeit von Chor und Orchester. Auch das Publikum wurde Schumann gegenüber kritischer, hinzu kamen schwere gesundheitliche Probleme, vermutlich infolge einer frühen Syphilis-Infektion. Anfang 1854, gut drei Jahre nach Uraufführung der dritten Sinfonie, versuchte Schumann sich durch einen Sprung in den Rhein das Leben zu nehmen, er starb zwei Jahre darauf in einer Pflegeanstalt.
Zur Musik

Auch wenn der Einfluss der neuen Umgebung auf Schumanns dritte Sinfonie als gesichert gelten kann und die Bezeichnung als Rheinische somit gerechtfertigt ist, wäre es nicht im Sinne Schumanns, sie programmatisch aufzufassen: Die Musik beschreibt nicht tonmalerisch den Rhein oder den Dom, sondern spiegelt damit verbundene Stimmungen wider. 1835 schrieb Schumann in diesem Sinne an Wilhelm Taubert:

„Auf welche Weise Kompositionen entstehen, macht nicht viel zur Sache. Meist wissen das die Komponisten selbst nicht. Oft leitet ein äußeres Bild weiter, oft ruft eine Tonfolge wieder jenes hervor. Die Hauptsache bleibt, daß gute Musik herauskommt, die immer auch rein als Musik befriedigt.“

Musikalisch hatte Schumann es sich bei seiner Dritten zum Ziel gesetzt, eine leichtere Verständlichkeit zu erreichen, als sie seine vorherigen sinfonischen Werke boten. Auf diese Absicht geht möglicherweise auch die Tatsache zurück, dass Schumann hier erstmals deutsche statt italienische Satzbezeichnungen wählt. Einige Sätze trugen im Manuskript und im Programmheft der Uraufführung sogar Überschriften, die auf die beabsichtigte Wirkung hindeuteten, die Schumann zur Drucklegung jedoch wieder entfernte. 1842 schrieb er:

„Ein nicht gutes Zeichen für eine Musik bleibt es immer, wenn sie einer Überschrift bedarf; sie ist dann nicht der inneren Tiefe entquollen, sondern erst durch irgendeine äußere Vermittlung angeregt.“

Gegenüber der üblichen viersätzigen Form ist die Sinfonie um einen fünften Satz erweitert, ohne dadurch jedoch ungewöhnlich lang zu werden: Insbesondere der dritte Satz ist kurz, so dass die Aufführungsdauer insgesamt etwa 35 Minuten beträgt. Die Besetzung fordert ein Sinfonieorchester mit Streichern, jeweils doppelt besetzten Flöten, Oboen, Klarinetten, Fagotten, Ventilhörnern, Waldhörnern und Trompeten, drei Posaunen und Pauken.
Erster Satz: „Lebhaft“
Bereits in den ersten Takten des Hauptthemas zeigt das Notenbild deutlich den Wechsel zwischen Zweier- und Dreier-Betonungen, sowie die großen Intervallsprünge.

Der erste Satz beginnt unmittelbar mit seinem markanten, schwungvollen Hauptthema. Obwohl es im 3/4-Takt notiert ist, wird das Thema zunächst hemiolisch in Zweier-Gruppen betont. Erst in Takt 7 wechselt es in einen taktgemäßen Rhythmus, um in Takt 14 wieder zu den Hemiolen zurückzukehren. Gemeinsam mit den lebhaften Intervallsprüngen trägt diese Rhythmisierung wesentlich zum energiegeladenen Charakter des Satzes bei.
Das Seitenthema hat lyrischen Charakter und steht in Moll.

Der Satz orientiert sich an der Sonatenhauptsatzform, weicht in einigen Punkten jedoch von ihrer traditionellen Gestalt ab: So steht das Seitenthema gewöhnlich in der Dominant-Tonart, die hier B-Dur wäre. Schumann entscheidet sich dagegen dafür, in Takt 95 von den Oboen ein lyrisches Thema einführen zu lassen, das in g-Moll steht, der Paralleltonart von B-Dur. Der charakterliche Kontrast zum Hauptthema wird durch das unterschiedliche Tongeschlecht noch verstärkt. Das Seitenthema wirkt zunächst episodenhaft, bereits in Takt 111 begehrt das ursprüngliche Thema wieder auf. Die Exposition endet schließlich doch in B-Dur, wird jedoch – anders als traditionell üblich – nicht wiederholt.

Die Durchführung ab Takt 185 nimmt mehr Raum ein als jeder andere Formteil des Satzes. Ihre Eröffnung ist durch ausgeprägte dynamische Unterschiede gekennzeichnet und greift ein erstmals in den Takten 26 und 27 verwendetes Achtelmotiv wieder auf. In den Takten 201–272 gewinnt nun zunächst das Seitenthema an Bedeutung, wird jedoch nicht im Sinne der klassischen thematisch-motivischen Arbeit in seine Einzelteile zerlegt, sondern in unterschiedliche harmonische Zusammenhänge gestellt. Zweimal setzt das Thema hierbei piano ein (Takte 201 und 239) und markiert in beiden Fällen den Beginn eines Steigerungsprozesses, in dessen Verlauf Elemente des Hauptthemas hinzutreten: das vorwärts drängende Motiv aus den Takten 26 und 27 einerseits, markante Oktavsprünge andererseits. In Takt 273 kehrt das Hauptthema schließlich zurück, zunächst jedoch an den Charakter des Seitenthemas angepasst: Verhalten und geheimnisvoll wird es in as-Moll von Fagott und tiefen Streichern präsentiert, bei As beginnend. Ab Takt 281 erlangt es forte, in H-Dur und von den Violinen nun bei h2 begonnen seine ursprüngliche strahlende Wirkung. Eine ähnliche Wandlung erlebt das Thema ab Takt 311 ein zweites Mal, nun von es-Moll nach Fis-Dur. In beiden Fällen fehlt jedoch die triumphale Aufwärts-None aus Takt 14, stattdessen wird der Schwung des Themas an dieser Stelle mit einer dreifach wiederholten chromatischen Abwärtsbewegung abgebremst. Ab Takt 337 kehrt noch einmal das Seitenthema zurück, bevor in Takt 367 die Hörner im ursprünglichen Es-Dur signalartig mit einer gedehnten Fassung des Hauptthemas das Ende der Durchführung ankündigen. Hier nimmt Schumann den Beginn der Reprise quasi schon vorweg und verwischt somit die Grenzen der traditionellen Formteile.

Ab Takt 411 beginnt die eigentliche Reprise, in der das Hauptthema erstmals wieder in seiner ursprünglichen Form erscheint. Das Seitenthema, das in diesem Teil gewöhnlich in der Haupttonart (Tonika) steht, erscheint in Takt 457 in dessen Mollparallele, c-Moll. Die Reprise fällt mit 117 Takten eher kurz aus, nachdem die Durchführung sich bereits ausgiebig mit dem Grundmaterial des Kopfsatzes auseinandergesetzt hat: dem elanvollen, den Satz dominierenden Hauptthema, der drängenden Achtelfigur aus den Takten 26 und 27, sowie dem verhaltenen Seitenthema in Moll. Auch die Coda ab Takt 528 ist im Vergleich zu den Kopfsätzen in Schumanns übrigen Sinfonien kurz gehalten. Sie wird von Rhythmus und Melodie aus dem Kopf des Hauptthemas getragen und bestätigt somit abschließend noch einmal dessen Vorherrschaft.
Zweiter Satz: „Scherzo: Sehr mäßig“
Dieses eingängige, dreiklangbetonte Thema bestimmt durch seine ständige Wiederholung den zweiten Satz.

Die Bezeichnung des zweiten Satzes ist widersprüchlich: Einerseits ist er mit „Scherzo“ überschrieben, was gewöhnlich auf ein flottes Tempo hindeutet, andererseits setzt Schumann die Anweisung „sehr mäßig“ hinzu. In der Tat ist der Satz eher gemächlich und hat mehr den Charakter eines Ländlers. Bestimmt wird er weitgehend von einem gemütlichen, folkloristischen Thema, das gleich zu Beginn eingeführt wird und beständig wiederkehrt. Es wurde vielfach mit dem Wogen des Rheins in Verbindung gebracht, doch sollte man diese Assoziation angesichts Schumanns Skepsis gegenüber programmatischer Musik nicht überbewerten.

