Tick, Tack, echot es hallend durch den vereinsamte Raum. Zitternd schwingt sich der schmale Minutenzeiger, einer ächzenden Bewegung gleich, einen erneuten Schritt auf dem Ziffernblatt weiter. Ruckartig bleibt er in der Höhe eines schmucklosen Strichs stehen. Noch ein erneuter Umlauf und der Zeiger wird auf der Zwölf landen. Einer Ziellinie gleich verharrt diese Zahl an Ort und Stelle, thront über allen anderen Ziffern und erwartet förmlich sehnsüchtig den in zäher Langsamkeit umlaufenden Zeiger. Diese jedoch hat es nicht besonders eilig ins Ziel zu stürmen. Geradezu mit enervierender Gemütlichkeit legt er zunächst noch eine Pause ein, verharrt in Bewegungslosigkeit. Tick. Erneut werfe ich einen Blick auf die Uhr. Immer noch genügend Zeit einem Gedanken zu folgen, genügend Zeit mit dem Fuß zu wippen, genügend Zeit nichts zu tun. Endlos erscheint die Zeit. Unmerklich perlt ein Schweißtropfen auf meiner Stirn auf. Wieder einmal löst er sich und beginnt seinen Weg hinab zu rennen. Nervig und wohlig zu gleich, hinterlässt eine schmale Spur angenehmer Kühle auf der heißen Haut. Wie schön wäre es diese Kühle wirklich zu erleben und sich nicht nur vorzustellen, schießt es mir durch die dahin wabernden Gedanken. Was für eine Hitze. Hat es jemals seit Menschengedenken, jemals irgendwann überhaupt, so eine Hitze gegeben. Nein, denke ich mir, niemals. Ich bin der erste Mensch, der diese Temperaturen durchmachte. Wenn das nicht stimmte, dann immerhin der erste, der sich dieser selbst eingebrockten Tortur stellte. Was hielt ich auch meine Klappe mal wieder nicht, schaltet sich mein müder Gedankenapparat wieder ein. Und immer noch genügend Zeit, ewig förmlich. Vor meinem inneren Augen erscheint eine andere Szene. Ich gönne mir den Ausflug, auch wenn mir schon Übles schwant. Schließlich hat mich dieser eine Moment, diese unsägliche Dämlichkeit hierhin geführt. Die Puschmoke war versammelt. Wir scharrten uns um den gewaltigen Kasten, den mein Bruder Fernsehen nennt. Zu dem ich locker Leinwand oder Lichtspielhaus sagen würde. Natürlich passt dieses Ungetüm gerade so an die viel zu kleine Wand. Selbstredend ist das Betrachten des Bildes mindestens eine so heftige Sportveranstaltung wie die, die gerade über den Äther flimmernd auf die Leinwand projiziert wird. Denn es reicht nicht aus dem Geschehen vom einen Bildschirmrand zum anderen die Augen folgen zu lassen. Nein, aufgrund der immensen Größe der gläsernen Projektionsfläche, muss der Kopf gedreht werden. Aber nein das Gerät ist keinesfalls zu groß, auch der Raum ist mitnichten zu klein. Nein, nein, das Bild ist gestochen scharf, klingelt mir erneut die Begründung zur Wahl dieses Ungetüms im Ohr. Als wenn das eine, etwas mit dem anderen zu tun gehabt hätte. Also drehte die Puschmoke im Einklang mit dem Kick auf dem grünen Rasen einem Ball folgend so groß wie zwei Wassermelonen den Kopf hin und her. Der eine fluchend, der nächste jubelnd und der übernächste sich für dieses grandiose Schauerlebnis immer wieder selbst gratulierend. In diese Szene hinein höre ich mich sagen: „Quatsch, niemals ein Elfer. Auf den VAR ist Verlass. Wenn das ein Elfer war, gibt es kommende Woche Freibier bei mir.“ Heute denke ich mir, hätte ich mal vorher nachgedacht. Hätte ich doch diese folgenschwere Aussage nicht getätigt. Wie so oft, bringt mich der Konjunktiv nicht weiter. Traurig aber der Richtigkeit meiner Aussage gewiss, nahm ich die Niederlage wahr. Immerhin gekämpft, immerhin Vize. Plötzlich erschien unvermittelt eine Wiederholung, in zäher Zeitlupe waberte sie über die gigantische Bildfläche. Ein Ball schlägt gegen einen im Gewühl hoch erhobenen Arm. Damit waren zwei undenkbare Dinge geschehen. Ein neuer Wembley Moment war geboren und es gibt Freibier bei mir für die ganze Puschmoke. Ein kaum wahrnehmbares Tack reißt mich aus meinen Gedanken. 17:00 Uhr. Noch eine Stunde bis die Meute bei mir einfällt. Laut meinem Plan genau die Stunde, die ich brauche alles vorzubereiten. Ich gebe mir einen Ruck, beginne und freue mich schon wieder alle zusammen zu haben. Kann es kaum erwarten bis es klingelt und die ersten in meine Wohnung einfallen. Tick, es dauert nicht mehr lang, Tack, nicht mehr lang.