Im Morgengrauen erwachte eine junge schwarzhaarige Frau mitten im Wald. Nur langsam kam sie zu sich und blickte durch den Nebel, der sich zwischen den Bäumen wand. Ihre Hand fühlte das feuchte Moos unter sich und sie spürte die Kälte des Morgens. Der Nebel, eine graublaue Suppe, durchfeuchtete langsam das dünne weiße Nachthemd, das sie als einziges trug. Sie fror und rappelte sich auf. Nebelwölkchen atmend, schaute sie sich fröstelnd um. Wo war sie? Und wie kam sie hierher? Was ist geschehen? Die Fragen wummerten durch ihren Kopf und langsam stieg Panik in ihr auf. Ihr Leib zitterte von der Kälte, die ihr in die Glieder biss und ihre Zähne begannen zu klappern. Sie versuchte sich zu orientieren, doch egal in welche Richtung sie auch blickte, überall war nichts weiter als Wald. Mehr um der Kälte entgegenzuwirken, als wirklich etwas sinnvolles zu tun, lief sie los. Barfuss stakste sie über den Waldboden. Kleine Äste, Steinchen und dergleichen mehr stachen in ihre blanken Fußsohlen und machten jeden Schritt zur Qual. Aber ihr blieb nichts anderes übrig. Sie blendete den Schmerz aus und lief.
Plötzlich kam sie an eine Lichtung. Eine mit Farnen bestandene Fläche, über der sich langsam der Nebel lichtete. Sonst nichts. Sie rief panisch „Hallo?“, aber wusste selber gut genug, dass sie sich das auch sparen konnte, denn hier war weit und breit niemand, der sie hätte hören können. Kurz dachte sie an die alte Frage, ob ein umfallender Baum ein Geräusch verursacht, wenn niemand da ist, der es hört. Genau so kam sie sich im Moment vor. Sie versuchte sich zu erinnern, ob sie diese Lichtung kannte. Versuchte Wegemarken zu finden, die ihr verrieten, wo sie ist. Aber alles war ihr fremd. Und der Wald seltsam still. Das fiel ihr jetzt erst, als sie an das Geräusch dachte, auf. Kein Vogelgezwitscher, keine Käuze, kein Knacken. Nicht einmal Windrauschen war zu hören. Alles war auf eine surreale Weise still.
Ohne weitere Gedanken lief sie auf die Lichtung, als plötzlich der Boden unter ihr nachgab. Sie fiel in die Tiefe und schlug mit einem dumpfen Knall auf. Schwärze umfing sie.
Als sie wieder aus der Ohnmacht, die sie umklammerte, erwachte, blinzelte sie im fahlen Licht um sich. Sie erkannte, dass sie durch einen Spalt im Waldboden brach, der wohl von Wurzeln, Moos und anderen Gewächsen zugewachsen war und sie das Glück hatte, genau auf diesen Spalt zu treten und durchzubrechen. Die Schmerzen in ihrer Schulter, ihren Rippen und ihrer Hüfte, hatte sie den Steinbrocken zu verdanken, auf denen sie aufschlug und dann das Bewusstsein verlor. Diese Trümmer waren wohl einst an der Decke dieses unterirdischen Raumes und wo die einmal waren, brach sie durch. Mühsam rappelte sie sich auf und schaute zu dem Spalt empor, durch den fahles Licht fiel und den kargen Raum etwas erhellte. Wie sollte sie hier je wieder herauskommen? Sie war wie ein Tier in der Falle. Hochklettern konnte sie nirgends. Die Wände waren zu hoch und zu glatt. Nichts, woran man Halt fand. Außer einer langen Wurzel, die sie gerade so zu fassen bekam. Als sie versuchte daran hochzuklettern, riss die Wurzel mit einem peitschenden Knall ab und sie landete unsanft auf ihrem Hintern. Wieder machte sich Panik in ihr breit, denn die kleinste Hoffnung, die noch in ihr war, zerbarst in diesem Augenblick wie eine fragile Glaskugel. Tränen standen ihr in den Augen und sie fragte sich nur noch „Warum?“. Ohne wirklich eine Antwort darauf zu erwarten. Sollte ihr Leben so enden? In einem maroden Verlies irgendwo im Wald, mit nichts weiter an, als einem mittlerweile völlig verdreckten und durchnässten Nachthemd, das aus Uromas Zeiten stammen könnte?
Nein! Dagegen wehrte sie sich mit allen Kräften. Neuer Mut durchfloss ihre Adern und sie begann, den Raum abzusuchen. Hinter den Trümmern erkannte sie einen Durchgang. Mit viel Mühe schaffte sie es, ein paar der Trümmerteile beiseite zu schieben und sich so eine Lücke zu schaffen, die groß genug ist, damit sie hindurchschlüpfen konnte. Der grobe Stein kratzte an ihrem Leib, als sie sich durch die enge Öffnung zwängte und endlich in einen weiteren Raum kam. Das spärliche Licht, das durch die Trümmerlücke fiel, gab gerade soviel preis, dass sie den Raum als Umkleide erkennen konnte. Offene, teils rostige Metallspinde standen an der Wand, davor verwitterte Holzbänke. Weiter nichts. Da erkannte sie in der dunkelsten Ecke des Raums ein rostiges Eisengeländer, neben dem eine Treppe hinabführte. Mit pochendem Herzen stellte sie sich auf die oberste Stufe und blickte hinab in die Dunkelheit, aus der sie undefinierbare Geräusche vernahm...
So, liebe Luni, nun darfst weiterschreiben. Bin gespannt auf Deine Fortsetzung.