Der Satz hat eine scheinbar einfache dreiteilige Form (A-B-A'), die einzelnen Teile stehen jedoch in komplexer Beziehung zueinander. In den Takten 1–16 wird das C-Dur-Thema zunächst mehrfach wiederholt und variiert, doch bereits in Takt 17 tritt ihm als Gegenpol eine unruhige, gezupfte Sechzehntel-Figur in den Streichern gegenüber, die ab Takt 29 zunächst mit dem Hauptthema kombiniert wird. Der ab Takt 33 folgende Formteil B hat den Charakter eines Trios: Er beginnt mit einem gemächlichen Hörnerquartett in der Paralleltonart a-Moll und ist durch die unterschiedlichen Klangfarben wechselnder Blechblasinstrumente geprägt. Von Anfang an stellen Achtel-Triolen ein wiederkehrendes rhythmisches Element dar. Die von den Streichern pianissimo im Hintergrund weitergeführten Sechzehntel-Figuren bringen dagegen ein bewegtes Moment in diesen Teil und stellen eine Verbindung zu Formteil A her. In Takt 50 kehrt vier Takte lang das Anfangsthema zurück, steht hier jedoch in A-Dur und wird von den für den B-Teil charakteristischen Achtel-Triolen begleitet. In Anschluss daran werden zunächst noch einmal rhythmische und motivische Elemente aus dem B-Teil aufgegriffen, bis in Takt 77 schließlich der Sog zur Reprise einsetzt, auf den im Teil A' ab Takt 79 noch einmal das Eingangsthema folgt, nun wieder in seiner ursprünglichen Tonart und den aus dem A-Teil bekannten Variationen. Ab Takt 100 bereitet Schumann den Höhepunkt des Satzes vor: Zunächst spielen die Blechbläser pianissimo nur noch Bruchstücke des Themas, ab Takt 104 bauen bewegte Streicherfiguren Spannung auf. Im nun folgenden Crescendo wird die Aufwärtsbewegung aus Takt 1 dreimal in aufsteigenden Tonarten wiederholt (F-Dur, B-Dur, G-Dur), bis Takt 108 wieder in C-Dur angelangt ist und das Thema fortissimo in voller Länge zurückkehrt. Die nun folgende kurze Coda wird von signalartigen Blechbläsern eingeleitet, schließlich erscheint das Anfangsthema piano noch ein letztes Mal und löst sich, immer leiser werdend, in einem aufsteigenden C-Dur-Dreiklang auf.
Dritter Satz: „Nicht schnell“
In den Takten 1, 6 und 18 tauchen die drei Themen erstmals auf, die das Material für den dritten Satz liefern.

Der dritte Satz wurde von Schumann ursprünglich als „Intermezzo“ bezeichnet. Seine Tempoangabe „nicht schnell“ wird gewöhnlich als andantino bzw. allegretto ausgeführt. Der kurze Satz steht in As-Dur und hat beschaulichen, kammermusikalischen Charakter. Schumann verzichtet in ihm auf den Einsatz von Schlagwerk und Blechbläsern.

Die Form des Satzes ist dreiteilig: Zunächst werden die Themen, die dem Satz das musikalische Material liefern, der Reihe nach vorgestellt (siehe Notenbeispiel). Jedes von ihnen erhält zusätzlich durch einen Wechsel in der Orchestrierung eine eigene Klangfarbe: Herrscht zu Beginn noch der Klang der Klarinetten vor, so übernehmen bereits in Takt 4 die Violinen die Führung und präsentieren ab Takt 6 das zweite Thema, die Bratschen spielen ab Takt 18 in Begleitung der Celli das dritte Thema. Der ab Takt 22 folgende Mittelteil nutzt die Tatsache, dass die Themen zum Teil harmonisch kompatibel sind: Sie werden nun abgewandelt und in wechselnder Weise miteinander verknüpft. Der Teil beginnt mit dem zweiten Thema, zu dem ab Takt 28 im Wechselspiel das dritte hinzutritt, es folgt eine Kombination der ersten beiden Themen ab Takt 36. Der Schlussteil ab Takt 45 ist durch einen As-G-Orgelpunkt gekennzeichnet. In ihm wechseln sich zunächst Bruchstücke des dritten und des ersten Themas ab, bis in Takt 52, bereits pianissimo, noch einmal der Beginn des zweiten Themas auftaucht und der Satz durch immer sparsamere Orchestrierung noch leiser werdend ausklingt.
Vierter Satz: „Feierlich“

Den vierten Satz hatte Schumann ursprünglich mit „Im Charakter der Begleitung einer feierlichen Ceremonie“ überschrieben, diese Bezeichnung später jedoch wieder gestrichen. Er wird häufig mit der Weihe Johannes von Geissels zum Kardinal in Verbindung gebracht, die am 12. November 1850 im Kölner Dom stattfand. Aus Schumanns Tagebüchern ist jedoch bekannt, dass er sich an diesem Tag nicht in Köln aufhielt;[5] somit könnte höchstens seine Vorstellung von dieser Zeremonie eine Rolle gespielt haben.
Das Thema des vierten Satzes hat sakralen Charakter. Wie das Hauptthema des ersten Satzes entwickelt es sich aus Quart-Intervallen.

Der Satz überrascht den Zuhörer in mehrfacher Hinsicht. In einer viersätzigen Sinfonie würde man an seiner Stelle einen schnellen Finalsatz erwarten; stattdessen setzt ein breites, choralartiges Thema ein, das an eine kirchliche Zeremonie in einem repräsentativen Gebäude denken lässt und dessen pathetischer Charakter sich von den übrigen Teilen der Sinfonie abhebt. Einen zusätzlichen klanglichen Akzent schafft Schumann, indem er zum ersten Mal in der ganzen Sinfonie die Posaunen einsetzt, die traditionell mit Kirchenmusik assoziiert werden. Dieser außergewöhnliche Satz wurde oftmals als erklärungsbedürftig empfunden, so notierte auch Clara Schumann:

„Welcher der 5 Sätze mir der liebste, kann ich nicht sagen… Der vierte jedoch ist derjenige, welcher mir noch am wenigsten klar ist; er ist äußerst kunstvoll, das höre ich, doch kann ich nicht so recht folgen, während mir an den anderen Sätzen wohl kaum ein Takt unklar blieb, überhaupt auch für den Laien ist die Symphonie, vorzüglich der zweite und dritte Satz sehr leicht zugänglich.“

Häufig wird der Satz als Versuch Schumanns interpretiert, durch Rückgriff auf alte, strenge Satztechniken den „rheinischen Katholizismus“ anklingen zu lassen.
Dieses Zwischenspiel in den Takten 6–8 kehrt im ersten Teil des Satzes ständig wieder.

Nach einem sforzato-Schlag, der die Stille des dritten Satzes bricht, entwickelt sich das Thema zunächst pianissimo in den Bläsern, begleitet von gezupften Streichern. Es besteht hauptsächlich aus Quarten und erinnert an den 3. Satz (Grave) des Concerto grosso op. 6 Nr. 3 von Arcangelo Corelli sowie an die cis-Moll-Fuge aus dem ersten, sowie an die dis-Moll-Fuge aus dem zweiten Band von Bachs Wohltemperiertem Klavier. Es steht in es-Moll, der Haupttonart des Satzes, die aus dem Notenbild nicht unmittelbar ersichtlich wird, da Schumann nur drei Vorzeichen notiert. Die Themenexposition endet in Takt 6 mit einem markanten Zwischenspiel der Streicher, das vom Hauptthema abgeleitet ist.

Diese beiden Figuren liefern das Grundmaterial für den kunstvoll polyphon durchkomponierten Satz, der bisweilen als dreifach durchgeführte Fuge interpretiert wird. Das Hauptthema erscheint dabei zunächst im Kanon in der Quinte, der nach einem getragenen, von der Streicher-Achtelfigur begleiteten Steigerungsprozess in Takt 22/23 zum Höhepunkt und Abschluss des ersten Formteils führt. Der zweite Teil (Takte 23–44) wechselt vom 4/4- in einen bewegteren 3/2-Takt. In ihm wird das Thema wiederum dreifach eng geführt, jedoch in einem lauteren und drängenderen Tonfall, der durch die nun häufiger kontrapunktisch eingesetzte Nebenfigur unterstützt wird. Der Schlussteil ab Takt 45 steht in 4/2. Bis Takt 51 enthält er den aufgrund durchlaufender Achtel fließendsten Abschnitt des Satzes, in dem das Hauptthema nun prolongiert erscheint. H-Dur-Bläsersignale kündigen in den Takten 52 und 56 das Ende des Satzes an, der zuletzt ganz von dynamischen Gegensätzen lebt und forte, aber in sehr ruhigem Tempo schließt.
Fünfter Satz: „Lebhaft“
Der fünfte Satz kehrt zur unbeschwerten Heiterkeit des ersten Satzes zurück.

Nach den drei langsameren Sätzen ist der Finalsatz wieder schwungvoll und betont heiter. Sein leicht zugänglicher Aufbau und ein Repertoire an eingängigen Melodien stellen zum getragenen vierten Satz zunächst einen plötzlichen Kontrast her, in Durchführung und Coda werden jedoch in Tempo und Charakter angepasste Motive aus diesem Satz übernommen. Schumanns erster Biograph, Wilhelm Joseph von Wasielewski, bringt den Schluss der dritten Sinfonie mit der fröhlichen Geschäftigkeit der Rheinländer vor den Toren des Doms in Verbindung.
Auch das Seitenthema in B-Dur hat leichtfüßigen Charakter.

