Tief im Dschungel des verwunschenen Konsumiens lebten einst die Bewohner in Freiheit und Frieden. Sie hatten alles, was man sich wünschte und dadurch gab es auch keinen Grund mehr jemandem etwas wegzunehmen, weil man selbst ja alles haben konnte, was man wollte. Aus dieser Zufriedenheit erwuchs ein herrliches Miteinander und alle waren glücklich.
Doch eines Tages suchte der böse Drache Schu-Fa Konsumien heim und unterjochte das ganze Land in einer schrecklichen Tyrannei. Niemand durfte sich Neues anschaffen und musste das Alte nutzen, bis es nicht mehr ging. Und selbst dann gewährte Schu-Fa den Menschen nichts Neues anzuschaffen. Der Zahn der Zeit nagte an Häusern, Utensilien und Kleidung. Alles verkam immer mehr und Schu-Fa hatte seine Freude daran zu sehen, wie die maroden Häuser einstürzten, die Leute in Fetzen oder gar nackt umherliefen und die Menschen selbst Blumenkohl aus purer Not aßen.
In dieser Zeit litt auch die kleine Kathari-Na unter dem Mangel. Sie hatte nichts weiter am Leib als einen schwarzen Bikini, dessen Tage auch schon gezählt waren. Immerhin wusste sie sich zu helfen und sammelte im Dschungel Früchte und dergleichen, so dass sie keinen Hunger leiden musste. Außerdem ließ sie sich die Freude nicht nehmen, denn die kann man sich in den meisten Fällen ohnehin nicht kaufen. Und ihre Freude war es, ab und zu schwimmen zu gehen. Als die Suche nach neuen Früchten sie weiter als sonst in den Dschungel trug und sie gar nicht mehr wusste, wo sie nun eigentlich war, kam sie an das Ufer eines schillernden Sees, der idyllisch inmitten des Grüns lag. Von einem großen Felsvorsprung ergoß sich ein Wasserfall in den See und sein Tosen klang für Kathari-Na wie eine wundersame Melodie. Der See war ruhig und außergewöhnlich warm. Das Wasser war so klar, dass man selbst nach einem Meter Entfernung vom Ufer noch bis auf den Grund sehen konnte. Der See sah so einladend aus, dass Kathari-Na alle Furcht beiseite legte und sofort juchzend hinein sprang. Fröhlich plantschte sie herum, bis ein tiefes Grollen zu hören war. Das unheimliche Geräusch wurde lauter und die Erde begann zu beben. Kathari-Na bekam Angst und war wie gelähmt. Sollte sie aus dem Wasser raus oder doch besser nicht? Ihr Herz pochte wie wild. Da brach unter dem Wasserfall mit großen Getöse eine Felslawine los und polterte hinab. Mit schreckgeweiteten Augen schwamm Kathari-Na weg davon. Dann, als sich alles beruhigt hatte, sah sie hinter dem Wasserfall eine Höhle. Das Erdbeben muss diese freigelegt haben.
Neugierig schwamm sie zum Ufer unweit des Wasserfalls, kletterte dort an den schroffen Felsen empor, wild entschlossen das Geheimnis der Höhle zu erkunden. Als sie den Eingang der Höhle erreichte, fröstelte sie. Einerseits vor Anspannung, andererseits wegen des kühlen Luftzugs, der aus der Höhle zog und ihr wie der eisige Atem von Schu-Fa vorkam. Trotzdem siegte die Neugierde und Kathari-Na ging mit neuem Mut tiefer in die Höhle hinein. Anstatt einer zunehmenden Dunkelheit, empfing Kathari-Na aber ein fahles Licht, das ihr beinahe den Weg zu weisen schien. Wie die Motte zum Licht folgte sie ihm und kam im hinteren Teil der Höhle zu einer Art Schrein.
Sie staunte, als sie diese antike Stätte sah und ihr fielen die Geschichten ein, die ihre Großmutter ihr abends immer erzählte. Darunter auch die Sage des Weisen Pu-Ma mit den magischen Schuhen. Auf einer steinernen Stele standen genau diese Schuhe. Sie glitzerten in einem weißen Licht und ehrfürchtig streichelte Kathari-Na über sie. »Das müssen die magischen Schuhe von Pu-Ma sein...«, dachte sie bei sich und zögerte zunächst, sie zu greifen.
Doch dann fasste sie Mut, griff die Schuhe, zog das Genick vor Furcht ein und harrte der Dinge. Doch es passierte nichts. Sie zuckte mit den Achseln und freute sich darauf, diese Schuhe zu probieren. Langsam ließ sie ihre Füße durch den Schaft gleiten. Überrascht stellte sie fest, dass die Schuhe ihr wie angegossen passten und eine unglaubliche Energie durchströmte ihren Körper. Sie fühlte sich alles und jedem überlegen!
Sofort verließ Kathari-Na die Höhle und stieg hinab zum Ufer, wo sie einen großen Felsbrocken wie Papier anhob und in den See warf. Die Schuhe verliehen ihr eine Macht, die sie nie für möglich gehalten hätte und sie wusste, dass sie nun bereit dazu ist Konsumien vom Terror des Drachen Schu-Fa zu befreien.
Sie rannte durch den Dschungel, als ob sie Siebenmeilenstiefel hätte. Ohne zu ermüden flog sie förmlich davon, zielstrebig auf den Feuerberg zu, auf dessen Gipfel der Palast von Schu-Fa thront.
Der Drache sah Kathari-Na schon von weitem, doch maß er ihr keine Bedeutung bei. Was sollte ein mächtiger Drache wie er schon von so einem kleinen Weibchen zu fürchten haben? Er kicherte nur. Aber als Kathari-Na dann vor ihm stand und er die Schuhe sah, wusste er, dass er sich irrte. Er bäumte sich auf und attackierte Kathari-Na, die flink wie ein Wiesel parierte und auswich und Schu-Fa mit schmerzhaften Tritten malträtierte. Die Klageschreie des Drachen ließen ganz Konsumien erbeben und das Volk vor Angst erstarren. Doch Kathari-Na war dank der magischen Schuhe dem Drachen überlegen. Seine Kräfte schwanden und bevor Kathari-Na zum letzten und entscheidenden Tritt ansetzen konnte, rief Schu-Fa: »Halt ein! Ich ergebe mich!!«
Kathari-Na neigte den Kopf, sah ihn grimmig mit zugezogenen Augen an und raunte ihm zu: »Verschwinde aus Konsumien und lass unser Volk in Ruhe! Wenn ich Dich auch nur in der Nähe unseres Landes sehe, werde ich zu Ende bringen, was ich hier und heute begann. Verstanden?!«
Der Drache Schu-Fa nickte und versprach Konsumien nie mehr zu betreten. Mit diesen Worten flog er davon und ward nie mehr gesehen.
Kathari-Na wurde vom Volk als große Heldin gefeiert. Man errichtete ihr Tempel, in denen man allerlei Krimskrams, wie T-Shirts, Tassen, und Schlüsselanhänger mit ihrem Konterfei kaufen konnte. Das Volk von Konsumien war befreit und kehrte zu seiner alten Religion zurück. Sie veehrten wieder ihren Gott Te-Mu und lebten bis in alle Ewigkeit im Kaufrausch.