Wie der erste Satz orientiert sich auch der fünfte an einer frei interpretierten Sonatenhauptsatzform. Er setzt unmittelbar mit einem markanten, lebhaften Thema ein, das durch Auftakte und Akzente leichtfüßig und spielerisch wirkt und somit den Charakter des kompletten Satzes vorgibt. In einer Weiterentwicklung der Melodie (ab Takt 17) kommen Synkopen als weiteres rhythmisches Element hinzu. As-Dur-Vorhalte und längere Notenwerte in Takt 27 bremsen den Schwung zum ersten Mal ab. Im Folgenden steigert er sich kontinuierlich wieder und gipfelt in eine Bläser-Fanfare (Takt 47), die von den Streichern imitiert wird. Diese stellen daraufhin in Takt 57 staccato das Seitenthema in B-Dur vor. Wie das Hauptthema wirkt es unbeschwert, wenn auch weniger vorwärtsdrängend.

In der nun folgenden Durchführung taucht ab Takt 99 unvermittelt und in flottem Tempo das kurze Zwischenspiel auf, dessen ständige Wiederholung den vierten Satz geprägt hatte. Es wird zunächst solo von den hohen Streichern gespielt und ist im weiteren Verlauf in die Begleitung eingearbeitet. Die Durchführung ist hier nur kurz und gipfelt in ein neues, aufstrebendes Motiv, das an die Bläsersignale erinnert, die das Ende des vierten Satzes eingeleitet hatten. Es taucht in Takt 130 zum ersten Mal in H-Dur und in tiefer Lage auf und wird in 134 und 138 bei h beziehungsweise d1 beginnend noch zweimal angedeutet. Nach einer Strecke steigernder Bewegtheit und Lautstärke tritt es in Takt 150 in Es-Dur strahlend, forte und in voller Länge hervor und nimmt damit den Höhepunkt vorweg, der im Sonatensatz normalerweise die Rückkehr des ersten Themas in der Haupttonart bedeutet (Takt 154).

Die Coda zitiert ab Takt 271 zu einer triolischen Begleitung in den Celli das Hauptthema des vierten Satzes in bewegterer Form und strebt anschließend dem Höhepunkt des Satzes zu: Die Anweisung „schneller“ in Takt 299 leitet eine furiose Stretta ein, die schließlich mit zwei sforzato-Schlägen die Sinfonie beendet.
Wirkung
Erste Seite der 1851 bei Simrock erschienenen Partitur.

Die dritte Sinfonie wurde am 5. Februar 1851 im Rahmen eines bunten Konzertabends unter Schumanns Leitung in Düsseldorf uraufgeführt. Die Premiere wurde durch spontanen Applaus zwischen den Sätzen unterbrochen, eine zweite Aufführung gab es auf Wunsch des begeisterten Publikums bereits gut einen Monat später, am 13. März. Im Oktober 1851 erschien die Partitur im Verlag von Nikolaus Simrock im Druck. Noch heute zählt Schumanns Dritte aufgrund ihrer Zugänglichkeit und optimistischen Grundstimmung gemeinsam mit der „Frühlings-Sinfonie“ zu seinen beliebtesten sinfonischen Werken.

Im Rheinland ist der Beginn des ersten Satzes darüber hinaus aufgrund seiner Verwendung als Erkennungsmelodie der seit 1957 produzierten Fernsehsendung Hier und Heute des Westdeutschen Rundfunks einem breiten Publikum bekannt, obgleich seit 1998 statt des Anfangs der Sinfonie nur noch ein auf 16 Sekunden reduziertes Arrangement des Kopfthemas zum Einsatz kommt. Die seit 1950 produzierte Radiosendung Zwischen Rhein und Weser verwendete darüber hinaus zeitweise einen Teil des zweiten Satzes. Wegen ihres hohen Bekanntheitsgrads wird die Sinfonie bisweilen als „inoffizielle Hymne des Rheinlandes“ bezeichnet.

Nach dem Tode Schumanns hat seine dritte Sinfonie auch außerhalb Deutschlands ein begeistertes Publikum gefunden: Die erste Aufführung in England fand am 4. Dezember 1865 im Covent Garden Theatre statt, es folgten rasch Konzerte in weiteren Städten. George Grove urteilte in einem 1909 in der Zeitschrift The Musical Times erschienenen Beitrag über den ersten Satz der Sinfonie:


“Without doubt, whenever this Vivace is heard the claims of Schumann to be a master of music in its highest form will want no other advocacy.”



„Zweifellos: Wann immer dieses Vivace erklingt, wird Schumanns Anspruch, ein Meister der Musik in ihrer höchsten Form zu sein, keiner weiteren Fürsprache bedürfen.“

Von Kollegen wurde die Sinfonie in Einzelaspekten jedoch auch kritisiert: So meinten etwa Edvard Grieg und Hans von Bülow, in dem Werk Ideen Felix Mendelssohns wiederzufinden, und Tschaikowski äußerte im Hinblick auf die Sinfonie, in Schumanns Spätwerk würden „bei ungeschwächter Kraft des Inhalts“ die „äußeren Formmängel immer bemerkbarer“. Hiermit spielt er vor allem auf Schwächen in der Orchestrierung an, die Schumann immer wieder vorgeworfen wurden. Zahlreiche andere Autoren nehmen das Werk jedoch vor dieser Kritik in Schutz: So hält Spies die diesbezügliche Kritik für übertrieben, Schlüren sieht die dritte Sinfonie nur an wenigen Stellen von Balanceproblemen im Orchester betroffen und Dannenberg verweist darauf, dass gerade die „Rheinische“ innerhalb von Schumanns Spätwerk nicht als beiläufige Komposition zu betrachten ist, sondern bleibende Bedeutung erlangt hat.
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Symphony No.2

Die Sinfonie Nr. 2 C-Dur op. 61 schrieb Robert Schumann in den Jahren 1845 und 1846. Chronologisch gesehen ist es...
Die Sinfonie Nr. 2 C-Dur op. 61 schrieb Robert Schumann in den Jahren 1845 und 1846. Chronologisch gesehen ist es seine 3. Sinfonie, da er die Sinfonie in d-Moll bereits 1841 geschrieben hatte. Diese blieb jedoch zunächst unveröffentlicht, erst 1851 überarbeitete Schumann diese, so dass sie als seine 4. Sinfonie veröffentlicht wurde.


Entstehungsgeschichte
Die Sinfonie in C-Dur entstand in der Zeit, in der Schumanns Gesundheit einen ersten Tiefpunkt erreicht hatte; der Grund hierfür war wohl in seiner seelischen als auch körperlichen Depression zu suchen. So kann man die Sinfonie mithilfe seiner zwei Phantasiebrüder Florestan und Eusebius deuten. Manche Interpretationen gehen dahin, dass jedes Thema, jede Stimmung von einem dieser beiden „komponiert“ wurde. Des Weiteren lässt sich eine große Beeinflussung der Sinfonie durch Werke von Johann Sebastian Bach erkennen. Schumann sagte selbst, er werde sich von seiner Depression heilen, indem er Bach studiere und diese Sinfonie schreibe.
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Symphony No.1

Robert Schumanns Sinfonie Nr. 1 B-Dur op. 38, auch Frühlingssinfonie genannt, entstand auf der Höhe seines Lebens in...
Robert Schumanns Sinfonie Nr. 1 B-Dur op. 38, auch Frühlingssinfonie genannt, entstand auf der Höhe seines Lebens in nur vier Januartagen des Jahres 1841. Er selbst sagte, das Werk sei „in feuriger Stunde geboren“ und er selbst sei „ganz selig gewesen“ über diese Arbeit:

„Ich schrieb die Sinfonie, wenn ich sagen darf, in jenem Frühlingsdrang, der den Menschen wohl bis in das höchste Alter hinreißt und in jedem Jahr von neuem überfällt. Schildern, malen wollte ich nicht; dass aber eben die Zeit, in der die Sinfonie entstand, auf ihre Gestaltung, und dass sie grade so geworden, wie sie ist, eingewirkt hat, glaube ich wohl.“

– Robert Schumann

Eine poetische Anregung für die Sinfonie lieferte u. a. ein kurzes Gedicht von Adolf Böttger, das mit den Zeilen endet:

„O wende, wende deinen Lauf
Im Tale blüht der Frühling auf!“

Diese Worte können als rhythmische Vorlage der Anfangsfanfare und des Hauptthemas des ersten Satzes angesehen werden. Als alternative Inspirationsquelle wurde der Ruf eines Leipziger Nachtwächters genannt.
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Klarinettenkonzert

Das Konzert in A-Dur KV 622 für Klarinette und Orchester von Wolfgang Amadeus Mozart ist eines seiner letzten Werke,...
Das Konzert in A-Dur KV 622 für Klarinette und Orchester von Wolfgang Amadeus Mozart ist eines seiner letzten Werke, vollendet um den 8. Oktober 1791. Widmungsträger war Anton Stadler, die Uraufführung fand am 16. Oktober 1791 in Prag statt. Die erste, auf einem Programmzettel nachgewiesene Aufführung fand während der Europatournee Anton Stadlers am 5. März 1794 in Riga statt.

Aufbau

Das Klarinettenkonzert in A-Dur gliedert sich in drei Sätze. Der erste Satz ist ein Allegro. Der zweite Satz, Adagio, ist auf vielen Sampler- und Filmmusik-CDs zu finden. Der dritte Satz ist ein tänzerisches und virtuoses Rondo im 6/8-Takt.
Historischer Hintergrund

Das Konzert wurde von Mozart als "Ein Konzert für die Clarinette, für Herrn Stadler den Älteren" zwischen Ende September und Mitte November 1791, also etwa einen Monat vor seinem Tod, fertiggestellt. Der Entwurf lag jedoch noch weiter zurück. Im erhaltenen, autographen Winterthur-Fragment KV 621 b, werden uns die ersten 199 Takte des ersten Satzes von KV 622 als Skizze überliefert. Die Wasserzeichen beider verwendeter Papiersorten datieren es nach A.Tyson um 1786/87. Das Fragment beinhaltet 199 Takte auf 24 Seiten. Die Takte 1-179 stehen in G-Dur, sind für ein Bassetthorn in G bestimmt und in einem Zug niedergeschrieben worden. Außergewöhnlich ist, dass ab Takt 180 das Instrument der Solostimme wechselt. Von Takt 180 an fährt Mozart mit einer spitzeren Feder und dunklerer Tinte fort. Wie aus der Baßstimme hervorgeht, skizziert er die restlichen 20 Takte in A-Dur, für eine Bassettklarinette in A. G-Bassetthörner bliesen zu dieser Zeit zwei fahrende Virtuosen in Wien, Anton David und Vincent Springer, welche Ende 1785 die Stadt verließen. Einer der beiden wird von P.Poulin als ursprünglicher Widmungsträger angesehen. Mozart verlangt in KV 621 b eine chromatische Bassetterweiterung der A-Klarinette, also die Töne notiert tief-es, -d, -cis, und den Grundton tief-c. Der Instrumentenwechsel ist vermutlich in Zusammenarbeit mit A.Stadler erfolgt. Das Adagio und das Rondo wurden später, nach dem Erfolg des Stadlerquintetts, 1790 oder 1791 hinzugefügt. Die erste in B gestimmte Bassettklarinette mit diatonischen Bassettönen erklang erstmals am 20.2.1788 in Wien. Sie wurde für Anton Stadler vom k.k. Hofinstrumentenmacher Theodor Lotz erfunden und gebaut. Etwa ein Jahr später entstand auch ein Instrument in A-Stimmung. Die vollständige Bassettonchromatik wurde schrittweise dazu gebaut, wie historische Zeitungsberichte belegen. Es gibt erhaltene primitivere Bassettklarinetten in Londoner und Pariser Museen, die um 1770 datiert werden. Die Bassettklarinette wurde, wie auch das Bassetthorn, zeitnah mehrfach und in unterschiedlicher Gestalt und Stimmung (A, B, C) erfunden. Mozarts Klarinettenkonzert ist sein einziges, das für dieses Instrument überliefert ist, und sein letztes Solokonzert.

Aus Mozarts Brief an seine Frau Constanze vom 7./8. Oktober 1791, nach Abschluss der Niederschrift des Klarinettenkonzerts:

"(…) Nun zu meinem Lebenslauf; - gleich nach Deiner Abseeglung Spielte ich mit Hr: von Mozart /: der die Oper beim Schickaneder geschrieben hat:/ 2 Parthien Billard. - dann verkauffte ich um 14 duckaten meinen kleper. - dann liess ich mir durch Joseph den Primus rufen und schwarzen Koffè hollen, wobey ich eine herrliche Pfeiffe Toback schmauchte; dann Instrumentirte ich fast das ganze Rondò vom Stadtler(…).

„2 Parthien Billard. – dann verkauffte ich um 14 duckaten meinen kleper – dann ließ ich mir durch Joseph den Primus rufen und schwarzen koffé hollen, wobey ich eine herrliche Pfeiffe toback schmauchte; dann Instrumentirte ich fast das ganze Rondó vom Stadtler. […]“

Die autographe Partitur ist verschollen. Nach Mozarts Tod erschienen 1801-2 fast gleichzeitig drei Stimmendrucke der Verlage Breitkopf&Härtel/Leipzig, André/Offenbach und Sieber/Paris. Sie zeigen eine weitgehend übereinstimmende Bearbeitung für die normale A-Klarinette ohne Bassettregister. In einer Rezension der Breitkopf-Ausgabe in der Allgemeinen Musikalischen Zeitung von März 1802 steht: "Recensent, der dieses herrliche Konzert in Partitur vor sich liegen hat, kann allen guten Klarinettisten die fröhliche Gewißheit ertheilen, daß kein anderer, als Mozart - nur er es geschrieben haben kann; daß es folglich in Ansehung der schönen, regelmäßigen, und geschmackvollen Komposition das erste Klarinet-Konzert in der Welt seyn muß; denn so viel dem Recensent Bewußt ist, existirt nur dies eine von ihm (...) Schließlich findet Recensent noch nöthig zu bemerken, daß Mozart dieses Konzert für eine Klarinette, die unten bis ins c geht, geschrieben hat. So müssen z.B. folgende Stellen in der Principal-Stimme sämmtlich in die tiefere Oktave versetzt werden". Im ersten Satz führt er an: Takt 94 (drei letzte Achtel), Takt 146/147 (je erste 16tel-Gruppe), Takt 190 (2. 4tel), Takt 198 (2. 4tel), Takt 206 (2. 4tel), Takt 207(1. 4tel), Takt 208 (2. 4tel), und Takt 209 (1. 4tel). "Und auf diese Art sind sehr viele Stellen versetzt und verändert worden. Besonders auffallend ist dies im Adagio": Takt 45-51, Takt 57, usw. "Da nun aber bis jetzt solche Klarinetten, die unten bis c gehen, noch immer unter die seltenen Instrumente gerechnet werden müssen, so ist man den Herausgebern für diese Versetzungen und Veränderungen für die gewöhnliche Klarinette allerdings Dank schuldig, ob das Konzert gleich nicht dadurch gewonnen hat. Vielleicht wäre es eben so gut gewesen, es ganz nach dem ursprünglichen Originale herauszugeben, und diese Versetzungen und Veränderungen allenfalls durch kleinere Noten zu bemerken". Die erste moderne Aufführung einer rekonstruierten Fassung spielte Josef Janous am 28.6.1951, nachdem Milan Kostohryz, sein Lehrer, 1848 beim Prager Klarinettenbaumeister Rudolf Trejdal die wohl erste Bassettklarinette des 20. Jahrhunderts hatte bauen lassen. Eine Selmer-A-Klarinette erhielt ein längeres Unterstück, die 4 Bassettklappen wurden mit dem rechten Daumen bedient. Das zweite Instrument ließ sich Wilhelm Rey aus Münster 1966 bei Trejdal anfertigen. 1968 ließ sich Hans Rudolf Stalder von Rudolf Uebel (gestempelt F.A.Uebel) ein Instrument bauen, mit dem er im selben Jahr ein Konzert und eine Tonaufnahme vornahm.

Weitere Rekonstruktionen von KV 622 für die Bassettklarinette haben u. a. vorgenommen: Jirí Kratochvil/Prag, Heinz Deinzer/Hannover, Ernst Hess für HR Stalder und das Augsburger Konzert 1968, Henle Urtext München/Hrsg. H.Wiese (2003), Pamela Weston/ Wien Universal Edition 1986, Franz Giegling, Bärenreiter (für die NMA 1977), Alan Hacker, Mainz, Schott, Eric Hoeprich, R.Wehle und S.Meyer/Mainz Schott 2015, Helmut Eisel (freie Fassung), und T.Grass (Willems Music Productions 2018). Eine Verbesserung der herkömmlichen Fassung für die A-Klarinette haben u. a. R.Wehle und S.Meyer/Schott, sowie T.Grass/Willems Music Productions vorgenommen.
Die Sätze
1. Satz: Allegro (A-Dur)

Das Allegro ist mit seinen etwa 12 Minuten der längste Satz des Konzerts. Das Stück beginnt mit der Orchesterexposition, erst in Takt 57 setzt die Klarinette als Solistin ein. Die Orchesterexposition gliedert sich in drei Hauptthemen, die sich wiederum in zwei kleine Abschnittsthemen aufteilen.
Nach der Vorstellung des achttaktigen ersten Themas, das von der Klarinette und den beiden Violinen piano gespielt wird, werden die ersten vier Takte forte wiederholt, wobei Flöte und Fagott hinzukommen.

In einem neuen Teil mit dem zweiten Abschnittsthema erinnert die Begleitung in der Viola und im Violoncello noch an das vorhergehende Thema. In den Hauptstimmen werden nun Viertel mit Sechzehntelbewegung gespielt. In den Begleitstimmen herrschen vorwiegend Viertel-, Achtel- und Sechzehntelbewegungen. Das oft wiederkehrende Motiv ist das Motiv in Takt 16/17 [Wiederholung in Takt 343/344]. Das Thema wird mit einem kräftigen Schluss, welcher bei jedem Themaende auftritt, beendet.

In Takt 25 wird das erste Abschnittsthema wieder aufgegriffen, jedoch anders weitergeführt. In allen Stimmen sind die ersten 1½ Takte mit dem Anfang fast identisch, dann folgt eine Erweiterung, der alle Stimmen folgen. Die Violine II wiederholt nochmals den vorhergehenden Takt, um mit der Klarinette und Violine I das Thema weiterzuspielen. Viola und Violoncello dienen nach dem Themenanfang als Begleitinstrumente. Dieser Einsatz erinnert an eine Art Kanon. Violine II setzt ein und wird zwei Schläge später von Viola und Violoncello und einen Takt später von Klarinette und Violine I imitiert. Dann folgt ein Wechsel der Hauptstimmen in Violine II und Bratsche, die im langsameren Teil von den anderen Instrumenten unterstützt werden. Dies ist das zweite Abschnittsthema. Viola wird von Violoncello, später von Fagott unterstützt, Violine II von Violine I, Klarinette von Flöte. Das Thema wird wieder von diesem Schluss beendet.

Dann folgt das dritte Thema, welches mehrfach während des ganzen Stücks in verschiedenen Stimmen auftritt. Dabei wechselt eine Trillerbewegung mit vier bzw. drei Achteln zwischen Klarinette mit Violine I und Violine II ab. Die anderen Stimmen bis auf Viola begleiten mit Achteln auf den 1, 2, 3 und 4 Schlag. Viola begleitet mit Sechzehnteln. Dann fallen die ersten vier Achtel weg und nur das Trillermotiv wird abwechselnd wiederholt, bis es eine Art Schluss bildet. Hier endet das erste Abschnittsthema des dritten Themas.

Im zweiten Abschnittsthema des dritten Themas beginnen die Hauptstimmen mit einem aufsteigenden halben A-Dur-Dreiklang in Viertel und Achtel. Dieses Schema wird eine Terz tiefer wiederholt und geht in punktierte Achtel mit Sechzehntel über (bis Takt 52). Dieses rhythmische Schema wird wiederholt (mit einer Viertel und Achtel und Achtelpause am Anfang) und mit Sechzehntelbewegungen abgeschlossen. Dann erst setzt die Soloklarinette mit dem Thema von Takt 1 ein. Die drei Themen fangen meistens im piano an, mit einem schlagartigen Übergang ins forte.

Des Weiteren erlangt die Klarinette einen trüben Charakter bei ihrem zweiten Soloeinsatz. Dies liegt daran, dass die Tonart von Dur nach Moll umschwenkt (bis Takt 98).
2. Satz: Adagio (D-Dur)

Der zweite Satz ist in dreiteiliger Liedform geschrieben (ABA-Form). Er gehört zu Mozarts bekanntesten Stücken und erscheint beispielsweise als Filmmusik in Jenseits von Afrika. Das zweiteilige, sehr kantable 16-taktige Hauptthema wird zunächst von der Soloklarinette vorgetragen und vom Orchester wiederholt. Im Mittelteil übernimmt die Klarinette eine führende Rolle, worauf die Wiederholung des Themas mit einer Coda abgeschlossen wird.
3. Satz: Rondo: Allegro (A-Dur)
Der dritte Satz ist in einer freien Rondoform geschrieben, die sich schematisch mit A – B – A' – C – B' – A – Coda umschreiben lässt. Das Hauptthema in A-Dur hat fröhlichen und tänzerischen Charakter. Nach der ersten Wiederholung des Themas erfolgt eine Modulation nach Fis-Moll, und das Stück nimmt virtuose Züge an, die in der Coda noch einmal eine abschließende Steigerung erfahren.
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Klavierkonzert No.21

Das 21. Klavierkonzert in C-Dur KV 467 ist ein Klavierkonzert von Wolfgang Amadeus Mozart. Nach abweichender Zählung...
Das 21. Klavierkonzert in C-Dur KV 467 ist ein Klavierkonzert von Wolfgang Amadeus Mozart. Nach abweichender Zählung handelt es sich um das 15. Klavierkonzert des Komponisten.

Innerhalb von vier Wochen nach der Komposition des 20. Klavierkonzerts KV 466 schrieb Mozart im Frühjahr 1785 das 21. Klavierkonzert in Wien nieder. Es gehört somit zur Gruppe der großen sinfonischen Klavierkonzerte, die mit dem vorhergehenden Konzert begann. Das reich orchestrierte Werk scheint in manchen Punkten von Joseph Haydn inspiriert zu sein. Mozart schrieb das Werk für die eigenen Konzertaufführungen in Wien.
Zur Musik
1. Satz: Allegro maestoso

Die Tempobezeichnung für den ersten Satz fehlt im Autograph und findet sich nur in Mozarts eigenhändigen Werkverzeichnis. Das marschartige Hauptthema wird in dreifacher Form vorgestellt, zunächst kammermusikalisch, dann tutti und abschließend kontrapunktisch. Zwischen diesen Varianten des Hauptthemas taucht kurz ein ebenfalls heiteres zweites Thema auf. Die nun folgende Soloexposition berührt das auf das Orchester zugeschnittene Hauptthema nur flüchtig und führt anschließend ein drittes Thema ein, welches sich aus dem vorweggenommen, späteren Hauptthema der 40. Sinfonie KV 550 in g-Moll entwickelt. Die Durchführung stellt das künstlerische Zentrum des Satzes dar. Sie arbeitet mit zwei Motiven aus dem Hauptthema und verbindet diese mit neuen Gedanken. Gegen Ende der Durchführung taucht ein Orgelpunkt in den Mittelstimmen auf, welcher zur Reprise führt. Diese Vorgehensweise wird später für Franz Schubert charakteristisch werden. Das orchestrale Hauptthema dominiert auch die Reprise, was ein deutlicher Hinweise darauf ist, dass es sich um ein sehr sinfonisches Klavierkonzert handelt. Die ausgedehnte Solokadenz streift das Hauptthema und wendet sich dann wieder dem g-Moll-Thema aus der Exposition zu. Das abschließende Orchesterritornell lässt den Satz mit dem Hauptthema optimistisch verklingen. Der Satz endet jedoch nicht in Forte, was einen besseren Übergang zum anschließenden Andante ermöglicht.
2. Satz: Andante

Die auf den G-Saiten spielenden Violinen verleihen dem Satz einen beinahe schwebenden und entrückten Charakter. Er ist die künstlerische Weiterentwicklung des ähnlich beginnenden Andantes aus dem 6. Klavierkonzert KV 238 von 1776. Der Satz gilt als Beispiel für den kantablen Charakter vieler Andantesätze Mozarts. Die nahezu durchgehende Triolenbewegung der Begleitung, verbunden mit zarten Pizzicati, verleiht dem Satz eine Gleichmäßigkeit und begleitet eine unendliche Melodie, welche immerfort weiterfließt. Formal gesehen handelt es sich bei diesem Andante um eine stark komprimierte Sonatensatzform. Das Soloklavier übernimmt nach der rein orchestralen Einleitung sowohl das Thema als auch die Triolenbegleitung. Ein zweiter Gedanke in f-Moll schließt sich an, ohne den Fluss zu unterbrechen. Ein kurzer durchführungsähnlicher Teil geht wenig thematisch vor und kann zum Typus der Phantasiedurchführung gezählt werden. Nach einer kurzen Coda verklingt der ergreifende Satz, ohne dass die Melodie einmal aufgehört hat weiterzufließen. Selbst die Triolenbewegung setzt nur zweimal kurz aus.
3. Satz: Allegro vivace

Das Finalrondo vermischt Rondoform mit Sonatensatzform in nie dagewesener Art und Weise. Das vergnügte, fast ausgelassene Refrainthema wird im Orchester vorgestellt und anschließend vom Soloklavier, nach einem kurzen Entrée, übernommen. Das erste Couplet bringt einen vergnügt-sprunghaften zweiten Gedanken. Nach der Wiederholung des Refrainthemas folgt kein regelgerechtes zweites Couplet. Stattdessen folgt eine Durchführung, in welcher das Refrainthema unter anderem kurz nach Moll gewendet und mannigfaltig verarbeitet wird. Anschließend wird das Refrainthema erneut wiederholt; ebenso kehrt das Entrée des Solisten in variierter Form wieder. Die Solokadenz geht motivisch vor und verarbeitet in der Hauptsache das Thema des ersten Couplets. Der vergnügte Satz endet in jubelnden Akkorden von Klavier und Orchester.
Stellenwert

Das 21. Klavierkonzert stellt einen großen inhaltlichen Gegenpunkt zu seinem direkten Vorgänger, dem 20. Klavierkonzert KV 466, dar. Dem düsteren Vorgänger in d-Moll wird hier ein C-Dur-Werk mit großer Orchesterbesetzung und glänzender sowie heiterer Thematik gegenübergestellt. Wie bereits der Vorgänger gehört dieses Werk zu den sinfonischen Klavierkonzerten, ein Typus, den Mozart im d-Moll-Konzert erreicht hatte. Die orchestralen Anteile sind sehr groß; das Soloklavier übernimmt an einigen Stellen nur begleitende Funktion. So ist beispielsweise das Hauptthema des ersten Satzes ein stark orchestrales Thema, das vom Klavier auch nur flüchtig aufgenommen wird. Ein drittes Thema nimmt die Thematik der g-Moll-Sinfonie KV 550 vorweg, die erst drei Jahre später entstand.

Die Orchesterbesetzung ist um Trompeten und Pauken erweitert, was letztmals im Klavierkonzert KV 451 vorgekommen war. In formaler Hinsicht lässt sich feststellen, dass Mozart die vorher in vielen Konzerten praktizierte Verquickung von Rondoform und Sonatensatzform im letzten Satz hier auf die Spitze treibt. Das zweite Couplet fällt beispielsweise einer großen Durchführung zum Opfer. Mozart beweist hiermit erneut, dass er in der Lage ist, die üblichen Formprinzipien kreativ zu interpretieren und seinen Kompositionsidealen anzupassen.

Das Hauptthema des zweiten Satzes gelangte international zu besonders großer Popularität, da es als Filmmusik im Film Elvira Madigan verwendet wurde. Daraufhin bürgerte sich mancherorts die anachronistische Bezeichnung Elvira Madigan für dieses Konzert ein, obwohl die betreffende Dame etwa 100 Jahre später lebte und der Film aus dem 20. Jahrhundert stammt.
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Symphony No.40

Die Sinfonie g-Moll KV 550 komponierte Wolfgang Amadeus Mozart im Juli 1788 in Wien. Nach der Alten Mozart-Ausgabe...
Die Sinfonie g-Moll KV 550 komponierte Wolfgang Amadeus Mozart im Juli 1788 in Wien. Nach der Alten Mozart-Ausgabe trägt die Sinfonie, seine vorletzte, die Nummer 40.

Bezüglich Entstehungsgeschichte und Kompositionsanlass vgl. Einleitung bei der 39. Sinfonie (KV 543). Mozart hat die Sinfonie KV 550 vermutlich am 25. Juli 1788 fertiggestellt, da er an diesem Tag ihr Incipit in sein Werkverzeichnis einfügte. Sie wurde noch zu Mozarts Lebzeiten aufgeführt: In einem Brief vom 19. Juli 1802 an den Leipziger Verleger Ambrosius Kühnel berichtet der Prager Musiker Johann Wenzel von der Aufführung der Sinfonie im Beisein Mozarts bei Baron Gottfried van Swieten, die jedoch so schlecht ausfiel, dass der Komponist es vorzog, den Raum zu verlassen. Im nachträglichen Hinzufügen zweier Klarinetten (landläufig: „Zweite Fassung“ gegenüber der „Ersten Fassung“ ohne sie) sehen mehrere Autoren einen Hinweis auf ein Konzert, das am 16. und 17. April 1791 im Rahmen der Tonkünstler-Sozietät unter Leitung von Antonio Salieri in Wien stattfand und an dem auch die mit Mozart befreundeten Klarinettisten Johann und Anton Stadler beteiligt waren; als erstes wurde „Eine große Sinfonie von der Erfindung des Hrn. Mozart“ gespielt.

Manchmal wird KV 550 als „Große g-Moll-Sinfonie“ bezeichnet, die ebenfalls in g-Moll stehende Sinfonie KV 183 als „Kleine g-Moll-Sinfonie“. So weist Georges Beck (1952) auf mehrere Ähnlichkeiten hin (siehe bei KV 183); während Ronald Woodham (1983) resümiert: „Diese Parallelen und auch die beiden Sinfonien eigene Ausdrucksstärke sind beachtenswert, doch springen die Unterschiede weit mehr ins Auge als die Gemeinsamkeiten …“
Zur Musik

Besetzung: eine Flöte, zwei Oboen, zwei Klarinetten, zwei Fagotte, zwei Hörner: eines in G, eines in B; zwei Violinen, Viola, Cello, Kontrabass. In zeitgenössischen Orchestern wurde wahrscheinlich auch ein Cembalo (sofern im Orchester vorhanden) als Generalbass-Instrument eingesetzt.

Aufführungszeit: ca. 30–35 Minuten.

Bei den hier benutzten Begriffen der Sonatensatzform ist zu berücksichtigen, dass dieses Schema in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts entworfen wurde (siehe dort) und von daher nur mit Einschränkungen auf die Sinfonie KV 550 übertragen werden kann. Die hier vorgenommene Beschreibung und Gliederung der Sätze ist als Vorschlag zu verstehen. Je nach Standpunkt sind auch andere Abgrenzungen und Deutungen möglich.
Erster Satz: Molto Allegro (urspr. Allegro assai)

Der Satz beginnt als teppichartige Achtelbegleitung der geteilten Violen mit grundierenden Bass-Vierteln, über denen auf der vierten Zählzeit des ersten Taktes die auftaktige Melodie in den oktaviert parallel geführten Violinen einsetzt. Kennzeichnend für die Melodie ist der gebundene Halbtonschritt abwärts mit Wiederholung des Zieltons im Rhythmus zwei Achtel – eine Viertel (diese Figur wird zunächst dreimal wiederholt) sowie die Sexte aufwärts. Das Seufzermotiv des gebundenen Halbtonschritts abwärts mit der Tonwiederholung ist für den weiteren Aufbau des Satzes von Bedeutung.

Das erste Thema besteht aus einer Folge von zweitaktigen Paaren, die wie Frage und Antwort aufeinander bezogen sind. Es entsteht jedoch keine in sich geschlossene Melodie, sondern ein „Strukturzusammenhang aus heterogenen Gebilden“. Eine Unterbrechung erfolgt von Takt 14–20 mit einem Forte-Tutti und betonten Vorhalten auf D-Dur. Das Thema endet in Takt 27 und moduliert an seinem Ende zur Tonikaparallelen B-Dur. Die Länge des Auftaktes wird unterschiedlich diskutiert:Beginnt das Thema mit der ersten Zählzeit in Takt 2 oder erst in Takt 3 mit der Sexte aufwärts (d. h. die ersten beiden Takte sind auftaktig)? In der Reprise (Takt 164–166 ff.) wirkt die wiederholte Halbtonschrittfigur auftaktig, da die Tonika im Bass sowie die Begleitung der Violinen erst mit Beginn der Sexte einsetzen, während die Begleitung am Satzbeginn vor der Halbtonschrittfigur auftritt. Diese Unklarheit trägt mit zum „Schwebecharakter“ des Satzes bei. Der Themenkopf weist Ähnlichkeiten auf mit der Arie des Cherobino „Non so piu cosa son cosa faccio“ aus dem Figaro.

Die folgende Forte-Passage (ab Takt 28) beginnt im ganzen Orchester mit einem Motiv aus aufsteigender Dreiklangsfigur und tremoloartigem Bass in taktweise absteigenden, gebrochenen Terzen. Lauffiguren, die als betonter Vorhalt wirken (Wechsel von C und Des), leiten zum zweiten Thema über, das nach einer Generalpause in Takt 43 beginnt. Das zweite Thema (Takt 44–57, Tonikaparallele B-Dur) mit seiner achttaktigen, stark chromatisch gefärbten Melodie für Streicher (und Bläsereinwurf) kontrastiert durch den ruhigen Charakter zum vorigen Geschehen. Es wird wiederholt (Takt 52 ff.), nun aber mit vertauschten Rollen zwischen Bläsern und Streichern.

Der anschließende Abschnitt (Takt 58–72) bringt eine vierfach wiederholte Vorhaltsfigur auf Es (Subdominante von B) und ein Tremolo mit Crescendo. Die Schlussgruppe (Takt 72 ff.) greift das Halbtonschritt-Motiv vom ersten Thema auf und führt es versetzt durch die Instrumente. Aus den Fragmenten entsteht ab Takt 77 dabei eine viertaktige geschlossene Einheit. Der Abschnitt ab Takt 72 wird mit vertauschten Rollen von Bässen und Violinen wiederholt. Die Exposition endet nach Unisono-Läufen und Akkordmelodik (Wechsel von B und F-Dur) in Takt 100 als „offener“ Dominantseptakkord und wird wiederholt.

In der Durchführung (Takt 101–165) wird das Material vom ersten Thema verarbeitet. Sie beginnt als Fortsetzung des Schlusses der Exposition als verminderter Akkord, der ein Ausbrechen aus dem bisherigen harmonischen Rahmen ankündigt. Über A-Dur moduliert Mozart mit dem ersten Thema nach fis-Moll (Takt 105 f.) und dann weiter chromatisch absteigend. In Takt 114 ist H-Dur erreicht, von hier aus geht es im Quintenzirkel abwärts über e-Moll, a-Moll, d-Moll, g-Moll, C-Dur, F-Dur, B-Dur, c-Moll und g-Moll nach A-Dur. Dabei taucht das Hauptmotiv dialogisch versetzt zwischen den Violinen und den übrigen Streichern mit Fagott auf, während jeweils die andere Gruppe eine hämmernde kontrapunktische Gegenbewegung in Staccato-Achteln spielt. Ab Takt 126 übernehmen die Violinen die Melodie und spinnen sie abwärts sequenziert fort. Die Bewegung läuft dann mit einem Wechsel von d-Moll und A-Dur aus (Takt 134 ff.), jedoch bleibt der Hauptgedanke fragmentarisch bestehen (Takt 138 ff.: 1. Violine, Flöte und Klarinette) und steigert sich zum dramatischen Forte (Takt 152 ff.), das über eine chromatisch abwärts geführte Bläserpassage zur Reprise überleitet.

Diese beginnt je nach Wertung des Auftakts in Takt 165 oder 166 (s. o.). Sie unterscheidet sich gegenüber der Exposition u. a. durch die Verlängerung des Überleitungsabschnitts, indem das Motiv mit dem aufsteigenden Dreiklang durchführungsartig moduliert wird und zwischen den Instrumenten wandert. Eine Coda (Takt 286 ff.) mit dem Hauptmotiv beendet den Satz.
Zweiter Satz: Andante

Wie auch im Molto Allegro, weist das erste Thema eine relativ „offene“ Form auf. Es besteht aus mehreren Motiven, von denen eine auftaktige Figur mit Tonwiederholung (Motiv 1) den Anfang macht (Takt 1–3). Zunächst in der Viola, stimmen taktweise versetzt die 2. und dann die 1. Violine ein, wobei sich das Auftaktintervall von der Quarte über die Quinte hin zur Sexte erweitert. In Takt 4 wird das Motiv mit einer Schlussfloskel beendet. Die Anfangstöne der Tonwiederholung sind es, f und as. Mit dem ebenfalls gespielten g in Takt 4 ist damit dieselbe Figur wie vom Beginn des vierten Satzes der Sinfonie KV 551 vorhanden, was manche Autoren[3][9] neben anderen Faktoren als möglichen Hinweis für eine Zusammengehörigkeit (im Sinne eines Zyklus) der drei letzten Sinfonien Mozarts werten. Peter Gülke (2007)[9] sieht diesen Zusammenhang auch für den Bass in Takt 20–23, wo Mozart „das zu Beginn imitativ diskret aufgeschichtete Viertonmotiv (es-f-as-g, nun b-c-es-d) im Baß nachdrücklich heraushämmert.“

Dieses Motiv 1 wird in Takt 3 von einem chromatischen Bassgang (Motiv 2, „Drehmotiv“) unterlegt. Nach einem weiteren Motiv mit betonten Vorhalten in Takt 5/6 (Motiv 3), unterlegt von Tonrepetition der Hörner, folgt in Takt 7 eine Seufzerfigur (Zweiunddreißigstel + betonter Vorhalt, Motiv 4), die als chromatisch fallende Sechzehntel-Linie den Vordersatz beendet. Der Nachsatz ist zunächst ähnlich wie der Vordersatz strukturiert, jedoch mit anderer Instrumentierung und aufsteigender Melodielinie in der 1. Violine (Motiv 5). Ab Takt 16 verselbständigt sich die Zweiunddreißigstel-Floskel von Motiv 4 zur tänzerischen, echohaft-belebenden Figur (Motiv 6), über die in Takt 17/18 eine sangliche Melodie (Motiv 7) in den Holzbläsern dazutritt. Der Abschnitt des ersten Themas endet in Takt 19 auf Es.

Der folgende Abschnitt beginnt als energische Floskel mit Oktavsprung auf der Dominante B-Dur und greift die Tonrepetition von Motiv 1 sowie die Zweiunddreißigstel-Floskel von Motiv 6 wieder auf. Ab Takt 28 wechselt Mozart mit Motiv 1 (mit Auftakt) unter der Floskel von Motiv 6 (nun nur in Abwärtsbewegung und in den Holzbläsern) über Des-Dur, As-Dur, es-Moll und b-Moll zum mehrdeutigen, trugschlussartigen Akkord über Es in Takt 33.[10] Hier setzt das ganze Orchester forte ein und wechselt anschließend weiter über Ges- und B-Dur nach F-Dur.

Das Motiv ab Takt 37 (Motiv 8, B-Dur) kann je nach Standpunkt als zweites Thema im Sinne der Sonatensatzform interpretiert werden, jedoch hat dieses „Thema“ nicht wie sonst üblich eine geschlossene, sondern eine offene, nicht-periodische Struktur und ist insgesamt eher motivartig aufgebaut, wobei insbesondere die dreifache Wiederholung der Sexte abwärts auffällt. Bemerkenswert ist zudem, dass der Bass erst bei der variierten Wiederholung ab Takt 41 auftritt.

Nach einem Akkord auf der Basis von es-Moll folgt ein „akkordisch labiles Initialgebilde, das eine Reihe von dramatisch fortschreitenden, harmonisch und kontrapunktisch verankerten Durchgangsklängen auslöst“. Die Schlussgruppe (ab Takt 48) greift Motiv 1 als Variante auf und beendet die Exposition mit einer schließenden Wendung. Die Exposition wird wiederholt.

Die Durchführung beginnt mit der von Motiv 1 bekannten Tonrepetition auf Ces im Streicherunisono, wobei das auftaktige B einen charakteristischen Halbtonschritt zu Ces bildet. In Takt 55 fällt das Ces zunächst wieder nach B zurück, doch mit dem zweiten Anlauf ab Takt 56 fängt mit demselben Ces ein weit gespannter Modulationsabschnitt mit der Tonrepetition von Motiv 1 und der Zweiunddreißigstel-Floskel von Motiv 6 an. Violinen / Viola sowie die Bläser spielen beide Motive im Dialog. Ab Takt 64 stabilisiert sich G-Dur, und die bisher lediglich abwärts geführte Bewegung von Motiv 5 wird durch Aufwärtsfloskeln aufgefangen.

In Takt 69 setzt das erste Thema als Scheinreprise in C-Dur (der Tonika zu G-Dur) ein, bricht dann aber wieder ab und führt über chromatische Wendungen des „Drehmotivs“ (Motiv 2) zur Reprise, die in Takt 74 erreicht ist und mit dem ersten Thema in Es-Dur einsetzt. Der Nachsatz enthält das „Drehmotiv“ und moduliert nach C-Dur, welches dominantisch zur in f-Moll beginnenden Passage analog Takt 20 wirkt. In diese Passage ist zudem das Drehmotiv und die Formulierung von Takt 26/27 integriert (letztere erscheint nun in Takt 97/98). Die übrige Reprise ist analog der Exposition strukturiert. Durchführung und Reprise werden wiederholt.

Neal Zaslaw (1989) weist darauf hin, dass Joseph Haydn in dem Oratorium Die Jahreszeiten den Satzbeginn in der Arie Nr. 38 „Erblicke hier, bethörter Mensch“ zitiert.

„Eine arkadische Welt tut sich auf. Der Satz ist in jedem Takt von Bewegung erfüllt, aber frei von jeder Hektik – alles atmet in großer Ruhe. Die Besetzung wird nicht reduziert, bleibt aber immer durchsichtig und lässt die Instrumentengruppen bald chorisch, bald in solistischem Linienspiel erklingen.“

„Es ist das schwärmerisch-empfindsame Es-Dur, das oft in Siciliano-Arien im Andante-Tempo und im 6/8-Takt begegnet. Von Kantabilität ist daher auch der gesamte Satz durchtränkt, der nur im Mittelteil […] und an besonderen Stellen im ersten Teil […] den Ton von zart blühender Empfindung und glücklicher Anmut verlässt.“

Dritter Satz: Menuetto. Allegret

Das Menuett fällt durch seinen wenig tänzerischen Charakter und die polyphone Gestaltung auf. Der Beginn kann durch den hemiolischen Aufbau je nach Standpunkt als zweitaktig oder dreitaktig strukturiert aufgefasst werden. Diese irritierende Wirkung wird zu Beginn des zweiten Teils durch die Einführung der z. T. dissonanten Gegenstimme in den Violinen und Fagott noch verstärkt; der polyphone Charakter wird von Takt 28–34 durch versetzte Führung des Achtelmotivs vom Hauptgedanken fortgesetzt. Der Hauptteil endet nach einer chromatisch fallenden, auslaufenden Figur im Piano (vorher durchgehend Forte) in den Klarinetten und Fagotten unter dem Hauptmotiv in der Flöte.

Das Trio in G-Dur ist dagegen eher homophon gehalten und wird durch eine ruhige Viertelbewegung bestimmt. Holzbläser (ohne Klarinetten), Streicher und Hörner stehen sich „wie Chöre in einem melodiösen Wechselgesang gegenüber.“

Neal Zaslaw (1989) weist auf Ähnlichkeiten des Menuetts mit dem von Franz Schuberts 5. Sinfonie hin und führt aus, dass Schubert sich eine Kopie des Menuetts angefertigt habe.
Vierter Satz: Allegro assai

g-Moll, 2/2-Takt (alla breve), 308 Takte

Das erste Thema beginnt auftaktig als aufsteigender gebrochener Dreiklang („Mannheimer Rakete“)[4] im Piano, gefolgt von einem Pendelmotiv aus Achteln im Forte. Diesem dominantisch endenden viertaktigen Vordersatz folgt der ähnlich strukturierter Nachsatz mit Tonikaschluss. Nach Wiederholung dieser achttaktigen Periode schließt ein zweiter Achttakter an, der aus einem rhythmisch markanten Motiv mit Tonwiederholung und Triller sowie dem Nachsatz der ersten Periode besteht. Auch dieser zweite Achttakter wird wiederholt und geht dann nahtlos in den Überleitungsabschnitt ab Takt 32 über. Durch die Auftakte und die rhythmische Struktur entsteht eine leicht tänzerische Wirkung.

Der Typus des aufsteigenden Dreiklangs als (Haupt-) Motiv wurde in zahlreichen Werken benutzt, bspw. auch im ersten Satz von Mozarts Sinfonie KV 183.Auf diesen Typus geht auch der Beginn z. B. von Beethovens erster Klaviersonate in f-Moll op. 2 Nr. 1 oder der Beginn des Scherzos aus der 5. Sinfonie in c-Moll zurück. Letztere Übereinstimmung entfachte eine Kontroverse um die Vergleichbarkeit des musikalischen Einfalls. Beethoven hatte in einem Skizzenbuch zum Scherzo die Streicherstimmen einer Passage aus der Durchführung von KV 550 (Takt 146–174) abgeschrieben. Stefan Kunze meint daher, dass es Beethoven nicht primär auf den melodischen Gedanken ankam, sondern auf Mozarts Durchführungstechnik (s. u.).

Der Abschnitt bis zum zweiten Thema fällt durch seine ungewöhnliche Länge (Takt 32–70) auf. Er basiert auf dem Pendelmotiv, das sich teilweise zu längeren, virtuosen Achtelläufen verselbständigt, und zu dem sich von Takt 49–55 ein Klopfmotiv aus Vierteln dazugesellt. Die Harmonie bleibt zunächst im Bereich von g-Moll und wendet sich erst ab Takt 46 in Richtung B-Dur.

Das zweite Thema (ab Takt 71) steht erwartungsgemäß in der Paralleltonart B-Dur und kontrastiert durch Piano und weiche Klangfarbe zum ersten Thema. Es ist achttaktig, etwas chromatisch und wird zweimal variiert wiederholt. Nach einer Passage mit chromatisch fallender Linie und gehaltenen Bläserakkorden folgt die Schlussgruppe, die wieder auf dem Pendelmotiv und tremoloartigen Tonwiederholungen basiert. Die Exposition endet in Takt 124 und wird wiederholt.
Beginn der Durchführung

Während in der Exposition das Pendelmotiv die Hauptrolle spielte, ist es in der Durchführung der gebrochen aufsteigende Akkord vom Beginn des ersten Themas (Aufstiegsmotiv), der zunächst im Forte-Unisono erklingt. Anstelle des eigentlich folgenden Pendelmotivs schließen sich jedoch lediglich durch Pausen abgesetzte Unisono-Viertel an. Hierbei verwendet Mozart alle Töne der chromatischen Tonleiter außer den Grundton g. In der folgenden Modulationspassage tritt das Aufstiegsmotiv im Abstand von jeweils zwei Takten zwischen Bläsern und Violinen auf. Dabei werden u. a. A-Dur, d-Moll, D-, G- und C-Dur sowie f-Moll (Takt 147) erreicht. Ab Takt 150 wird an das Motiv ein Achtellauf gehängt, der sich ebenso wie ein weiterer Achtellauf (z. B. Takt 158 im Bass) als Mittel zur „kontrapunktischen Verflechtung“[ (Engführung ab Takt 153) erweist. Ab Takt 161 erscheint das Aufstiegsmotiv dann wieder ohne Achtellauf und durchläuft versetzt die Streichinstrumente über gehaltenen Akkorden der Bläser. Diese übernehmen erst in Takt 175 ff. unter dem tremolierenden Gis der Violinen die Stimmführung, dialogisch mit den Streicherbässen. In Takt 187 wird cis-Moll als Trugschlussharmonie erreicht, gefolgt drei Viertelschlägen einer „bedeutungsvollen Stille“. Der erneute Ansatz mit dem Aufstiegsmotiv, beginnend in Cis-Dur, löst sich dann nicht mehr auf, sondern bricht nach zwei betonten Vorhalten und einem dissonanten Akkord in einer langen Generalpause von insgesamt sechs Viertelschlägen ab.

Aus dieser Stille heraus fängt die Reprise (Takt 208 ff.) wieder mit dem ersten Thema im Piano an. Sie stimmt weitgehend mit der Exposition überein (auch zweites Thema nun in der Tonika g-Moll), jedoch ist die Schlussgruppe mit dem Pendelmotiv erweitert (Abweichung ab Takt 294).

Volker Scherliess (2005)weist darauf hin, dass der Charakter des Satzes (drohend bis komödiantisch) wesentlich von der Spielweise (schnelles oder langsames Tempo) abhängt.
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00:31:23

Eine kleine Nachtmusik

Die Serenade Nr. 13 für Streicher in G-Dur KV 525 ist eine der populärsten Kompositionen von Wolfgang Amadeus...
Die Serenade Nr. 13 für Streicher in G-Dur KV 525 ist eine der populärsten Kompositionen von Wolfgang Amadeus Mozart. Ihren Beinamen Eine kleine Nachtmusik verdankt sie Mozarts Eintrag in seinem Werkverzeichnis: „Eine kleine Nachtmusik, bestehend in einem Allegro.Menuett und Trio.-Romance.Menuett und Trio, und Finale.-2 violini, viola e bassi.“ Mit Nachtmusik übersetzt er den Begriff Serenade ins Deutsche, der eine Gattung der Unterhaltungsmusik bezeichnet, die traditionell abends und oft im Freien zur Aufführung kam und deshalb häufig für Blasinstrumente geschrieben war. Die „Kleine Nachtmusik“ ist jedoch für ein Kammermusikensemble von zwei Violinen, Bratsche, Violoncello und Kontrabass geschrieben (die Stimmen werden heute meist mehrfach besetzt). Darüber hinaus weisen auch die Kunstfertigkeit der Stimmführung und die klassischen Proportionen der Sätze darauf hin, dass das Werk eher als anspruchsvolle Kammermusik denn als reine, „leichte“ Unterhaltungsmusik konzipiert war.

Die Komposition wurde am 10. August 1787 in Wien beendet, während Mozart an Don Giovanni arbeitete. Es ist jedoch unbekannt, für welchen Anlass oder welchen Auftraggeber Mozart sie schrieb. Zu seinen Lebzeiten wurde sie vermutlich nie aufgeführt.

Aus Mozarts Werkverzeichnis geht hervor, dass die Serenade ursprünglich fünf Sätze umfasste. Im Autographen fehlen die Seiten zum ursprünglichen zweiten Satz; es ist unklar, ob sie verloren gegangen sind oder bewusst herausgetrennt wurden. Ein gar gewaltsames Entfernen, von dem teilweise zu lesen ist, erscheint eher unwahrscheinlich, da die Blätter ohnehin nie paginiert waren.[1] Alfred Einstein vermutete, dass Mozarts Menuett B-dur, KV Anh. 136 (498a) Nr. 3, einen Klavierauszug des verlorenen zweiten Satzes der „Kleinen Nachtmusik“ darstellt. Wolfgang Plath und Wolfgang Rehm reihen dieses Menuett an seinem Ort innerhalb der Sonate in der „Neuen Mozart-Ausgabe“ unter die zweifelhaften Werke (Serie X, Werkgruppe 29, Abteilung 2, also Bd. 112) ein und referieren im Vorwort August Eberhard Müller (1767–1817) als Verfasser bzw. Arrangeur der Sonate.
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